Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Die Napoleoniden.
seine Plane: man weiß, wie wenig Ludwig mit Hor¬
tense wahlverwandt war.

Napoleon, darauf bedacht, sich mit einer erborgten
Legitimität zu schmücken, adelte vor allen Dingen zuerst
sein Blut, seine Familie, und machte seine Brüder,
welche als französische Prinzen schon die Handgriffe und
Bewegungen einer anständigen Repräsentation erlernt
hatten, zu Königen über Reiche, welche entweder erst
erobert waren, oder durch Intrigue einen leeren Thron
zeigten.

Dies wurde für Europa eine Propaganda des fran¬
zösischen Gouvernirungssystems, die, wie bald auch ihre
Wirksamkeit vorüberging, doch nicht ohne Folgen auf
die spätere Gestaltung unsrer Verhältnisse blieb. Mit
Napoleons Brüdern und den andern gekrönten Pala¬
dinen der großen Kaiserherrschaft kamen die Begriffe
Centralisation und Bureaukratie über uns, welche die
spätere Restauration adoptirte, obschon sie Ausflüsse der
Revolution waren. Napoleons eignes Verfahren galt
als Muster, seine Politik, sein Handelsgrundsatz durfte
von keinem seiner Vasallen überschritten werden; diese
militairische Feudalherrschaft wurde mit einer Strenge
ausgeführt, welche den Günstlingen der kaiserlichen
Gnade diese bald selbst unerträglich machte. Zur Gunst

Die Napoleoniden.
ſeine Plane: man weiß, wie wenig Ludwig mit Hor¬
tenſe wahlverwandt war.

Napoleon, darauf bedacht, ſich mit einer erborgten
Legitimitaͤt zu ſchmuͤcken, adelte vor allen Dingen zuerſt
ſein Blut, ſeine Familie, und machte ſeine Bruͤder,
welche als franzoͤſiſche Prinzen ſchon die Handgriffe und
Bewegungen einer anſtaͤndigen Repraͤſentation erlernt
hatten, zu Koͤnigen uͤber Reiche, welche entweder erſt
erobert waren, oder durch Intrigue einen leeren Thron
zeigten.

Dies wurde fuͤr Europa eine Propaganda des fran¬
zoͤſiſchen Gouvernirungsſyſtems, die, wie bald auch ihre
Wirkſamkeit voruͤberging, doch nicht ohne Folgen auf
die ſpaͤtere Geſtaltung unſrer Verhaͤltniſſe blieb. Mit
Napoleons Bruͤdern und den andern gekroͤnten Pala¬
dinen der großen Kaiſerherrſchaft kamen die Begriffe
Centraliſation und Bureaukratie uͤber uns, welche die
ſpaͤtere Reſtauration adoptirte, obſchon ſie Ausfluͤſſe der
Revolution waren. Napoleons eignes Verfahren galt
als Muſter, ſeine Politik, ſein Handelsgrundſatz durfte
von keinem ſeiner Vaſallen uͤberſchritten werden; dieſe
militairiſche Feudalherrſchaft wurde mit einer Strenge
ausgefuͤhrt, welche den Guͤnſtlingen der kaiſerlichen
Gnade dieſe bald ſelbſt unertraͤglich machte. Zur Gunſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0141" n="123"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Napoleoniden</hi>.<lb/></fw> &#x017F;eine Plane: man weiß, wie wenig Ludwig mit Hor¬<lb/>
ten&#x017F;e wahlverwandt war.</p><lb/>
        <p>Napoleon, darauf bedacht, &#x017F;ich mit einer erborgten<lb/>
Legitimita&#x0364;t zu &#x017F;chmu&#x0364;cken, adelte vor allen Dingen zuer&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ein Blut, &#x017F;eine Familie, und machte &#x017F;eine Bru&#x0364;der,<lb/>
welche als franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Prinzen &#x017F;chon die Handgriffe und<lb/>
Bewegungen einer an&#x017F;ta&#x0364;ndigen Repra&#x0364;&#x017F;entation erlernt<lb/>
hatten, zu Ko&#x0364;nigen u&#x0364;ber Reiche, welche entweder er&#x017F;t<lb/>
erobert waren, oder durch Intrigue einen leeren Thron<lb/>
zeigten.</p><lb/>
        <p>Dies wurde fu&#x0364;r Europa eine Propaganda des fran¬<lb/>
zo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Gouvernirungs&#x017F;y&#x017F;tems, die, wie bald auch ihre<lb/>
Wirk&#x017F;amkeit voru&#x0364;berging, doch nicht ohne Folgen auf<lb/>
die &#x017F;pa&#x0364;tere Ge&#x017F;taltung un&#x017F;rer Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e blieb. Mit<lb/>
Napoleons Bru&#x0364;dern und den andern gekro&#x0364;nten Pala¬<lb/>
dinen der großen Kai&#x017F;erherr&#x017F;chaft kamen die Begriffe<lb/>
Centrali&#x017F;ation und Bureaukratie u&#x0364;ber uns, welche die<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;tere Re&#x017F;tauration adoptirte, ob&#x017F;chon &#x017F;ie Ausflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Revolution waren. Napoleons eignes Verfahren galt<lb/>
als Mu&#x017F;ter, &#x017F;eine Politik, &#x017F;ein Handelsgrund&#x017F;atz durfte<lb/>
von keinem &#x017F;einer Va&#x017F;allen u&#x0364;ber&#x017F;chritten werden; die&#x017F;e<lb/>
militairi&#x017F;che Feudalherr&#x017F;chaft wurde mit einer Strenge<lb/>
ausgefu&#x0364;hrt, welche den Gu&#x0364;n&#x017F;tlingen der kai&#x017F;erlichen<lb/>
Gnade die&#x017F;e bald &#x017F;elb&#x017F;t unertra&#x0364;glich machte. Zur Gun&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0141] Die Napoleoniden. ſeine Plane: man weiß, wie wenig Ludwig mit Hor¬ tenſe wahlverwandt war. Napoleon, darauf bedacht, ſich mit einer erborgten Legitimitaͤt zu ſchmuͤcken, adelte vor allen Dingen zuerſt ſein Blut, ſeine Familie, und machte ſeine Bruͤder, welche als franzoͤſiſche Prinzen ſchon die Handgriffe und Bewegungen einer anſtaͤndigen Repraͤſentation erlernt hatten, zu Koͤnigen uͤber Reiche, welche entweder erſt erobert waren, oder durch Intrigue einen leeren Thron zeigten. Dies wurde fuͤr Europa eine Propaganda des fran¬ zoͤſiſchen Gouvernirungsſyſtems, die, wie bald auch ihre Wirkſamkeit voruͤberging, doch nicht ohne Folgen auf die ſpaͤtere Geſtaltung unſrer Verhaͤltniſſe blieb. Mit Napoleons Bruͤdern und den andern gekroͤnten Pala¬ dinen der großen Kaiſerherrſchaft kamen die Begriffe Centraliſation und Bureaukratie uͤber uns, welche die ſpaͤtere Reſtauration adoptirte, obſchon ſie Ausfluͤſſe der Revolution waren. Napoleons eignes Verfahren galt als Muſter, ſeine Politik, ſein Handelsgrundſatz durfte von keinem ſeiner Vaſallen uͤberſchritten werden; dieſe militairiſche Feudalherrſchaft wurde mit einer Strenge ausgefuͤhrt, welche den Guͤnſtlingen der kaiſerlichen Gnade dieſe bald ſelbſt unertraͤglich machte. Zur Gunſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/141
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/141>, abgerufen am 28.04.2024.