Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Rothschild.
konnte davon unter Dalberg die Beweise sehen;
denn dieser machte ihn zum Mitglied des Wahlkol¬
legiums.

Eine schlechte Empfehlung der Republik liegt in
der Reaktion, welche nach Napoleons Sturz gegen die
Emancipation der Juden wieder eintrat. Rothschilds
ältester Sohn harrt noch heute vergebens darauf, nur
in das Frankfurter Casino aufgenommen zu werden.
Während Dalbergs sanfter Monarchie dagegen durfte
der Vater den Stab über unzuverlässige Christen bre¬
chen, Börne durfte wandernden christlichen Handwerks¬
burschen Pässe ausstellen.

Mayer Anselm erlebte die Reaktion der Intole¬
ranz nicht. Er starb im Jahre 1812, nachdem er
seine Söhne am Sterbebette versammelt, und ihnen
die persische Fabel von dem Bündel Pfeile erzählt
hatte. Vielleicht hatte er einen holländischen Dukaten
in der Hand und zeigte ihnen die Pfeile und sprach
leise in sich hinein: "concordia res parvae crescunt,
discordia maximae dilabuntur."
So starb er als
ein Gerechter, als Vater, als Gelehrter, als Münz¬
kenner. Sein Tod wurde allgemein betrauert; denn
er spendete überall Wohlthaten mit patriarchalischer
Uneigennützigkeit.

Rothſchild.
konnte davon unter Dalberg die Beweiſe ſehen;
denn dieſer machte ihn zum Mitglied des Wahlkol¬
legiums.

Eine ſchlechte Empfehlung der Republik liegt in
der Reaktion, welche nach Napoleons Sturz gegen die
Emancipation der Juden wieder eintrat. Rothſchilds
aͤlteſter Sohn harrt noch heute vergebens darauf, nur
in das Frankfurter Caſino aufgenommen zu werden.
Waͤhrend Dalbergs ſanfter Monarchie dagegen durfte
der Vater den Stab uͤber unzuverlaͤſſige Chriſten bre¬
chen, Boͤrne durfte wandernden chriſtlichen Handwerks¬
burſchen Paͤſſe ausſtellen.

Mayer Anſelm erlebte die Reaktion der Intole¬
ranz nicht. Er ſtarb im Jahre 1812, nachdem er
ſeine Soͤhne am Sterbebette verſammelt, und ihnen
die perſiſche Fabel von dem Buͤndel Pfeile erzaͤhlt
hatte. Vielleicht hatte er einen hollaͤndiſchen Dukaten
in der Hand und zeigte ihnen die Pfeile und ſprach
leiſe in ſich hinein: „concordia res parvae crescunt,
discordia maximae dilabuntur.“
So ſtarb er als
ein Gerechter, als Vater, als Gelehrter, als Muͤnz¬
kenner. Sein Tod wurde allgemein betrauert; denn
er ſpendete uͤberall Wohlthaten mit patriarchaliſcher
Uneigennuͤtzigkeit.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0305" n="287"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Roth&#x017F;child</hi>.<lb/></fw> konnte davon unter Dalberg die Bewei&#x017F;e &#x017F;ehen;<lb/>
denn die&#x017F;er machte ihn zum Mitglied des Wahlkol¬<lb/>
legiums.</p><lb/>
        <p>Eine &#x017F;chlechte Empfehlung der Republik liegt in<lb/>
der Reaktion, welche nach Napoleons Sturz gegen die<lb/>
Emancipation der Juden wieder eintrat. Roth&#x017F;childs<lb/>
a&#x0364;lte&#x017F;ter Sohn harrt noch heute vergebens darauf, nur<lb/>
in das Frankfurter Ca&#x017F;ino aufgenommen zu werden.<lb/>
Wa&#x0364;hrend Dalbergs &#x017F;anfter Monarchie dagegen durfte<lb/>
der Vater den Stab u&#x0364;ber unzuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige Chri&#x017F;ten bre¬<lb/>
chen, Bo&#x0364;rne durfte wandernden chri&#x017F;tlichen Handwerks¬<lb/>
bur&#x017F;chen Pa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e aus&#x017F;tellen.</p><lb/>
        <p>Mayer An&#x017F;elm erlebte die Reaktion der Intole¬<lb/>
ranz nicht. Er &#x017F;tarb im Jahre 1812, nachdem er<lb/>
&#x017F;eine So&#x0364;hne am Sterbebette ver&#x017F;ammelt, und ihnen<lb/>
die per&#x017F;i&#x017F;che Fabel von dem Bu&#x0364;ndel Pfeile erza&#x0364;hlt<lb/>
hatte. Vielleicht hatte er einen holla&#x0364;ndi&#x017F;chen Dukaten<lb/>
in der Hand und zeigte ihnen die Pfeile und &#x017F;prach<lb/>
lei&#x017F;e in &#x017F;ich hinein: <hi rendition="#aq">&#x201E;concordia res parvae crescunt,<lb/>
discordia maximae dilabuntur.&#x201C;</hi> So &#x017F;tarb er als<lb/>
ein Gerechter, als Vater, als Gelehrter, als Mu&#x0364;nz¬<lb/>
kenner. Sein Tod wurde allgemein betrauert; denn<lb/>
er &#x017F;pendete u&#x0364;berall Wohlthaten mit patriarchali&#x017F;cher<lb/>
Uneigennu&#x0364;tzigkeit.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0305] Rothſchild. konnte davon unter Dalberg die Beweiſe ſehen; denn dieſer machte ihn zum Mitglied des Wahlkol¬ legiums. Eine ſchlechte Empfehlung der Republik liegt in der Reaktion, welche nach Napoleons Sturz gegen die Emancipation der Juden wieder eintrat. Rothſchilds aͤlteſter Sohn harrt noch heute vergebens darauf, nur in das Frankfurter Caſino aufgenommen zu werden. Waͤhrend Dalbergs ſanfter Monarchie dagegen durfte der Vater den Stab uͤber unzuverlaͤſſige Chriſten bre¬ chen, Boͤrne durfte wandernden chriſtlichen Handwerks¬ burſchen Paͤſſe ausſtellen. Mayer Anſelm erlebte die Reaktion der Intole¬ ranz nicht. Er ſtarb im Jahre 1812, nachdem er ſeine Soͤhne am Sterbebette verſammelt, und ihnen die perſiſche Fabel von dem Buͤndel Pfeile erzaͤhlt hatte. Vielleicht hatte er einen hollaͤndiſchen Dukaten in der Hand und zeigte ihnen die Pfeile und ſprach leiſe in ſich hinein: „concordia res parvae crescunt, discordia maximae dilabuntur.“ So ſtarb er als ein Gerechter, als Vater, als Gelehrter, als Muͤnz¬ kenner. Sein Tod wurde allgemein betrauert; denn er ſpendete uͤberall Wohlthaten mit patriarchaliſcher Uneigennuͤtzigkeit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/305
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/305>, abgerufen am 07.05.2024.