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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

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und der Wirth wollte ihm das Thier abnehmen und anbinden, der junge Geselle aber sprach 'gebt euch keine Mühe, meinen Grauschimmel führe ich selbst in den Stall und binde ihn auch selbst an, denn ich muß wissen wo er steht.' Dem Wirth kam das wunderlich vor, und er meinte einer, der seinen Esel selbst besorgen müßte, hätte nicht viel zu verzehren: als aber der Fremde in die Tasche griff, zwei Goldstücke heraus holte und sagte er sollte nur etwas gutes für ihn einkaufen, so machte er große Augen, lief und suchte das beste, das er auftreiben konnte. Nach der Mahlzeit fragte der Gast was er schuldig wäre, der Wirth wollte die doppelte Kreide nicht sparen und sagte noch ein paar Goldstücke müßte er zulegen. Der Geselle griff in die Tasche, aber sein Gold war eben zu Ende. 'Wartet einen Augenblick, Herr Wirth,' sprach er, 'ich will nur gehen und Gold holen;' nahm aber das Tischtuch mit. Der Wirth wußte nicht was das heißen sollte, war neugierig, schlich ihm nach, und da der Gast die Stallthüre zuriegelte, so guckte er durch ein Astloch. Der Fremde breitete unter dem Esel das Tuch aus, rief 'Bricklebrit,' und augenblicklich fieng das Thier an Gold zu speien von hinten und vorn, daß es ordentlich auf die Erde herabregnete. 'Ei der tausend,' sagte der Wirth, 'da sind die Ducaten bald geprägt! so ein Geldbeutel ist nicht übel!' Der Gast bezahlte seine Zeche und legte sich schlafen, der Wirth aber schlich in der Nacht herab in den Stall, führte den Münzmeister weg und band einen andern Esel an seine Stelle. Den folgenden Morgen in der Frühe zog der Geselle mit seinem Esel ab und meinte er hätte seinen Goldesel. Mittags kam er bei seinem Vater an, der sich freute als er ihn wiedersah und ihn gerne aufnahm. 'Was ist aus dir geworden, mein Sohn?' fragte der Alte. 'Ein Müller, lieber Vater,' antwortete er. 'Was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?' 'Weiter nichts als einen Esel.' 'Esel gibts hier genug,' sagte der Vater, 'da wäre

und der Wirth wollte ihm das Thier abnehmen und anbinden, der junge Geselle aber sprach ‘gebt euch keine Mühe, meinen Grauschimmel führe ich selbst in den Stall und binde ihn auch selbst an, denn ich muß wissen wo er steht.’ Dem Wirth kam das wunderlich vor, und er meinte einer, der seinen Esel selbst besorgen müßte, hätte nicht viel zu verzehren: als aber der Fremde in die Tasche griff, zwei Goldstücke heraus holte und sagte er sollte nur etwas gutes für ihn einkaufen, so machte er große Augen, lief und suchte das beste, das er auftreiben konnte. Nach der Mahlzeit fragte der Gast was er schuldig wäre, der Wirth wollte die doppelte Kreide nicht sparen und sagte noch ein paar Goldstücke müßte er zulegen. Der Geselle griff in die Tasche, aber sein Gold war eben zu Ende. ‘Wartet einen Augenblick, Herr Wirth,’ sprach er, ‘ich will nur gehen und Gold holen;’ nahm aber das Tischtuch mit. Der Wirth wußte nicht was das heißen sollte, war neugierig, schlich ihm nach, und da der Gast die Stallthüre zuriegelte, so guckte er durch ein Astloch. Der Fremde breitete unter dem Esel das Tuch aus, rief ‘Bricklebrit,’ und augenblicklich fieng das Thier an Gold zu speien von hinten und vorn, daß es ordentlich auf die Erde herabregnete. ‘Ei der tausend,’ sagte der Wirth, ‘da sind die Ducaten bald geprägt! so ein Geldbeutel ist nicht übel!’ Der Gast bezahlte seine Zeche und legte sich schlafen, der Wirth aber schlich in der Nacht herab in den Stall, führte den Münzmeister weg und band einen andern Esel an seine Stelle. Den folgenden Morgen in der Frühe zog der Geselle mit seinem Esel ab und meinte er hätte seinen Goldesel. Mittags kam er bei seinem Vater an, der sich freute als er ihn wiedersah und ihn gerne aufnahm. ‘Was ist aus dir geworden, mein Sohn?’ fragte der Alte. ‘Ein Müller, lieber Vater,’ antwortete er. ‘Was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?’ ‘Weiter nichts als einen Esel.’ ‘Esel gibts hier genug,’ sagte der Vater, ‘da wäre

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[188/0221] und der Wirth wollte ihm das Thier abnehmen und anbinden, der junge Geselle aber sprach ‘gebt euch keine Mühe, meinen Grauschimmel führe ich selbst in den Stall und binde ihn auch selbst an, denn ich muß wissen wo er steht.’ Dem Wirth kam das wunderlich vor, und er meinte einer, der seinen Esel selbst besorgen müßte, hätte nicht viel zu verzehren: als aber der Fremde in die Tasche griff, zwei Goldstücke heraus holte und sagte er sollte nur etwas gutes für ihn einkaufen, so machte er große Augen, lief und suchte das beste, das er auftreiben konnte. Nach der Mahlzeit fragte der Gast was er schuldig wäre, der Wirth wollte die doppelte Kreide nicht sparen und sagte noch ein paar Goldstücke müßte er zulegen. Der Geselle griff in die Tasche, aber sein Gold war eben zu Ende. ‘Wartet einen Augenblick, Herr Wirth,’ sprach er, ‘ich will nur gehen und Gold holen;’ nahm aber das Tischtuch mit. Der Wirth wußte nicht was das heißen sollte, war neugierig, schlich ihm nach, und da der Gast die Stallthüre zuriegelte, so guckte er durch ein Astloch. Der Fremde breitete unter dem Esel das Tuch aus, rief ‘Bricklebrit,’ und augenblicklich fieng das Thier an Gold zu speien von hinten und vorn, daß es ordentlich auf die Erde herabregnete. ‘Ei der tausend,’ sagte der Wirth, ‘da sind die Ducaten bald geprägt! so ein Geldbeutel ist nicht übel!’ Der Gast bezahlte seine Zeche und legte sich schlafen, der Wirth aber schlich in der Nacht herab in den Stall, führte den Münzmeister weg und band einen andern Esel an seine Stelle. Den folgenden Morgen in der Frühe zog der Geselle mit seinem Esel ab und meinte er hätte seinen Goldesel. Mittags kam er bei seinem Vater an, der sich freute als er ihn wiedersah und ihn gerne aufnahm. ‘Was ist aus dir geworden, mein Sohn?’ fragte der Alte. ‘Ein Müller, lieber Vater,’ antwortete er. ‘Was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?’ ‘Weiter nichts als einen Esel.’ ‘Esel gibts hier genug,’ sagte der Vater, ‘da wäre

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/221>, abgerufen am 08.05.2024.