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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

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so stehen gleich die schönsten Gerichte darauf und ein Wein dabei, der das Herz erfreut. Ladet nur alle Verwandte und Freunde ein, die sollen sich einmal laben und erquicken, denn das Tischchen macht sie alle satt.' Als die Gesellschaft beisammen war, stellte er sein Tischchen mitten in die Stube und sprach 'Tischchen, deck dich.' Aber das Tischchen regte sich nicht und blieb so leer wie ein anderer Tisch, der die Sprache nicht versteht. Da merkte der arme Geselle daß ihm das Tischchen vertauscht war, und schämte sich daß er wie ein Lügner da stand. Die Verwandten aber lachten ihn aus, und mußten ungetrunken und ungegessen wieder heim wandern. Der Vater holte seine Lappen wieder herbei und schneiderte fort, der Sohn aber gieng bei einem Meister in die Arbeit.

Der zweite Sohn war zu einem Müller gekommen und bei ihm in die Lehre gegangen. Als er seine Jahre herum hatte, sprach der Meister 'weil du dich so wohl gehalten hast, so schenke ich dir einen Esel von einer besondern Art, er zieht nicht am Wagen und trägt auch keine Säcke.' 'Wozu ist er denn nütze?' fragte der junge Geselle. 'Er speit Gold,' antwortete der Müller, 'wenn du ihn auf ein Tuch stellst und sprichst 'Bricklebrit,' so speit dir das gute Thier Goldstücke aus, hinten und vorn.' 'Das ist eine schöne Sache,' sprach der Geselle, dankte dem Meister und zog in die Welt. Wenn er Gold nöthig hatte, brauchte er nur zu seinem Esel 'Bricklebrit' zu sagen, so regnete es Goldstücke, und er hatte weiter keine Mühe als sie von der Erde aufzuheben. Wo er hinkam, war ihm das beste gut genug, und je theurer je lieber, denn er hatte immer einen vollen Beutel. Als er sich eine Zeit lang in der Welt umgesehen hatte, dachte er 'du mußt deinen Vater aufsuchen, wenn du mit dem Goldesel kommst, so wird er seinen Zorn vergessen und dich gut aufnehmen.' Es trug sich zu, daß er in dasselbe Wirthshaus gerieth, in welchem seinem Bruder das Tischchen vertauscht war. Er führte seinen Esel an der Hand,

so stehen gleich die schönsten Gerichte darauf und ein Wein dabei, der das Herz erfreut. Ladet nur alle Verwandte und Freunde ein, die sollen sich einmal laben und erquicken, denn das Tischchen macht sie alle satt.’ Als die Gesellschaft beisammen war, stellte er sein Tischchen mitten in die Stube und sprach ‘Tischchen, deck dich.’ Aber das Tischchen regte sich nicht und blieb so leer wie ein anderer Tisch, der die Sprache nicht versteht. Da merkte der arme Geselle daß ihm das Tischchen vertauscht war, und schämte sich daß er wie ein Lügner da stand. Die Verwandten aber lachten ihn aus, und mußten ungetrunken und ungegessen wieder heim wandern. Der Vater holte seine Lappen wieder herbei und schneiderte fort, der Sohn aber gieng bei einem Meister in die Arbeit.

Der zweite Sohn war zu einem Müller gekommen und bei ihm in die Lehre gegangen. Als er seine Jahre herum hatte, sprach der Meister ‘weil du dich so wohl gehalten hast, so schenke ich dir einen Esel von einer besondern Art, er zieht nicht am Wagen und trägt auch keine Säcke.’ ‘Wozu ist er denn nütze?’ fragte der junge Geselle. ‘Er speit Gold,’ antwortete der Müller, ‘wenn du ihn auf ein Tuch stellst und sprichst ‘Bricklebrit,’ so speit dir das gute Thier Goldstücke aus, hinten und vorn.’ ‘Das ist eine schöne Sache,’ sprach der Geselle, dankte dem Meister und zog in die Welt. Wenn er Gold nöthig hatte, brauchte er nur zu seinem Esel ‘Bricklebrit’ zu sagen, so regnete es Goldstücke, und er hatte weiter keine Mühe als sie von der Erde aufzuheben. Wo er hinkam, war ihm das beste gut genug, und je theurer je lieber, denn er hatte immer einen vollen Beutel. Als er sich eine Zeit lang in der Welt umgesehen hatte, dachte er ‘du mußt deinen Vater aufsuchen, wenn du mit dem Goldesel kommst, so wird er seinen Zorn vergessen und dich gut aufnehmen.’ Es trug sich zu, daß er in dasselbe Wirthshaus gerieth, in welchem seinem Bruder das Tischchen vertauscht war. Er führte seinen Esel an der Hand,

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[187/0220] so stehen gleich die schönsten Gerichte darauf und ein Wein dabei, der das Herz erfreut. Ladet nur alle Verwandte und Freunde ein, die sollen sich einmal laben und erquicken, denn das Tischchen macht sie alle satt.’ Als die Gesellschaft beisammen war, stellte er sein Tischchen mitten in die Stube und sprach ‘Tischchen, deck dich.’ Aber das Tischchen regte sich nicht und blieb so leer wie ein anderer Tisch, der die Sprache nicht versteht. Da merkte der arme Geselle daß ihm das Tischchen vertauscht war, und schämte sich daß er wie ein Lügner da stand. Die Verwandten aber lachten ihn aus, und mußten ungetrunken und ungegessen wieder heim wandern. Der Vater holte seine Lappen wieder herbei und schneiderte fort, der Sohn aber gieng bei einem Meister in die Arbeit. Der zweite Sohn war zu einem Müller gekommen und bei ihm in die Lehre gegangen. Als er seine Jahre herum hatte, sprach der Meister ‘weil du dich so wohl gehalten hast, so schenke ich dir einen Esel von einer besondern Art, er zieht nicht am Wagen und trägt auch keine Säcke.’ ‘Wozu ist er denn nütze?’ fragte der junge Geselle. ‘Er speit Gold,’ antwortete der Müller, ‘wenn du ihn auf ein Tuch stellst und sprichst ‘Bricklebrit,’ so speit dir das gute Thier Goldstücke aus, hinten und vorn.’ ‘Das ist eine schöne Sache,’ sprach der Geselle, dankte dem Meister und zog in die Welt. Wenn er Gold nöthig hatte, brauchte er nur zu seinem Esel ‘Bricklebrit’ zu sagen, so regnete es Goldstücke, und er hatte weiter keine Mühe als sie von der Erde aufzuheben. Wo er hinkam, war ihm das beste gut genug, und je theurer je lieber, denn er hatte immer einen vollen Beutel. Als er sich eine Zeit lang in der Welt umgesehen hatte, dachte er ‘du mußt deinen Vater aufsuchen, wenn du mit dem Goldesel kommst, so wird er seinen Zorn vergessen und dich gut aufnehmen.’ Es trug sich zu, daß er in dasselbe Wirthshaus gerieth, in welchem seinem Bruder das Tischchen vertauscht war. Er führte seinen Esel an der Hand,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/220>, abgerufen am 08.05.2024.