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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Maskerade war im Schlosse des Fürsten. Seine jüngste Tochter, die aber schon sehr alt sein muß, weil ich Dich schon so lange kenne, hatte die Hand eines werbenden Prinzen angenommen, und weil Heirathen gleich Demaskiren ist, so pflegt in diesem Falle Freiredoute zu sein. Es war Lärm entstanden. Pierrot hatte Columbinen küssen wollen, und traf sie mit Harlekin in einem dunkeln Winkel. Beide beriefen sich auf das Versprechen der Kleinen, und alle Drei auf die Maskenfreiheit. Einem Sensenmann wollte die einzige Person, die auf Redouten ohne Maske erscheint, die Polizei, das Recht des Bartes und der Ueberladung mit Emblemen der polnischen Nationalität streitig machen, aber auch dieser berief sich auf die Maskenfreiheit. Ja, selbst der muthwillige Spaß eines kleinen Essenkehrers, der Bäuerinnen und Königinnen die Schleppen nicht nur schwärzte, sondern selbst arge Figuren, Eselsköpfe, Brillen, Hexenkreuze anmalte, mußte durch diese Maskenfreiheit entschuldigt werden. Und ich sah's, wie selig die Uebermüthigen auf ihre Freiheit trotzten, wie neckend sie die Artikel jener uralten Charte des Herkommens citirten, und unter den Masken Gesichter schnitten, daß ihnen vor Lachen die Augen ausgingen. Zum ersten Male in meinem Leben ward' ich an der Republik irr. Ich kenne den Zauber, den die

Maskerade war im Schlosse des Fürsten. Seine jüngste Tochter, die aber schon sehr alt sein muß, weil ich Dich schon so lange kenne, hatte die Hand eines werbenden Prinzen angenommen, und weil Heirathen gleich Demaskiren ist, so pflegt in diesem Falle Freiredoute zu sein. Es war Lärm entstanden. Pierrot hatte Columbinen küssen wollen, und traf sie mit Harlekin in einem dunkeln Winkel. Beide beriefen sich auf das Versprechen der Kleinen, und alle Drei auf die Maskenfreiheit. Einem Sensenmann wollte die einzige Person, die auf Redouten ohne Maske erscheint, die Polizei, das Recht des Bartes und der Ueberladung mit Emblemen der polnischen Nationalität streitig machen, aber auch dieser berief sich auf die Maskenfreiheit. Ja, selbst der muthwillige Spaß eines kleinen Essenkehrers, der Bäuerinnen und Königinnen die Schleppen nicht nur schwärzte, sondern selbst arge Figuren, Eselsköpfe, Brillen, Hexenkreuze anmalte, mußte durch diese Maskenfreiheit entschuldigt werden. Und ich sah’s, wie selig die Uebermüthigen auf ihre Freiheit trotzten, wie neckend sie die Artikel jener uralten Charte des Herkommens citirten, und unter den Masken Gesichter schnitten, daß ihnen vor Lachen die Augen ausgingen. Zum ersten Male in meinem Leben ward’ ich an der Republik irr. Ich kenne den Zauber, den die

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Maskerade war im Schlosse des Fürsten. Seine jüngste Tochter, die aber schon sehr alt sein muß, weil ich Dich schon so lange kenne, hatte die Hand eines werbenden Prinzen angenommen, und weil Heirathen gleich Demaskiren ist, so pflegt in diesem Falle Freiredoute zu sein. Es war Lärm entstanden. Pierrot hatte Columbinen küssen wollen, und traf sie mit Harlekin in einem dunkeln Winkel. Beide beriefen sich auf das Versprechen der Kleinen, und alle Drei auf die Maskenfreiheit. Einem Sensenmann wollte die einzige Person, die auf Redouten ohne Maske erscheint, die Polizei, das Recht des Bartes und der Ueberladung mit Emblemen der polnischen Nationalität streitig machen, aber auch dieser berief sich auf die Maskenfreiheit. Ja, selbst der muthwillige Spaß eines kleinen Essenkehrers, der Bäuerinnen und Königinnen die Schleppen nicht nur schwärzte, sondern selbst arge Figuren, Eselsköpfe, Brillen, Hexenkreuze anmalte, mußte durch diese Maskenfreiheit entschuldigt werden. Und ich sah&#x2019;s, wie selig die Uebermüthigen auf ihre Freiheit trotzten, wie neckend sie die Artikel jener uralten Charte des Herkommens citirten, und unter den Masken Gesichter schnitten, daß ihnen vor Lachen die Augen ausgingen. Zum ersten Male in meinem Leben ward&#x2019; ich an der Republik irr. Ich kenne den Zauber, den die
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[236/0249] Maskerade war im Schlosse des Fürsten. Seine jüngste Tochter, die aber schon sehr alt sein muß, weil ich Dich schon so lange kenne, hatte die Hand eines werbenden Prinzen angenommen, und weil Heirathen gleich Demaskiren ist, so pflegt in diesem Falle Freiredoute zu sein. Es war Lärm entstanden. Pierrot hatte Columbinen küssen wollen, und traf sie mit Harlekin in einem dunkeln Winkel. Beide beriefen sich auf das Versprechen der Kleinen, und alle Drei auf die Maskenfreiheit. Einem Sensenmann wollte die einzige Person, die auf Redouten ohne Maske erscheint, die Polizei, das Recht des Bartes und der Ueberladung mit Emblemen der polnischen Nationalität streitig machen, aber auch dieser berief sich auf die Maskenfreiheit. Ja, selbst der muthwillige Spaß eines kleinen Essenkehrers, der Bäuerinnen und Königinnen die Schleppen nicht nur schwärzte, sondern selbst arge Figuren, Eselsköpfe, Brillen, Hexenkreuze anmalte, mußte durch diese Maskenfreiheit entschuldigt werden. Und ich sah’s, wie selig die Uebermüthigen auf ihre Freiheit trotzten, wie neckend sie die Artikel jener uralten Charte des Herkommens citirten, und unter den Masken Gesichter schnitten, daß ihnen vor Lachen die Augen ausgingen. Zum ersten Male in meinem Leben ward’ ich an der Republik irr. Ich kenne den Zauber, den die

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/249>, abgerufen am 30.04.2024.