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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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stürzten Götzen wieder aufrichten, und im Staube die Stirn baden. Dann flieh' ich mit Dir die Heimath, wenn die höllischen Geister der Tiefe, das schmutzige Froschgeschlecht wieder lärmen und jagen, und die müssige Menge sich an den gemeinen Possen der Zotenreißer ergötzen wird.

Aber jene Tage sind vergangen. Können auch nie wiederkehren, so lange noch die Lehre gilt, daß man ein wenig ist, wenn man die Kraft hat, viel zu sein. Nur zu einer unreinen Mischung können sich die Elemente gesellen, die ein edles Getränk gährend von sich stößt. Ist je die Ruhe eines friedlichen, flachen Zustandes mehr gewesen, als die verträgliche Wechselseitigkeit dessen, was man bot, und dessen, was man bieten konnte? Wie unrecht, wenn man die lange Nacht von den Befreiungskriegen bis auf die beiden letzt verflossenen Jahre nur denen zuschreiben wollte, die in die Nacht ein Licht hätten hineinstellen können, und nicht auch denen, die an der Finsterniß sich freuten, wie am Tage! Welche Beleidigung für die heutige Bildung unserer Zeitgenossen, sie unter dem Bilde einer tabula rasa zu fassen, auf die sich eben malen lasse, was die Pinsel dieser Welt nur wollen.

O, mein Kind, es ist ein Herrliches um jene Geister, die mit den schnaubenden Ungethümen

stürzten Götzen wieder aufrichten, und im Staube die Stirn baden. Dann flieh’ ich mit Dir die Heimath, wenn die höllischen Geister der Tiefe, das schmutzige Froschgeschlecht wieder lärmen und jagen, und die müssige Menge sich an den gemeinen Possen der Zotenreißer ergötzen wird.

Aber jene Tage sind vergangen. Können auch nie wiederkehren, so lange noch die Lehre gilt, daß man ein wenig ist, wenn man die Kraft hat, viel zu sein. Nur zu einer unreinen Mischung können sich die Elemente gesellen, die ein edles Getränk gährend von sich stößt. Ist je die Ruhe eines friedlichen, flachen Zustandes mehr gewesen, als die verträgliche Wechselseitigkeit dessen, was man bot, und dessen, was man bieten konnte? Wie unrecht, wenn man die lange Nacht von den Befreiungskriegen bis auf die beiden letzt verflossenen Jahre nur denen zuschreiben wollte, die in die Nacht ein Licht hätten hineinstellen können, und nicht auch denen, die an der Finsterniß sich freuten, wie am Tage! Welche Beleidigung für die heutige Bildung unserer Zeitgenossen, sie unter dem Bilde einer tabula rasa zu fassen, auf die sich eben malen lasse, was die Pinsel dieser Welt nur wollen.

O, mein Kind, es ist ein Herrliches um jene Geister, die mit den schnaubenden Ungethümen

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[203/0216] stürzten Götzen wieder aufrichten, und im Staube die Stirn baden. Dann flieh’ ich mit Dir die Heimath, wenn die höllischen Geister der Tiefe, das schmutzige Froschgeschlecht wieder lärmen und jagen, und die müssige Menge sich an den gemeinen Possen der Zotenreißer ergötzen wird. Aber jene Tage sind vergangen. Können auch nie wiederkehren, so lange noch die Lehre gilt, daß man ein wenig ist, wenn man die Kraft hat, viel zu sein. Nur zu einer unreinen Mischung können sich die Elemente gesellen, die ein edles Getränk gährend von sich stößt. Ist je die Ruhe eines friedlichen, flachen Zustandes mehr gewesen, als die verträgliche Wechselseitigkeit dessen, was man bot, und dessen, was man bieten konnte? Wie unrecht, wenn man die lange Nacht von den Befreiungskriegen bis auf die beiden letzt verflossenen Jahre nur denen zuschreiben wollte, die in die Nacht ein Licht hätten hineinstellen können, und nicht auch denen, die an der Finsterniß sich freuten, wie am Tage! Welche Beleidigung für die heutige Bildung unserer Zeitgenossen, sie unter dem Bilde einer tabula rasa zu fassen, auf die sich eben malen lasse, was die Pinsel dieser Welt nur wollen. O, mein Kind, es ist ein Herrliches um jene Geister, die mit den schnaubenden Ungethümen

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/216>, abgerufen am 01.05.2024.