Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Schmerz der Unsterblichkeit. Dafür wirst Du an meinem Grabe, wie Dein Gemahl an dem des Erlösers die Ruhe Deines Herzens finden!

Nach Deinem Manne sehnst Du Dich wohl nicht mehr? Hast ihn wohl vergessen über die ungeheuere Last, die in Deinem Gedächtnisse liegen muß? Treulose, hat er Dich nicht gesucht vom Aufgang bis zum Niedergang? Schrickt er nicht noch, wie ein schüchternes Reh, vor jedem rauschenden Blatt zusammen? Immer erwartet hast Du ihn immer getäuscht. Sein linkes Auge war der Welt und ihrem Treiben bestimmt. Tausende sah' er unter Flammen oder Schwert untergehen, und es blieb trocken, kalt, er wäre ja so gern mit ihnen hinabgestiegen. Sein rechtes aber suchte Dich, und das schwamm ewig in Thränen, und dämmerte wie ein flackernd Licht.

Sieh' um Dich, und forsche nach der Gegend, da Du jetzt weilst! Wachsen in der Mark etwa Palmen, und die riesige Frucht der Ananas? Siehst Du dort, wie hier, Dattel- und Feigenbäume, und den zweitausendjährigen, verdorrten, da unten im Thale? Blick hin, dort drüben vor den Thoren Jerusalem's, siehst Du Golgatha, den rechten Kreuzberg? Schon läutet es zur Messe. Komm, Du blindes Weib, tritt herein in die dunkle Pforte dieses heiligen Hauses! Dort unten in der nächtlich

Schmerz der Unsterblichkeit. Dafür wirst Du an meinem Grabe, wie Dein Gemahl an dem des Erlösers die Ruhe Deines Herzens finden!

Nach Deinem Manne sehnst Du Dich wohl nicht mehr? Hast ihn wohl vergessen über die ungeheuere Last, die in Deinem Gedächtnisse liegen muß? Treulose, hat er Dich nicht gesucht vom Aufgang bis zum Niedergang? Schrickt er nicht noch, wie ein schüchternes Reh, vor jedem rauschenden Blatt zusammen? Immer erwartet hast Du ihn immer getäuscht. Sein linkes Auge war der Welt und ihrem Treiben bestimmt. Tausende sah’ er unter Flammen oder Schwert untergehen, und es blieb trocken, kalt, er wäre ja so gern mit ihnen hinabgestiegen. Sein rechtes aber suchte Dich, und das schwamm ewig in Thränen, und dämmerte wie ein flackernd Licht.

Sieh’ um Dich, und forsche nach der Gegend, da Du jetzt weilst! Wachsen in der Mark etwa Palmen, und die riesige Frucht der Ananas? Siehst Du dort, wie hier, Dattel- und Feigenbäume, und den zweitausendjährigen, verdorrten, da unten im Thale? Blick hin, dort drüben vor den Thoren Jerusalem’s, siehst Du Golgatha, den rechten Kreuzberg? Schon läutet es zur Messe. Komm, Du blindes Weib, tritt herein in die dunkle Pforte dieses heiligen Hauses! Dort unten in der nächtlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0126" n="113"/>
Schmerz der Unsterblichkeit. Dafür wirst Du an meinem Grabe, wie Dein Gemahl an dem des Erlösers die Ruhe Deines Herzens finden!</p>
        <p>Nach Deinem Manne sehnst Du Dich wohl nicht mehr? Hast ihn wohl vergessen über die ungeheuere Last, die in Deinem Gedächtnisse liegen muß? Treulose, hat er Dich nicht gesucht vom Aufgang bis zum Niedergang? Schrickt er nicht noch, wie ein schüchternes Reh, vor jedem rauschenden Blatt zusammen? Immer erwartet hast Du ihn immer getäuscht. Sein linkes Auge war der Welt und ihrem Treiben bestimmt. Tausende sah&#x2019; er unter Flammen oder Schwert untergehen, und es blieb trocken, kalt, er wäre ja so gern mit ihnen hinabgestiegen. Sein rechtes aber suchte Dich, und das schwamm ewig in Thränen, und dämmerte wie ein flackernd Licht.</p>
        <p>Sieh&#x2019; um Dich, und forsche nach der Gegend, da Du jetzt weilst! Wachsen in der Mark etwa Palmen, und die riesige Frucht der Ananas? Siehst Du dort, wie hier, Dattel- und Feigenbäume, und den zweitausendjährigen, verdorrten, da unten im Thale? Blick hin, dort drüben vor den Thoren Jerusalem&#x2019;s, siehst Du Golgatha, den rechten Kreuzberg? Schon läutet es zur Messe. Komm, Du blindes Weib, tritt herein in die dunkle Pforte dieses heiligen Hauses! Dort unten in der nächtlich
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0126] Schmerz der Unsterblichkeit. Dafür wirst Du an meinem Grabe, wie Dein Gemahl an dem des Erlösers die Ruhe Deines Herzens finden! Nach Deinem Manne sehnst Du Dich wohl nicht mehr? Hast ihn wohl vergessen über die ungeheuere Last, die in Deinem Gedächtnisse liegen muß? Treulose, hat er Dich nicht gesucht vom Aufgang bis zum Niedergang? Schrickt er nicht noch, wie ein schüchternes Reh, vor jedem rauschenden Blatt zusammen? Immer erwartet hast Du ihn immer getäuscht. Sein linkes Auge war der Welt und ihrem Treiben bestimmt. Tausende sah’ er unter Flammen oder Schwert untergehen, und es blieb trocken, kalt, er wäre ja so gern mit ihnen hinabgestiegen. Sein rechtes aber suchte Dich, und das schwamm ewig in Thränen, und dämmerte wie ein flackernd Licht. Sieh’ um Dich, und forsche nach der Gegend, da Du jetzt weilst! Wachsen in der Mark etwa Palmen, und die riesige Frucht der Ananas? Siehst Du dort, wie hier, Dattel- und Feigenbäume, und den zweitausendjährigen, verdorrten, da unten im Thale? Blick hin, dort drüben vor den Thoren Jerusalem’s, siehst Du Golgatha, den rechten Kreuzberg? Schon läutet es zur Messe. Komm, Du blindes Weib, tritt herein in die dunkle Pforte dieses heiligen Hauses! Dort unten in der nächtlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/126
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/126>, abgerufen am 06.05.2024.