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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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Modeton zu beobachten sucht, ja ihn sogar angibt. Die jungen Kavaliere Heinrichs V. aus dem Faubourg St. Germain drücken vollkommen die exclusive Thorheit der Modernität aus; denn daß sie eben gescheit genug sind, ihre Thorheit zu verachten, daß sie die Haltlosigkeit des Legitimismus durchschauen und doch die grüne Farbe desselben tragen, ist recht eigentlich die Grille des Modernen. Einem Steckenpferde seinen eigenen Verstand als Sattel auflegen und sich selbst zu reiten, was drückt den Formalismus der Zeit vollkommner aus? Mit einem Worte, das Moderne ist eben so sehr auf der rechten wie auf der linken Seite zu Haus. Es drückt die Meinung des Centrums und die der Extremitäten aus. Modern ist in einem gewissen Sinne auch der Klassiker und der Romantiker; denn Beide können sich keine verschollenen Jahrhunderte aus Schutt und Nebel wieder aufwühlen, sondern müssen nur mit einer Jllusion raffiniren, die modern genug ist. So wäre denn das Moderne recht eigentlich das Objektive im schwebenden Momente, die Thatsache der Zeit, an und für sich ohne Streit und Gegensatz, ohne Beziehung betrachtet. Das Moderne liegt nur in der Culmination der neuen Dinge, selbst wenn sie nach Altem hin tendiren. Es ist ihr Geruch, ihr Hautgout, wie wir schon gestanden haben.

Einer der großen Männer, welche, ohne sich je zu vereinigen, doch die Bestimmungen der Fashion wöchentlich zu entwerfen pflegen, die sich hassen, soweit es dem

Modeton zu beobachten sucht, ja ihn sogar angibt. Die jungen Kavaliere Heinrichs V. aus dem Faubourg St. Germain drücken vollkommen die exclusive Thorheit der Modernität aus; denn daß sie eben gescheit genug sind, ihre Thorheit zu verachten, daß sie die Haltlosigkeit des Legitimismus durchschauen und doch die grüne Farbe desselben tragen, ist recht eigentlich die Grille des Modernen. Einem Steckenpferde seinen eigenen Verstand als Sattel auflegen und sich selbst zu reiten, was drückt den Formalismus der Zeit vollkommner aus? Mit einem Worte, das Moderne ist eben so sehr auf der rechten wie auf der linken Seite zu Haus. Es drückt die Meinung des Centrums und die der Extremitäten aus. Modern ist in einem gewissen Sinne auch der Klassiker und der Romantiker; denn Beide können sich keine verschollenen Jahrhunderte aus Schutt und Nebel wieder aufwühlen, sondern müssen nur mit einer Jllusion raffiniren, die modern genug ist. So wäre denn das Moderne recht eigentlich das Objektive im schwebenden Momente, die Thatsache der Zeit, an und für sich ohne Streit und Gegensatz, ohne Beziehung betrachtet. Das Moderne liegt nur in der Culmination der neuen Dinge, selbst wenn sie nach Altem hin tendiren. Es ist ihr Geruch, ihr Hautgout, wie wir schon gestanden haben.

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[164/0192] Modeton zu beobachten sucht, ja ihn sogar angibt. Die jungen Kavaliere Heinrichs V. aus dem Faubourg St. Germain drücken vollkommen die exclusive Thorheit der Modernität aus; denn daß sie eben gescheit genug sind, ihre Thorheit zu verachten, daß sie die Haltlosigkeit des Legitimismus durchschauen und doch die grüne Farbe desselben tragen, ist recht eigentlich die Grille des Modernen. Einem Steckenpferde seinen eigenen Verstand als Sattel auflegen und sich selbst zu reiten, was drückt den Formalismus der Zeit vollkommner aus? Mit einem Worte, das Moderne ist eben so sehr auf der rechten wie auf der linken Seite zu Haus. Es drückt die Meinung des Centrums und die der Extremitäten aus. Modern ist in einem gewissen Sinne auch der Klassiker und der Romantiker; denn Beide können sich keine verschollenen Jahrhunderte aus Schutt und Nebel wieder aufwühlen, sondern müssen nur mit einer Jllusion raffiniren, die modern genug ist. So wäre denn das Moderne recht eigentlich das Objektive im schwebenden Momente, die Thatsache der Zeit, an und für sich ohne Streit und Gegensatz, ohne Beziehung betrachtet. Das Moderne liegt nur in der Culmination der neuen Dinge, selbst wenn sie nach Altem hin tendiren. Es ist ihr Geruch, ihr Hautgout, wie wir schon gestanden haben. Einer der großen Männer, welche, ohne sich je zu vereinigen, doch die Bestimmungen der Fashion wöchentlich zu entwerfen pflegen, die sich hassen, soweit es dem

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/192>, abgerufen am 29.04.2024.