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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Tröste Dich, Geliebte, gib dem Schmerz nicht allzusehr Raum! Lies einstweilen Fichte's Schriften, bis ich Dir einen Trost a priori geben werde.

Es ist ein Jammer, schon wieder von Deinem Unglück zu reden. Aber es ist so, Du bist die ewige Jüdin. Welch schmerzlicher Gedanke!

Da irrst Du nun über Berge und Meere, suchst die tiefste Nacht, und Deine Augen wollen sich nicht schließen. Ich sehe Dich mit scheuem Blick durch die Erde wandern; Dein zitternder Fuß ist das Piedestal einer todten Statue. Du klagst, man fliehe vor Dir, man fürchte Deine unheimliche Nähe, man verstehe Dich nicht, weil Du in fremder, nie gehörter Zunge sprichst. O, Du Liebe, laß sie mit ihrem kalten Sinne Alle! Eile zu mir unter mein friedliches Dach. Genieße die Freuden, die ich mit liebendem Herzen Dir schaffen will. Unsere Leiden werden wir so leichter ertragen.

Wie will ich an Deinem Munde lauschen, wenn Du von den Bildern der Zeit beginnst, die schon alle an Dir vorübergegangen! Jeder Kuß soll eine Ewigkeit sein, die ich von Deinen Lippen sauge, jeder Händedruck ein Pulsschlag, der durch Jahrhunderte, die Adern der Zeit, mich berührt. Du lehrst mich die Freuden des Todes und den

Tröste Dich, Geliebte, gib dem Schmerz nicht allzusehr Raum! Lies einstweilen Fichte’s Schriften, bis ich Dir einen Trost a priori geben werde.

Es ist ein Jammer, schon wieder von Deinem Unglück zu reden. Aber es ist so, Du bist die ewige Jüdin. Welch schmerzlicher Gedanke!

Da irrst Du nun über Berge und Meere, suchst die tiefste Nacht, und Deine Augen wollen sich nicht schließen. Ich sehe Dich mit scheuem Blick durch die Erde wandern; Dein zitternder Fuß ist das Piedestal einer todten Statue. Du klagst, man fliehe vor Dir, man fürchte Deine unheimliche Nähe, man verstehe Dich nicht, weil Du in fremder, nie gehörter Zunge sprichst. O, Du Liebe, laß sie mit ihrem kalten Sinne Alle! Eile zu mir unter mein friedliches Dach. Genieße die Freuden, die ich mit liebendem Herzen Dir schaffen will. Unsere Leiden werden wir so leichter ertragen.

Wie will ich an Deinem Munde lauschen, wenn Du von den Bildern der Zeit beginnst, die schon alle an Dir vorübergegangen! Jeder Kuß soll eine Ewigkeit sein, die ich von Deinen Lippen sauge, jeder Händedruck ein Pulsschlag, der durch Jahrhunderte, die Adern der Zeit, mich berührt. Du lehrst mich die Freuden des Todes und den

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[112/0125] Tröste Dich, Geliebte, gib dem Schmerz nicht allzusehr Raum! Lies einstweilen Fichte’s Schriften, bis ich Dir einen Trost a priori geben werde. Es ist ein Jammer, schon wieder von Deinem Unglück zu reden. Aber es ist so, Du bist die ewige Jüdin. Welch schmerzlicher Gedanke! Da irrst Du nun über Berge und Meere, suchst die tiefste Nacht, und Deine Augen wollen sich nicht schließen. Ich sehe Dich mit scheuem Blick durch die Erde wandern; Dein zitternder Fuß ist das Piedestal einer todten Statue. Du klagst, man fliehe vor Dir, man fürchte Deine unheimliche Nähe, man verstehe Dich nicht, weil Du in fremder, nie gehörter Zunge sprichst. O, Du Liebe, laß sie mit ihrem kalten Sinne Alle! Eile zu mir unter mein friedliches Dach. Genieße die Freuden, die ich mit liebendem Herzen Dir schaffen will. Unsere Leiden werden wir so leichter ertragen. Wie will ich an Deinem Munde lauschen, wenn Du von den Bildern der Zeit beginnst, die schon alle an Dir vorübergegangen! Jeder Kuß soll eine Ewigkeit sein, die ich von Deinen Lippen sauge, jeder Händedruck ein Pulsschlag, der durch Jahrhunderte, die Adern der Zeit, mich berührt. Du lehrst mich die Freuden des Todes und den

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  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/125>, abgerufen am 28.04.2024.