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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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der vom Jubel der Fledermäuse, von Denen Du eine, meine Ewige, warst, wiederhallte. Auch Alpenkinder, Tyroler, Barfüßer, Ritter von Blech und Damen, die französisch sprachen, gingen im bunten Gewirr durch einander, und lachten einen zusammengeflickten Lumpenkerl aus, einen Lappenhanswurst, der ich selbst war. Du weißt, ich kann nie fröhlich sein, wenn man es von mir erwartet, und mache meinem Kleide immer selbst die größte Schande. Ein Polizeiofficiant hatte sich an der Thür des Redoutensaales davon überzeugt, daß in meiner Pritsche kein Dolch, kein Stoßdegen, noch sonst eine tödtliche Waffe verborgen sei, aber ich brach mir und meinem Schneider das Wort. Statt wacker unter die tanzenden Paare zu stürmen, hierhin, dorthin lustige Schläge auszutheilen, zweimal, dreimal über mich selbst wegzuspringen, lehnt' ich mich wie ein blinder, enthaarter Simson an einen Säulenpilaster, und sah nach Dir und schwamm in Thränen. Ein weinender Hanswurst!

Ich bin ein Kind meiner Zeit, und trage mein braunes, haariges Muttermal drittehalb Zoll vom Herzen. Statt die Freude zu genießen, zergliedr' ich sie. Ich will sehen, was man nur hören darf, und wie die Kinder Alles zum Munde führen, zieh' ich mir Alles zu Gemüthe. Die

der vom Jubel der Fledermäuse, von Denen Du eine, meine Ewige, warst, wiederhallte. Auch Alpenkinder, Tyroler, Barfüßer, Ritter von Blech und Damen, die französisch sprachen, gingen im bunten Gewirr durch einander, und lachten einen zusammengeflickten Lumpenkerl aus, einen Lappenhanswurst, der ich selbst war. Du weißt, ich kann nie fröhlich sein, wenn man es von mir erwartet, und mache meinem Kleide immer selbst die größte Schande. Ein Polizeiofficiant hatte sich an der Thür des Redoutensaales davon überzeugt, daß in meiner Pritsche kein Dolch, kein Stoßdegen, noch sonst eine tödtliche Waffe verborgen sei, aber ich brach mir und meinem Schneider das Wort. Statt wacker unter die tanzenden Paare zu stürmen, hierhin, dorthin lustige Schläge auszutheilen, zweimal, dreimal über mich selbst wegzuspringen, lehnt’ ich mich wie ein blinder, enthaarter Simson an einen Säulenpilaster, und sah nach Dir und schwamm in Thränen. Ein weinender Hanswurst!

Ich bin ein Kind meiner Zeit, und trage mein braunes, haariges Muttermal drittehalb Zoll vom Herzen. Statt die Freude zu genießen, zergliedr’ ich sie. Ich will sehen, was man nur hören darf, und wie die Kinder Alles zum Munde führen, zieh’ ich mir Alles zu Gemüthe. Die

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[235/0248] der vom Jubel der Fledermäuse, von Denen Du eine, meine Ewige, warst, wiederhallte. Auch Alpenkinder, Tyroler, Barfüßer, Ritter von Blech und Damen, die französisch sprachen, gingen im bunten Gewirr durch einander, und lachten einen zusammengeflickten Lumpenkerl aus, einen Lappenhanswurst, der ich selbst war. Du weißt, ich kann nie fröhlich sein, wenn man es von mir erwartet, und mache meinem Kleide immer selbst die größte Schande. Ein Polizeiofficiant hatte sich an der Thür des Redoutensaales davon überzeugt, daß in meiner Pritsche kein Dolch, kein Stoßdegen, noch sonst eine tödtliche Waffe verborgen sei, aber ich brach mir und meinem Schneider das Wort. Statt wacker unter die tanzenden Paare zu stürmen, hierhin, dorthin lustige Schläge auszutheilen, zweimal, dreimal über mich selbst wegzuspringen, lehnt’ ich mich wie ein blinder, enthaarter Simson an einen Säulenpilaster, und sah nach Dir und schwamm in Thränen. Ein weinender Hanswurst! Ich bin ein Kind meiner Zeit, und trage mein braunes, haariges Muttermal drittehalb Zoll vom Herzen. Statt die Freude zu genießen, zergliedr’ ich sie. Ich will sehen, was man nur hören darf, und wie die Kinder Alles zum Munde führen, zieh’ ich mir Alles zu Gemüthe. Die

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/248>, abgerufen am 30.04.2024.