Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Daniel O'Connell.
gion über, wo die kleine politische Reibung zuletzt un¬
versöhnlich wird. So öffnet sich bald der Blick. Ganz
Irland sieht sich von Unrecht umschanzt, von einigen
wenigen Fremden, welche den Reichthum und die Ge¬
setze in Händen haben, welche früher sogar ihre politi¬
schen Interessen vertreten wollten und deren Geistlichkeit,
Pförtner eines verschmähten Himmels, noch jetzt die Ge¬
fälle ihrer armseligen aber gutkatholischen Thätigkeit
eintreibt.

Das Pachtverhältniß, in England das Fundament
der Verfassung, ist in Irland die offne Wunde, welche
niemals heilt. Die Eigenthümer des Bodens, meist
Protestanten, oder der Adel des Landes, welcher seine
Ehre darin sucht, in London die dritte Rolle zu spie¬
len, und am Glanze der Monarchie Theil zu nehmen,
zerstückeln ihre Ländereien, weil sie für große Pachtun¬
gen keinen wohlhabenden Mittelstand finden: die Kul¬
tur der kleinen Distrikte endet aber immer mit Zah¬
lungsunfähigkeit, mit Auspfändung, kurz mit der Grau¬
samkeit zweier Exekutoren, eines civilen und eines kirch¬
lichen, welche zur Verzweiflung treibt, und die Brüder¬
schaft der Weißbuben organisirt hat, einen fortwähren¬
den Krieg gegen die Eigenthümer und die nachfolgen¬
den Pächter, einen Krieg, der, wenn auch zurück ge¬

11 **

Daniel O'Connell.
gion uͤber, wo die kleine politiſche Reibung zuletzt un¬
verſoͤhnlich wird. So oͤffnet ſich bald der Blick. Ganz
Irland ſieht ſich von Unrecht umſchanzt, von einigen
wenigen Fremden, welche den Reichthum und die Ge¬
ſetze in Haͤnden haben, welche fruͤher ſogar ihre politi¬
ſchen Intereſſen vertreten wollten und deren Geiſtlichkeit,
Pfoͤrtner eines verſchmaͤhten Himmels, noch jetzt die Ge¬
faͤlle ihrer armſeligen aber gutkatholiſchen Thaͤtigkeit
eintreibt.

Das Pachtverhaͤltniß, in England das Fundament
der Verfaſſung, iſt in Irland die offne Wunde, welche
niemals heilt. Die Eigenthuͤmer des Bodens, meiſt
Proteſtanten, oder der Adel des Landes, welcher ſeine
Ehre darin ſucht, in London die dritte Rolle zu ſpie¬
len, und am Glanze der Monarchie Theil zu nehmen,
zerſtuͤckeln ihre Laͤndereien, weil ſie fuͤr große Pachtun¬
gen keinen wohlhabenden Mittelſtand finden: die Kul¬
tur der kleinen Diſtrikte endet aber immer mit Zah¬
lungsunfaͤhigkeit, mit Auspfaͤndung, kurz mit der Grau¬
ſamkeit zweier Exekutoren, eines civilen und eines kirch¬
lichen, welche zur Verzweiflung treibt, und die Bruͤder¬
ſchaft der Weißbuben organiſirt hat, einen fortwaͤhren¬
den Krieg gegen die Eigenthuͤmer und die nachfolgen¬
den Paͤchter, einen Krieg, der, wenn auch zuruͤck ge¬

11 **
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0187" n="169"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Daniel O'Connell</hi>.<lb/></fw>gion u&#x0364;ber, wo die kleine politi&#x017F;che Reibung zuletzt un¬<lb/>
ver&#x017F;o&#x0364;hnlich wird. So o&#x0364;ffnet &#x017F;ich bald der Blick. Ganz<lb/>
Irland &#x017F;ieht &#x017F;ich von Unrecht um&#x017F;chanzt, von einigen<lb/>
wenigen Fremden, welche den Reichthum und die Ge¬<lb/>
&#x017F;etze in Ha&#x0364;nden haben, welche fru&#x0364;her &#x017F;ogar ihre politi¬<lb/>
&#x017F;chen Intere&#x017F;&#x017F;en vertreten wollten und deren Gei&#x017F;tlichkeit,<lb/>
Pfo&#x0364;rtner eines ver&#x017F;chma&#x0364;hten Himmels, noch jetzt die Ge¬<lb/>
fa&#x0364;lle ihrer arm&#x017F;eligen aber gutkatholi&#x017F;chen Tha&#x0364;tigkeit<lb/>
eintreibt.</p><lb/>
        <p>Das Pachtverha&#x0364;ltniß, in England das Fundament<lb/>
der Verfa&#x017F;&#x017F;ung, i&#x017F;t in Irland die offne Wunde, welche<lb/>
niemals heilt. Die Eigenthu&#x0364;mer des Bodens, mei&#x017F;t<lb/>
Prote&#x017F;tanten, oder der Adel des Landes, welcher &#x017F;eine<lb/>
Ehre darin &#x017F;ucht, in London die dritte Rolle zu &#x017F;pie¬<lb/>
len, und am Glanze der Monarchie Theil zu nehmen,<lb/>
zer&#x017F;tu&#x0364;ckeln ihre La&#x0364;ndereien, weil &#x017F;ie fu&#x0364;r große Pachtun¬<lb/>
gen keinen wohlhabenden Mittel&#x017F;tand finden: die Kul¬<lb/>
tur der kleinen Di&#x017F;trikte endet aber immer mit Zah¬<lb/>
lungsunfa&#x0364;higkeit, mit Auspfa&#x0364;ndung, kurz mit der Grau¬<lb/>
&#x017F;amkeit zweier Exekutoren, eines civilen und eines kirch¬<lb/>
lichen, welche zur Verzweiflung treibt, und die Bru&#x0364;der¬<lb/>
&#x017F;chaft der Weißbuben organi&#x017F;irt hat, einen fortwa&#x0364;hren¬<lb/>
den Krieg gegen die Eigenthu&#x0364;mer und die nachfolgen¬<lb/>
den Pa&#x0364;chter, einen Krieg, der, wenn auch zuru&#x0364;ck ge¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">11 **<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0187] Daniel O'Connell. gion uͤber, wo die kleine politiſche Reibung zuletzt un¬ verſoͤhnlich wird. So oͤffnet ſich bald der Blick. Ganz Irland ſieht ſich von Unrecht umſchanzt, von einigen wenigen Fremden, welche den Reichthum und die Ge¬ ſetze in Haͤnden haben, welche fruͤher ſogar ihre politi¬ ſchen Intereſſen vertreten wollten und deren Geiſtlichkeit, Pfoͤrtner eines verſchmaͤhten Himmels, noch jetzt die Ge¬ faͤlle ihrer armſeligen aber gutkatholiſchen Thaͤtigkeit eintreibt. Das Pachtverhaͤltniß, in England das Fundament der Verfaſſung, iſt in Irland die offne Wunde, welche niemals heilt. Die Eigenthuͤmer des Bodens, meiſt Proteſtanten, oder der Adel des Landes, welcher ſeine Ehre darin ſucht, in London die dritte Rolle zu ſpie¬ len, und am Glanze der Monarchie Theil zu nehmen, zerſtuͤckeln ihre Laͤndereien, weil ſie fuͤr große Pachtun¬ gen keinen wohlhabenden Mittelſtand finden: die Kul¬ tur der kleinen Diſtrikte endet aber immer mit Zah¬ lungsunfaͤhigkeit, mit Auspfaͤndung, kurz mit der Grau¬ ſamkeit zweier Exekutoren, eines civilen und eines kirch¬ lichen, welche zur Verzweiflung treibt, und die Bruͤder¬ ſchaft der Weißbuben organiſirt hat, einen fortwaͤhren¬ den Krieg gegen die Eigenthuͤmer und die nachfolgen¬ den Paͤchter, einen Krieg, der, wenn auch zuruͤck ge¬ 11 **

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/187
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/187>, abgerufen am 28.04.2024.