Inzwischen rückte Wally's Vermählung her¬ an. Sie gestand sich oft und selbst ihren Um¬ gebungen, daß es ihr wäre, als würde ein un¬ sichtbares Netz, das sie aber fühle, immer enger angezogen, und daß es ihr bald zum Ersticken sein müßte. Alles, was man nur brachte, um die Atmosphäre recht duftend und verführerisch zu machen, drückte ihren Athem noch mehr zusammen; sie ging wie Gretchen im Faust und lüftete Fenster und Thüren, da Mephistopheles im Zimmer es so schwül gemacht hatte.
Noch größer war aber die Unruhe in ihrem Innern. Sie brauchte gern physikalische Gleich¬ nisse und verglich sich mit dem Gefühl eines lebenden Wesens, das man in die Glocke einer Luftpumpe setzt; mit dem Vogel, dem es von
3.
Inzwiſchen rückte Wally's Vermählung her¬ an. Sie geſtand ſich oft und ſelbſt ihren Um¬ gebungen, daß es ihr wäre, als würde ein un¬ ſichtbares Netz, das ſie aber fühle, immer enger angezogen, und daß es ihr bald zum Erſticken ſein müßte. Alles, was man nur brachte, um die Atmoſphäre recht duftend und verführeriſch zu machen, drückte ihren Athem noch mehr zuſammen; ſie ging wie Gretchen im Fauſt und lüftete Fenſter und Thüren, da Mephiſtopheles im Zimmer es ſo ſchwül gemacht hatte.
Noch größer war aber die Unruhe in ihrem Innern. Sie brauchte gern phyſikaliſche Gleich¬ niſſe und verglich ſich mit dem Gefühl eines lebenden Weſens, das man in die Glocke einer Luftpumpe ſetzt; mit dem Vogel, dem es von
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0131"n="122"/></div><divn="2"><head>3.<lb/></head><p>Inzwiſchen rückte Wally's Vermählung her¬<lb/>
an. Sie geſtand ſich oft und ſelbſt ihren Um¬<lb/>
gebungen, daß es ihr wäre, als würde ein un¬<lb/>ſichtbares Netz, das ſie aber fühle, immer enger<lb/>
angezogen, und daß es ihr bald zum Erſticken<lb/>ſein müßte. Alles, was man nur brachte, um<lb/>
die Atmoſphäre recht duftend und verführeriſch<lb/>
zu machen, drückte ihren Athem noch mehr<lb/>
zuſammen; ſie ging wie Gretchen im Fauſt und<lb/>
lüftete Fenſter und Thüren, da Mephiſtopheles<lb/>
im Zimmer es ſo ſchwül gemacht hatte.</p><lb/><p>Noch größer war aber die Unruhe in ihrem<lb/>
Innern. Sie brauchte gern phyſikaliſche Gleich¬<lb/>
niſſe und verglich ſich mit dem Gefühl eines<lb/>
lebenden Weſens, das man in die Glocke einer<lb/>
Luftpumpe ſetzt; mit dem Vogel, dem es von<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[122/0131]
3.
Inzwiſchen rückte Wally's Vermählung her¬
an. Sie geſtand ſich oft und ſelbſt ihren Um¬
gebungen, daß es ihr wäre, als würde ein un¬
ſichtbares Netz, das ſie aber fühle, immer enger
angezogen, und daß es ihr bald zum Erſticken
ſein müßte. Alles, was man nur brachte, um
die Atmoſphäre recht duftend und verführeriſch
zu machen, drückte ihren Athem noch mehr
zuſammen; ſie ging wie Gretchen im Fauſt und
lüftete Fenſter und Thüren, da Mephiſtopheles
im Zimmer es ſo ſchwül gemacht hatte.
Noch größer war aber die Unruhe in ihrem
Innern. Sie brauchte gern phyſikaliſche Gleich¬
niſſe und verglich ſich mit dem Gefühl eines
lebenden Weſens, das man in die Glocke einer
Luftpumpe ſetzt; mit dem Vogel, dem es von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/131>, abgerufen am 13.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.