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[Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Ich höre noch immer in den Säulengängen, wo sich die Pompejaner in den langen Badehemden ergingen und transpirirten, den kleinen Lullus, dieses Poetengenie, das von hinten dem Aesop, von vorn dem Thersites glich, seine Priapea vorlesen, oder den liederlichen Milvius, der ohne Hut und Hosen bei Tage auf dem Markte lag oder in den Straßen umherrannte, und des Nachts draußen auf den Gräbern schlief, seine Spottgedichte auf den Kaiser und Senat krächzen, die ihn zuletzt in die Lautumien von Syrakus brachten, wo er unter dem Ruf: es lebe die Freiheit! sich von einem Felsen gestürzt haben soll, oder den wohlriechenden und wohlredenden Philosophen Capito, der auf die Toilette seines mächtigen Bartes täglich eine Stunde zubrachte, wie er pathetisch von der Unerschütterlichkeit der philosophischen Ruhe und der Göttlichkeit des Bestehenden declamirte und den Satz erklärte, daß alles Wirkliche auch vernünftig ist.

Ich habe dies Philosophenvolk nie leiden mögen, weil sie mehr Schuld an dem damaligen politischen Elende, das mit der Philosophie immer noch fortdauert, trugen, als die Schlechtigkeit der Kaiser selbst. Die Keime der edelsten Anlagen wurden durch den Pesthauch früher Schmeichelei erstickt. Die Auszeichnung des Mannes, die Würde

Ich höre noch immer in den Säulengängen, wo sich die Pompejaner in den langen Badehemden ergingen und transpirirten, den kleinen Lullus, dieses Poetengenie, das von hinten dem Aesop, von vorn dem Thersites glich, seine Priapea vorlesen, oder den liederlichen Milvius, der ohne Hut und Hosen bei Tage auf dem Markte lag oder in den Straßen umherrannte, und des Nachts draußen auf den Gräbern schlief, seine Spottgedichte auf den Kaiser und Senat krächzen, die ihn zuletzt in die Lautumien von Syrakus brachten, wo er unter dem Ruf: es lebe die Freiheit! sich von einem Felsen gestürzt haben soll, oder den wohlriechenden und wohlredenden Philosophen Capito, der auf die Toilette seines mächtigen Bartes täglich eine Stunde zubrachte, wie er pathetisch von der Unerschütterlichkeit der philosophischen Ruhe und der Göttlichkeit des Bestehenden declamirte und den Satz erklärte, daß alles Wirkliche auch vernünftig ist.

Ich habe dies Philosophenvolk nie leiden mögen, weil sie mehr Schuld an dem damaligen politischen Elende, das mit der Philosophie immer noch fortdauert, trugen, als die Schlechtigkeit der Kaiser selbst. Die Keime der edelsten Anlagen wurden durch den Pesthauch früher Schmeichelei erstickt. Die Auszeichnung des Mannes, die Würde

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[276/0289] Ich höre noch immer in den Säulengängen, wo sich die Pompejaner in den langen Badehemden ergingen und transpirirten, den kleinen Lullus, dieses Poetengenie, das von hinten dem Aesop, von vorn dem Thersites glich, seine Priapea vorlesen, oder den liederlichen Milvius, der ohne Hut und Hosen bei Tage auf dem Markte lag oder in den Straßen umherrannte, und des Nachts draußen auf den Gräbern schlief, seine Spottgedichte auf den Kaiser und Senat krächzen, die ihn zuletzt in die Lautumien von Syrakus brachten, wo er unter dem Ruf: es lebe die Freiheit! sich von einem Felsen gestürzt haben soll, oder den wohlriechenden und wohlredenden Philosophen Capito, der auf die Toilette seines mächtigen Bartes täglich eine Stunde zubrachte, wie er pathetisch von der Unerschütterlichkeit der philosophischen Ruhe und der Göttlichkeit des Bestehenden declamirte und den Satz erklärte, daß alles Wirkliche auch vernünftig ist. Ich habe dies Philosophenvolk nie leiden mögen, weil sie mehr Schuld an dem damaligen politischen Elende, das mit der Philosophie immer noch fortdauert, trugen, als die Schlechtigkeit der Kaiser selbst. Die Keime der edelsten Anlagen wurden durch den Pesthauch früher Schmeichelei erstickt. Die Auszeichnung des Mannes, die Würde

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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl:] Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/289>, abgerufen am 14.05.2024.