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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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jener argen Zeit gerungen haben. Gehe hin zu ihnen, wisch' ihnen den Schweiß von der leuchtenden Stirn, küß' ihnen die aufgelaufenen Adern ihrer Hände weg, und bedanke Dich schön! Wenn die Deutschen jene Jacken ansehen, in denen sie funfzehn Jahre gesteckt haben, jenen Riesenpopanz, den sie so lange Zeit hindurch in Procession durchs ganze Land geschleppt haben, so sind sie darüber jetzt so verschämt, daß sie ihren damaligen Zuchtmeistern gern aus dem Wege gehen. Man denke an Menzel, Heine, Börne! Und immerhin -- das beste Geständniß alter Thorheit liegt in guten, braven Handlungen. Facta loquuntur.

An Restaurationen glaube nicht, Du Gute! Wir haben gelernt, auch Ketten mit Anstand und Würde zu tragen. Man wird den tödtenden, edeln Blick unserer Augen nicht ertragen können, man wird vor der Hoheit unserer Tugend in den Staub sinken, und reuevoll die Bande lösen, die wir in alten Tagen für Rosengewinde hielten. Die Fürsten werden uns Feste und Gastmäler geben wollen, und Niemand wird sie besuchen. Die Schauspiele werden unsern Händen wieder anvertraut, in der Hoffnung, sie müßten uns zu solchen Narren machen, die wir in den Tagen von Versailles waren. Aber eine veredelte Kunst wird auf die Höhe des Kothurns jene würdevollen Gestalten

jener argen Zeit gerungen haben. Gehe hin zu ihnen, wisch’ ihnen den Schweiß von der leuchtenden Stirn, küß’ ihnen die aufgelaufenen Adern ihrer Hände weg, und bedanke Dich schön! Wenn die Deutschen jene Jacken ansehen, in denen sie funfzehn Jahre gesteckt haben, jenen Riesenpopanz, den sie so lange Zeit hindurch in Procession durchs ganze Land geschleppt haben, so sind sie darüber jetzt so verschämt, daß sie ihren damaligen Zuchtmeistern gern aus dem Wege gehen. Man denke an Menzel, Heine, Börne! Und immerhin — das beste Geständniß alter Thorheit liegt in guten, braven Handlungen. Facta loquuntur.

An Restaurationen glaube nicht, Du Gute! Wir haben gelernt, auch Ketten mit Anstand und Würde zu tragen. Man wird den tödtenden, edeln Blick unserer Augen nicht ertragen können, man wird vor der Hoheit unserer Tugend in den Staub sinken, und reuevoll die Bande lösen, die wir in alten Tagen für Rosengewinde hielten. Die Fürsten werden uns Feste und Gastmäler geben wollen, und Niemand wird sie besuchen. Die Schauspiele werden unsern Händen wieder anvertraut, in der Hoffnung, sie müßten uns zu solchen Narren machen, die wir in den Tagen von Versailles waren. Aber eine veredelte Kunst wird auf die Höhe des Kothurns jene würdevollen Gestalten

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[204/0217] jener argen Zeit gerungen haben. Gehe hin zu ihnen, wisch’ ihnen den Schweiß von der leuchtenden Stirn, küß’ ihnen die aufgelaufenen Adern ihrer Hände weg, und bedanke Dich schön! Wenn die Deutschen jene Jacken ansehen, in denen sie funfzehn Jahre gesteckt haben, jenen Riesenpopanz, den sie so lange Zeit hindurch in Procession durchs ganze Land geschleppt haben, so sind sie darüber jetzt so verschämt, daß sie ihren damaligen Zuchtmeistern gern aus dem Wege gehen. Man denke an Menzel, Heine, Börne! Und immerhin — das beste Geständniß alter Thorheit liegt in guten, braven Handlungen. Facta loquuntur. An Restaurationen glaube nicht, Du Gute! Wir haben gelernt, auch Ketten mit Anstand und Würde zu tragen. Man wird den tödtenden, edeln Blick unserer Augen nicht ertragen können, man wird vor der Hoheit unserer Tugend in den Staub sinken, und reuevoll die Bande lösen, die wir in alten Tagen für Rosengewinde hielten. Die Fürsten werden uns Feste und Gastmäler geben wollen, und Niemand wird sie besuchen. Die Schauspiele werden unsern Händen wieder anvertraut, in der Hoffnung, sie müßten uns zu solchen Narren machen, die wir in den Tagen von Versailles waren. Aber eine veredelte Kunst wird auf die Höhe des Kothurns jene würdevollen Gestalten

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/217>, abgerufen am 28.04.2024.