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Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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leumdung aller Art. Der junge Herr Aloys aber benahm sich dabei sehr schlau. Es fiel ihm gar nicht ein, sich zu vertheidigen, er lachte nur über die bösen Zungen, aber er erschien niemals auf dem Hofgut ohne kostbare Geschenke. Bald war es eine Marmorvase, bald ein Korb Früchte, bald seltene Blumen oder eine Spitzengarnitur -- Pariser Luxuswaaren, türkische Teppiche, Südfrüchte, Cameen, Bijouterieen -- das waren seine Antworten, und damit brachte er ganz die Mutter auf seine Seite und auch mich, die er für die zweite Mutter Juliens ansah.

Auch Sie, Frau Conrectorin! sagte Isidor mit dem Tone des Entsetzens.

Ja, verzeih' mir's Gott, auch mich. Wenn der Böse einmal seine Hände im Spiel hat, so braucht er immer die alten Mittel; ich kann den Faust seitdem nicht mehr lesen, noch sehen, denn die Frau Martha ist -- gar zu sehr nach dem Leben gezeichnet. Also gut -- um dem alten General auszuweichen, kamen die Liebesleutchen hier zusammen, im Garten oder hier im Häuschen, und so hab' ich mein Theil redlich mitgeholfen. Eigentlich mochte ich den Menschen nicht recht leiden, er sprach wenig und ging nie aus sich heraus, ich bin nie dahinter gekommen, ob er ein Duckmäuser oder ein Simpel war, es kann auch bloße Unerfahrenheit und Schüchternheit gewesen sein, aber mich dauerte das junge Blut, und so hatte das Unglück seinen Lauf.

leumdung aller Art. Der junge Herr Aloys aber benahm sich dabei sehr schlau. Es fiel ihm gar nicht ein, sich zu vertheidigen, er lachte nur über die bösen Zungen, aber er erschien niemals auf dem Hofgut ohne kostbare Geschenke. Bald war es eine Marmorvase, bald ein Korb Früchte, bald seltene Blumen oder eine Spitzengarnitur — Pariser Luxuswaaren, türkische Teppiche, Südfrüchte, Cameen, Bijouterieen — das waren seine Antworten, und damit brachte er ganz die Mutter auf seine Seite und auch mich, die er für die zweite Mutter Juliens ansah.

Auch Sie, Frau Conrectorin! sagte Isidor mit dem Tone des Entsetzens.

Ja, verzeih' mir's Gott, auch mich. Wenn der Böse einmal seine Hände im Spiel hat, so braucht er immer die alten Mittel; ich kann den Faust seitdem nicht mehr lesen, noch sehen, denn die Frau Martha ist — gar zu sehr nach dem Leben gezeichnet. Also gut — um dem alten General auszuweichen, kamen die Liebesleutchen hier zusammen, im Garten oder hier im Häuschen, und so hab' ich mein Theil redlich mitgeholfen. Eigentlich mochte ich den Menschen nicht recht leiden, er sprach wenig und ging nie aus sich heraus, ich bin nie dahinter gekommen, ob er ein Duckmäuser oder ein Simpel war, es kann auch bloße Unerfahrenheit und Schüchternheit gewesen sein, aber mich dauerte das junge Blut, und so hatte das Unglück seinen Lauf.

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[0025] leumdung aller Art. Der junge Herr Aloys aber benahm sich dabei sehr schlau. Es fiel ihm gar nicht ein, sich zu vertheidigen, er lachte nur über die bösen Zungen, aber er erschien niemals auf dem Hofgut ohne kostbare Geschenke. Bald war es eine Marmorvase, bald ein Korb Früchte, bald seltene Blumen oder eine Spitzengarnitur — Pariser Luxuswaaren, türkische Teppiche, Südfrüchte, Cameen, Bijouterieen — das waren seine Antworten, und damit brachte er ganz die Mutter auf seine Seite und auch mich, die er für die zweite Mutter Juliens ansah. Auch Sie, Frau Conrectorin! sagte Isidor mit dem Tone des Entsetzens. Ja, verzeih' mir's Gott, auch mich. Wenn der Böse einmal seine Hände im Spiel hat, so braucht er immer die alten Mittel; ich kann den Faust seitdem nicht mehr lesen, noch sehen, denn die Frau Martha ist — gar zu sehr nach dem Leben gezeichnet. Also gut — um dem alten General auszuweichen, kamen die Liebesleutchen hier zusammen, im Garten oder hier im Häuschen, und so hab' ich mein Theil redlich mitgeholfen. Eigentlich mochte ich den Menschen nicht recht leiden, er sprach wenig und ging nie aus sich heraus, ich bin nie dahinter gekommen, ob er ein Duckmäuser oder ein Simpel war, es kann auch bloße Unerfahrenheit und Schüchternheit gewesen sein, aber mich dauerte das junge Blut, und so hatte das Unglück seinen Lauf.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:31:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grosse_isidor_1910/25>, abgerufen am 26.04.2024.