Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Martinez de la Rosa.
schönen Rede auf seine Lippen legte. Aber nicht Alles
ist verschwundene Herrlichkeit in Granada. Auf den
Trümmern der maurischen Erinnerung pflanzte das
Ritterthum und die Weltmonarchie Karls V. die Tro¬
phäen ihrer großen Siege. Auf dem Platze Viva¬
rambla konnte Martinez keinen Wettlauf mit seinen
Gespielen anstellen, ohne daß jene die Zegris, diese die
Abencerragen retten wollten. Er wurde älter, und in
den ungeheuern Dimensionen des Palastes Karls V.
lernte er die Geschichte des Vaterlandes, die Universal¬
träume des spanischen Habsburgs, an dem Grabmale
Ferdinands und Isabellens, wie Amerika entdeckt und
die Inquisition eingesetzt wurde. Hier konnte sich früh
die Seele an einen mächtigen Flügelschlag gewöhnen,
so daß die mönchische Erziehung des spätern Alters zwar
Vieles dem Wissensdurste verweigern durfte, aber nichts
nehmen, was schon da war. Martinez war reicher
und angesehener Eltern Kind. Er benutzte alle Bil¬
dungsmittel, welche ihm Spanien darbot, und gab sich
zuletzt dem Studium der Rechte und der Staatswirth¬
schaft hin. Das System der Reformen Karls III.
ließ sich in Spanien durch eine Herrschaft der Günst¬
linge und Ehebrecher nicht sogleich aufhalten. Es blieb
von der encyklopädischen Aufklärung, von dem philo¬

Gutzkow's öffentl. Char. 3

Martinez de la Roſa.
ſchoͤnen Rede auf ſeine Lippen legte. Aber nicht Alles
iſt verſchwundene Herrlichkeit in Granada. Auf den
Truͤmmern der mauriſchen Erinnerung pflanzte das
Ritterthum und die Weltmonarchie Karls V. die Tro¬
phaͤen ihrer großen Siege. Auf dem Platze Viva¬
rambla konnte Martinez keinen Wettlauf mit ſeinen
Geſpielen anſtellen, ohne daß jene die Zegris, dieſe die
Abencerragen retten wollten. Er wurde aͤlter, und in
den ungeheuern Dimenſionen des Palaſtes Karls V.
lernte er die Geſchichte des Vaterlandes, die Univerſal¬
traͤume des ſpaniſchen Habsburgs, an dem Grabmale
Ferdinands und Iſabellens, wie Amerika entdeckt und
die Inquiſition eingeſetzt wurde. Hier konnte ſich fruͤh
die Seele an einen maͤchtigen Fluͤgelſchlag gewoͤhnen,
ſo daß die moͤnchiſche Erziehung des ſpaͤtern Alters zwar
Vieles dem Wiſſensdurſte verweigern durfte, aber nichts
nehmen, was ſchon da war. Martinez war reicher
und angeſehener Eltern Kind. Er benutzte alle Bil¬
dungsmittel, welche ihm Spanien darbot, und gab ſich
zuletzt dem Studium der Rechte und der Staatswirth¬
ſchaft hin. Das Syſtem der Reformen Karls III.
ließ ſich in Spanien durch eine Herrſchaft der Guͤnſt¬
linge und Ehebrecher nicht ſogleich aufhalten. Es blieb
von der encyklopaͤdiſchen Aufklaͤrung, von dem philo¬

Gutzkow's öffentl. Char. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="33"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Martinez de la Ro&#x017F;a</hi>.<lb/></fw> &#x017F;cho&#x0364;nen Rede auf &#x017F;eine Lippen legte. Aber nicht Alles<lb/>
i&#x017F;t ver&#x017F;chwundene Herrlichkeit in Granada. Auf den<lb/>
Tru&#x0364;mmern der mauri&#x017F;chen Erinnerung pflanzte das<lb/>
Ritterthum und die Weltmonarchie Karls <hi rendition="#aq">V.</hi> die Tro¬<lb/>
pha&#x0364;en ihrer großen Siege. Auf dem Platze Viva¬<lb/>
rambla konnte Martinez keinen Wettlauf mit &#x017F;einen<lb/>
Ge&#x017F;pielen an&#x017F;tellen, ohne daß jene die Zegris, die&#x017F;e die<lb/>
Abencerragen retten wollten. Er wurde a&#x0364;lter, und in<lb/>
den ungeheuern Dimen&#x017F;ionen des Pala&#x017F;tes Karls <hi rendition="#aq">V</hi>.<lb/>
lernte er die Ge&#x017F;chichte des Vaterlandes, die Univer&#x017F;al¬<lb/>
tra&#x0364;ume des &#x017F;pani&#x017F;chen Habsburgs, an dem Grabmale<lb/>
Ferdinands und I&#x017F;abellens, wie Amerika entdeckt und<lb/>
die Inqui&#x017F;ition einge&#x017F;etzt wurde. Hier konnte &#x017F;ich fru&#x0364;h<lb/>
die Seele an einen ma&#x0364;chtigen Flu&#x0364;gel&#x017F;chlag gewo&#x0364;hnen,<lb/>
&#x017F;o daß die mo&#x0364;nchi&#x017F;che Erziehung des &#x017F;pa&#x0364;tern Alters zwar<lb/>
Vieles dem Wi&#x017F;&#x017F;ensdur&#x017F;te verweigern durfte, aber nichts<lb/>
nehmen, was &#x017F;chon da war. Martinez war reicher<lb/>
und ange&#x017F;ehener Eltern Kind. Er benutzte alle Bil¬<lb/>
dungsmittel, welche ihm Spanien darbot, und gab &#x017F;ich<lb/>
zuletzt dem Studium der Rechte und der Staatswirth¬<lb/>
&#x017F;chaft hin. Das Sy&#x017F;tem der Reformen Karls <hi rendition="#aq">III</hi>.<lb/>
ließ &#x017F;ich in Spanien durch eine Herr&#x017F;chaft der Gu&#x0364;n&#x017F;<lb/>
linge und Ehebrecher nicht &#x017F;ogleich aufhalten. Es blieb<lb/>
von der encyklopa&#x0364;di&#x017F;chen Aufkla&#x0364;rung, von dem philo¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Gutzkow's öffentl. Char. 3<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0051] Martinez de la Roſa. ſchoͤnen Rede auf ſeine Lippen legte. Aber nicht Alles iſt verſchwundene Herrlichkeit in Granada. Auf den Truͤmmern der mauriſchen Erinnerung pflanzte das Ritterthum und die Weltmonarchie Karls V. die Tro¬ phaͤen ihrer großen Siege. Auf dem Platze Viva¬ rambla konnte Martinez keinen Wettlauf mit ſeinen Geſpielen anſtellen, ohne daß jene die Zegris, dieſe die Abencerragen retten wollten. Er wurde aͤlter, und in den ungeheuern Dimenſionen des Palaſtes Karls V. lernte er die Geſchichte des Vaterlandes, die Univerſal¬ traͤume des ſpaniſchen Habsburgs, an dem Grabmale Ferdinands und Iſabellens, wie Amerika entdeckt und die Inquiſition eingeſetzt wurde. Hier konnte ſich fruͤh die Seele an einen maͤchtigen Fluͤgelſchlag gewoͤhnen, ſo daß die moͤnchiſche Erziehung des ſpaͤtern Alters zwar Vieles dem Wiſſensdurſte verweigern durfte, aber nichts nehmen, was ſchon da war. Martinez war reicher und angeſehener Eltern Kind. Er benutzte alle Bil¬ dungsmittel, welche ihm Spanien darbot, und gab ſich zuletzt dem Studium der Rechte und der Staatswirth¬ ſchaft hin. Das Syſtem der Reformen Karls III. ließ ſich in Spanien durch eine Herrſchaft der Guͤnſt¬ linge und Ehebrecher nicht ſogleich aufhalten. Es blieb von der encyklopaͤdiſchen Aufklaͤrung, von dem philo¬ Gutzkow's öffentl. Char. 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/51
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/51>, abgerufen am 30.04.2024.