Es schlug acht Uhr. Sie war in eine Auf¬ regung gekommen, welche für ihren Entschluß nicht paßte. Was ist Sturm, Ungewitter, Herbst, was selbst der Schmerz der Seele und des Herzens, wenn der Geist seine Gedanken aufrüttelt und die Denkkraft ihre Fühlfäden ausschießt? Das Denken erhält den Muth, den man am Wissen verliert. Wally war so nahe daran, ihre Verirrung zu fühlen. Aber sie war ein weibliches Herz, das nicht so leicht vergißt, was es einmal wollte und in sich selbst kein großes Register von Entschließungen hat, wo sie wählen könnte. Sie fiel in den alten Schmerz zurück.
Um neun Uhr griff sie noch einmal nach der Feder und schrieb:
Es ſchlug acht Uhr. Sie war in eine Auf¬ regung gekommen, welche für ihren Entſchluß nicht paßte. Was iſt Sturm, Ungewitter, Herbſt, was ſelbſt der Schmerz der Seele und des Herzens, wenn der Geiſt ſeine Gedanken aufrüttelt und die Denkkraft ihre Fühlfäden ausſchießt? Das Denken erhält den Muth, den man am Wiſſen verliert. Wally war ſo nahe daran, ihre Verirrung zu fühlen. Aber ſie war ein weibliches Herz, das nicht ſo leicht vergißt, was es einmal wollte und in ſich ſelbſt kein großes Regiſter von Entſchließungen hat, wo ſie wählen könnte. Sie fiel in den alten Schmerz zurück.
Um neun Uhr griff ſie noch einmal nach der Feder und ſchrieb:
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0320"n="311"/><p>Es ſchlug acht Uhr. Sie war in eine Auf¬<lb/>
regung gekommen, welche für ihren Entſchluß<lb/>
nicht paßte. Was iſt Sturm, Ungewitter,<lb/>
Herbſt, was ſelbſt der Schmerz der Seele und<lb/>
des Herzens, wenn der Geiſt ſeine Gedanken<lb/>
aufrüttelt und die Denkkraft ihre Fühlfäden<lb/>
ausſchießt? Das Denken erhält den Muth,<lb/>
den man am Wiſſen verliert. Wally war ſo<lb/>
nahe daran, ihre Verirrung zu fühlen. Aber<lb/>ſie war ein weibliches Herz, das nicht ſo leicht<lb/>
vergißt, was es einmal wollte und in ſich<lb/>ſelbſt kein großes Regiſter von Entſchließungen<lb/>
hat, wo ſie wählen könnte. Sie fiel in den<lb/>
alten Schmerz zurück.</p><lb/><p>Um neun Uhr griff ſie noch einmal nach<lb/>
der Feder und ſchrieb:<lb/></p></div></body></text></TEI>
[311/0320]
Es ſchlug acht Uhr. Sie war in eine Auf¬
regung gekommen, welche für ihren Entſchluß
nicht paßte. Was iſt Sturm, Ungewitter,
Herbſt, was ſelbſt der Schmerz der Seele und
des Herzens, wenn der Geiſt ſeine Gedanken
aufrüttelt und die Denkkraft ihre Fühlfäden
ausſchießt? Das Denken erhält den Muth,
den man am Wiſſen verliert. Wally war ſo
nahe daran, ihre Verirrung zu fühlen. Aber
ſie war ein weibliches Herz, das nicht ſo leicht
vergißt, was es einmal wollte und in ſich
ſelbſt kein großes Regiſter von Entſchließungen
hat, wo ſie wählen könnte. Sie fiel in den
alten Schmerz zurück.
Um neun Uhr griff ſie noch einmal nach
der Feder und ſchrieb:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/320>, abgerufen am 28.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.