Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

solcher unter den Heiden ein Glück, das Apol¬
lonius von Tyana auch gehabt hätte, wäre ihm
der Jude Jesus nicht in der Zeit zuvorge¬
kommen. Die geringe Philosophie, die hinzu
kam, alle diese Märchen zu erklären und in
einen dogmatischen Zusammenhalt zu bringen,
waren die Unterscheidungen zwischen physischer
und psychischer Natur, zwischen Fleisch und
Geist, zwischen dem Gesetz und der Freiheit.
Wahrlich, eine Religion mußte diese Einfach¬
heit haben, um so um sich zu greifen, wie es
das Christenthum that!

Das Christenthum ist eine Religion der Per¬
sönlichkeit. Moses war doch nur der Sendling
Gottes, Muhamed Allahs Prophet, sie ließen
sich keine göttliche Ehre erweisen! Sehet hier
eine Religion, deren unwillkürlicher Stifter
von einigen verworrenen Köpfen mit Gott
selbst verwechselt wurde, eine Religion, die
nichts für ihren Gegenstand, und Alles für

ſolcher unter den Heiden ein Glück, das Apol¬
lonius von Tyana auch gehabt hätte, wäre ihm
der Jude Jeſus nicht in der Zeit zuvorge¬
kommen. Die geringe Philoſophie, die hinzu
kam, alle dieſe Märchen zu erklären und in
einen dogmatiſchen Zuſammenhalt zu bringen,
waren die Unterſcheidungen zwiſchen phyſiſcher
und pſychiſcher Natur, zwiſchen Fleiſch und
Geiſt, zwiſchen dem Geſetz und der Freiheit.
Wahrlich, eine Religion mußte dieſe Einfach¬
heit haben, um ſo um ſich zu greifen, wie es
das Chriſtenthum that!

Das Chriſtenthum iſt eine Religion der Per¬
ſönlichkeit. Moſes war doch nur der Sendling
Gottes, Muhamed Allahs Prophet, ſie ließen
ſich keine göttliche Ehre erweiſen! Sehet hier
eine Religion, deren unwillkürlicher Stifter
von einigen verworrenen Köpfen mit Gott
ſelbſt verwechſelt wurde, eine Religion, die
nichts für ihren Gegenſtand, und Alles für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0288" n="281[279]"/>
&#x017F;olcher unter den Heiden ein Glück, das Apol¬<lb/>
lonius von Tyana auch gehabt hätte, wäre ihm<lb/>
der Jude Je&#x017F;us nicht in der Zeit zuvorge¬<lb/>
kommen. Die geringe Philo&#x017F;ophie, die hinzu<lb/>
kam, alle die&#x017F;e Märchen zu erklären und in<lb/>
einen dogmati&#x017F;chen Zu&#x017F;ammenhalt zu bringen,<lb/>
waren die Unter&#x017F;cheidungen zwi&#x017F;chen phy&#x017F;i&#x017F;cher<lb/>
und p&#x017F;ychi&#x017F;cher Natur, zwi&#x017F;chen Flei&#x017F;ch und<lb/>
Gei&#x017F;t, zwi&#x017F;chen dem Ge&#x017F;etz und der Freiheit.<lb/>
Wahrlich, eine Religion mußte die&#x017F;e Einfach¬<lb/>
heit haben, um &#x017F;o um &#x017F;ich zu greifen, wie es<lb/>
das Chri&#x017F;tenthum that!</p><lb/>
        <p>Das Chri&#x017F;tenthum i&#x017F;t eine Religion der Per¬<lb/>
&#x017F;önlichkeit. Mo&#x017F;es war doch nur der Sendling<lb/>
Gottes, Muhamed Allahs Prophet, &#x017F;ie ließen<lb/>
&#x017F;ich keine göttliche Ehre erwei&#x017F;en! Sehet hier<lb/>
eine Religion, deren unwillkürlicher Stifter<lb/>
von einigen verworrenen Köpfen mit Gott<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t verwech&#x017F;elt wurde, eine Religion, die<lb/>
nichts für ihren Gegen&#x017F;tand, und Alles für<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281[279]/0288] ſolcher unter den Heiden ein Glück, das Apol¬ lonius von Tyana auch gehabt hätte, wäre ihm der Jude Jeſus nicht in der Zeit zuvorge¬ kommen. Die geringe Philoſophie, die hinzu kam, alle dieſe Märchen zu erklären und in einen dogmatiſchen Zuſammenhalt zu bringen, waren die Unterſcheidungen zwiſchen phyſiſcher und pſychiſcher Natur, zwiſchen Fleiſch und Geiſt, zwiſchen dem Geſetz und der Freiheit. Wahrlich, eine Religion mußte dieſe Einfach¬ heit haben, um ſo um ſich zu greifen, wie es das Chriſtenthum that! Das Chriſtenthum iſt eine Religion der Per¬ ſönlichkeit. Moſes war doch nur der Sendling Gottes, Muhamed Allahs Prophet, ſie ließen ſich keine göttliche Ehre erweiſen! Sehet hier eine Religion, deren unwillkürlicher Stifter von einigen verworrenen Köpfen mit Gott ſelbſt verwechſelt wurde, eine Religion, die nichts für ihren Gegenſtand, und Alles für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/288
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 281[279]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/288>, abgerufen am 13.05.2024.