Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

geneigt, diesen Wunsch vorläufig zu erfüllen. Darüber wurde Helene mehr in den Umgang mit Ada und Udo gedrängt, was die vorsichtig Umblickende an sich zwar mehr befriedigte, aber auch nicht wenig beängstigte. Denn nun sollte sie bei den delikatesten Verhältnissen immerfort schlichten, immerfort vermitteln. Ada blieb ihr aber zugeneigt. Die junge Gräfin nahm die immer offenbarer werdende Thatsache, daß ihr Gatte im Wachen und Träumen das Bild Helenens vor Augen hatte und keine Form der unbedingten Convenienz für den Umgang mit ihr finden konnte, als etwas, das ihr vom Schicksale auch zur Lösung der ihr auferlegten Bande geschenkt sei.

Graf Udo hatte die unglücklichste Leidenschaft junger Eheleute, einander erst erziehen zu wollen. Selbst die sich wirklich Liebenden leiden oft unter dieser Sucht, erst ihr Idol verbessern zu wollen. Die nähere Bekanntschaft hat auch wohl ernüchtert, man will ergänzen, befestigen, dies und das "ein für allemal" feststellen und siehe da! es widersetzt sich ein ungeahnter Trotz und Eigensinn. Das Mildeste noch der dann entstehenden Folgen sind Thränen, Thränen an der Brust der Mutter geweint; Erklärungen unter Schluchzen, man wolle das Jawort dem Verlobten zurückgeben -! Hier nun gar, wo schon der Bund geschlossen, aus

geneigt, diesen Wunsch vorläufig zu erfüllen. Darüber wurde Helene mehr in den Umgang mit Ada und Udo gedrängt, was die vorsichtig Umblickende an sich zwar mehr befriedigte, aber auch nicht wenig beängstigte. Denn nun sollte sie bei den delikatesten Verhältnissen immerfort schlichten, immerfort vermitteln. Ada blieb ihr aber zugeneigt. Die junge Gräfin nahm die immer offenbarer werdende Thatsache, daß ihr Gatte im Wachen und Träumen das Bild Helenens vor Augen hatte und keine Form der unbedingten Convenienz für den Umgang mit ihr finden konnte, als etwas, das ihr vom Schicksale auch zur Lösung der ihr auferlegten Bande geschenkt sei.

Graf Udo hatte die unglücklichste Leidenschaft junger Eheleute, einander erst erziehen zu wollen. Selbst die sich wirklich Liebenden leiden oft unter dieser Sucht, erst ihr Idol verbessern zu wollen. Die nähere Bekanntschaft hat auch wohl ernüchtert, man will ergänzen, befestigen, dies und das „ein für allemal“ feststellen und siehe da! es widersetzt sich ein ungeahnter Trotz und Eigensinn. Das Mildeste noch der dann entstehenden Folgen sind Thränen, Thränen an der Brust der Mutter geweint; Erklärungen unter Schluchzen, man wolle das Jawort dem Verlobten zurückgeben –! Hier nun gar, wo schon der Bund geschlossen, aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0288" n="282"/>
geneigt, diesen Wunsch vorläufig zu erfüllen. Darüber wurde Helene mehr in den Umgang mit Ada und Udo gedrängt, was die vorsichtig Umblickende an sich zwar mehr befriedigte, aber auch nicht wenig beängstigte. Denn nun sollte sie bei den delikatesten Verhältnissen immerfort schlichten, immerfort vermitteln. Ada blieb ihr aber zugeneigt. Die junge Gräfin nahm die immer offenbarer werdende Thatsache, daß ihr Gatte im Wachen und Träumen das Bild Helenens vor Augen hatte und keine Form der unbedingten Convenienz für den Umgang mit ihr finden konnte, als etwas, das ihr vom Schicksale auch zur Lösung der ihr auferlegten Bande geschenkt sei.</p>
        <p>Graf Udo hatte die unglücklichste Leidenschaft junger Eheleute, einander erst erziehen zu wollen. Selbst die sich wirklich Liebenden leiden oft unter dieser Sucht, erst ihr Idol verbessern zu wollen. Die nähere Bekanntschaft hat auch wohl ernüchtert, man will ergänzen, befestigen, dies und das &#x201E;ein für allemal&#x201C; feststellen und siehe da! es widersetzt sich ein ungeahnter Trotz und Eigensinn. Das Mildeste noch der dann entstehenden Folgen sind Thränen, Thränen an der Brust der Mutter geweint; Erklärungen unter Schluchzen, man wolle das Jawort dem Verlobten zurückgeben &#x2013;! Hier nun gar, wo schon der Bund geschlossen, aus
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0288] geneigt, diesen Wunsch vorläufig zu erfüllen. Darüber wurde Helene mehr in den Umgang mit Ada und Udo gedrängt, was die vorsichtig Umblickende an sich zwar mehr befriedigte, aber auch nicht wenig beängstigte. Denn nun sollte sie bei den delikatesten Verhältnissen immerfort schlichten, immerfort vermitteln. Ada blieb ihr aber zugeneigt. Die junge Gräfin nahm die immer offenbarer werdende Thatsache, daß ihr Gatte im Wachen und Träumen das Bild Helenens vor Augen hatte und keine Form der unbedingten Convenienz für den Umgang mit ihr finden konnte, als etwas, das ihr vom Schicksale auch zur Lösung der ihr auferlegten Bande geschenkt sei. Graf Udo hatte die unglücklichste Leidenschaft junger Eheleute, einander erst erziehen zu wollen. Selbst die sich wirklich Liebenden leiden oft unter dieser Sucht, erst ihr Idol verbessern zu wollen. Die nähere Bekanntschaft hat auch wohl ernüchtert, man will ergänzen, befestigen, dies und das „ein für allemal“ feststellen und siehe da! es widersetzt sich ein ungeahnter Trotz und Eigensinn. Das Mildeste noch der dann entstehenden Folgen sind Thränen, Thränen an der Brust der Mutter geweint; Erklärungen unter Schluchzen, man wolle das Jawort dem Verlobten zurückgeben –! Hier nun gar, wo schon der Bund geschlossen, aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T12:40:43Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T12:40:43Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-2<a>) (2014-02-19T12:40:43Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/288
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/288>, abgerufen am 15.05.2024.