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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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finstern Höhle, wo Du die Kerzen, wie Irrlichter, leuchten siehst, wessen Grab ist dies? Erkennst Du mich noch nicht? Ich bin Dir fremd? wie? Wahnsinnige? Du hast mich vergessen?

Freundin, einzige Geliebte, willst Du mich denn so allein auf diesen eisigen Schollen treiben sehen? Zerküsse mit warmem, liebewarmem Munde die winterliche Schneedecke, unter der ich begraben liege. Laß Du einen neuen Frühling um mich aufblühen! Feire mit mir die Wonne der Auferstehung! Du hast immer meine Wünsche erfüllt, noch ehe Du sie vernahmst, jetzt wirst Du diesen lesen, wenn ich schon der Erhörung mich zu erfreuen habe.

Es muß doch wahr bleiben, wir Beide bilden ordentlich eine Aristokratie der Einverstandenen, die noch stärker ist, als die der Ueberzeugten. Ich erkläre mich bestimmter.

Im Einverständniß können auch Nichtüberzeugte handeln. Ueberzeugte sind oft muthig auf eigne Hand, darum aber auch meist unglücklich. Die Kunst des Lebens fängt nicht mit dem Sprechen, sondern mit dem Hören an. Kommen wir aber endlich doch einmal zur Oeffnung des Mundes, so will man von uns weniger Gehorsam, als Beifall. Die Macht, die Tyrannei liebt nicht so sehr den Diener, der aus Eifer handelt, als den,

finstern Höhle, wo Du die Kerzen, wie Irrlichter, leuchten siehst, wessen Grab ist dies? Erkennst Du mich noch nicht? Ich bin Dir fremd? wie? Wahnsinnige? Du hast mich vergessen?

Freundin, einzige Geliebte, willst Du mich denn so allein auf diesen eisigen Schollen treiben sehen? Zerküsse mit warmem, liebewarmem Munde die winterliche Schneedecke, unter der ich begraben liege. Laß Du einen neuen Frühling um mich aufblühen! Feire mit mir die Wonne der Auferstehung! Du hast immer meine Wünsche erfüllt, noch ehe Du sie vernahmst, jetzt wirst Du diesen lesen, wenn ich schon der Erhörung mich zu erfreuen habe.

Es muß doch wahr bleiben, wir Beide bilden ordentlich eine Aristokratie der Einverstandenen, die noch stärker ist, als die der Ueberzeugten. Ich erkläre mich bestimmter.

Im Einverständniß können auch Nichtüberzeugte handeln. Ueberzeugte sind oft muthig auf eigne Hand, darum aber auch meist unglücklich. Die Kunst des Lebens fängt nicht mit dem Sprechen, sondern mit dem Hören an. Kommen wir aber endlich doch einmal zur Oeffnung des Mundes, so will man von uns weniger Gehorsam, als Beifall. Die Macht, die Tyrannei liebt nicht so sehr den Diener, der aus Eifer handelt, als den,

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        <p>Freundin, einzige Geliebte, willst Du mich denn so allein auf diesen eisigen Schollen treiben sehen? Zerküsse mit warmem, liebewarmem Munde die winterliche Schneedecke, unter der ich begraben liege. Laß Du einen neuen Frühling um mich aufblühen! Feire mit mir die Wonne der Auferstehung! Du hast immer meine Wünsche erfüllt, noch ehe Du sie vernahmst, jetzt wirst Du diesen lesen, wenn ich schon der Erhörung mich zu erfreuen habe.</p>
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[114/0127] finstern Höhle, wo Du die Kerzen, wie Irrlichter, leuchten siehst, wessen Grab ist dies? Erkennst Du mich noch nicht? Ich bin Dir fremd? wie? Wahnsinnige? Du hast mich vergessen? Freundin, einzige Geliebte, willst Du mich denn so allein auf diesen eisigen Schollen treiben sehen? Zerküsse mit warmem, liebewarmem Munde die winterliche Schneedecke, unter der ich begraben liege. Laß Du einen neuen Frühling um mich aufblühen! Feire mit mir die Wonne der Auferstehung! Du hast immer meine Wünsche erfüllt, noch ehe Du sie vernahmst, jetzt wirst Du diesen lesen, wenn ich schon der Erhörung mich zu erfreuen habe. Es muß doch wahr bleiben, wir Beide bilden ordentlich eine Aristokratie der Einverstandenen, die noch stärker ist, als die der Ueberzeugten. Ich erkläre mich bestimmter. Im Einverständniß können auch Nichtüberzeugte handeln. Ueberzeugte sind oft muthig auf eigne Hand, darum aber auch meist unglücklich. Die Kunst des Lebens fängt nicht mit dem Sprechen, sondern mit dem Hören an. Kommen wir aber endlich doch einmal zur Oeffnung des Mundes, so will man von uns weniger Gehorsam, als Beifall. Die Macht, die Tyrannei liebt nicht so sehr den Diener, der aus Eifer handelt, als den,

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/127>, abgerufen am 07.05.2024.