Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Wirkung, sondern nur Ursache der Emanzipation seyn kann. Wir finden im Allgemeinen auch Bildung genug unter den Juden, nur hat sie ein Gepräge, welches uns widersteht; sie ist selbst da, wo sie ausgezeichnet ist, wunderlich und nicht selten lächerlich. Dies Alles kann nur die Folge der Jsolirung seyn. Die Ueberreizung sowohl, wie das Defizit, kommt aus dem Druck her; ja man geht von der Bildung im Allgemeinen auch auf die Religion über und verlangt von dieser eine Akkommodation, die nicht viel mehr sagen will, als daß die Juden Christen werden. Man sollte sich hier um so weniger plump und zudringlich einmischen, als im Judenthum selbst eine religiöse Gährung ausgebrochen ist, deren Resultat jedenfalls der höheren, geistigen Emanzipation derselben den Weg ebnet. Macht man aber in Betreff ihrer Religion zu heftige Zumuthungen an die Juden, so verwirrt man sie unter einander, sezt die Reformationspartei in Verlegenheit und zwingt sie, da sie doch nicht verkannt zu werden wünscht, weit strenger an jene historische Tradition zu halten, welche sie in aller Stille über Bord werfen wird. Ja, es gibt sogar Christen genug, welche den Aberglauben und den historischen Wust so sehr lieben, daß sie es nur mit Schmerz sehen, wie sich die Juden von ihm befreien und einen geläuterten Glauben stiften wollen. Mit einem Worte, es sind im Schooße des Judenthums jezt die edelsten Kräfte thätig; an Allem, was uns Christen

Wirkung, sondern nur Ursache der Emanzipation seyn kann. Wir finden im Allgemeinen auch Bildung genug unter den Juden, nur hat sie ein Gepräge, welches uns widersteht; sie ist selbst da, wo sie ausgezeichnet ist, wunderlich und nicht selten lächerlich. Dies Alles kann nur die Folge der Jsolirung seyn. Die Ueberreizung sowohl, wie das Defizit, kommt aus dem Druck her; ja man geht von der Bildung im Allgemeinen auch auf die Religion über und verlangt von dieser eine Akkommodation, die nicht viel mehr sagen will, als daß die Juden Christen werden. Man sollte sich hier um so weniger plump und zudringlich einmischen, als im Judenthum selbst eine religiöse Gährung ausgebrochen ist, deren Resultat jedenfalls der höheren, geistigen Emanzipation derselben den Weg ebnet. Macht man aber in Betreff ihrer Religion zu heftige Zumuthungen an die Juden, so verwirrt man sie unter einander, sezt die Reformationspartei in Verlegenheit und zwingt sie, da sie doch nicht verkannt zu werden wünscht, weit strenger an jene historische Tradition zu halten, welche sie in aller Stille über Bord werfen wird. Ja, es gibt sogar Christen genug, welche den Aberglauben und den historischen Wust so sehr lieben, daß sie es nur mit Schmerz sehen, wie sich die Juden von ihm befreien und einen geläuterten Glauben stiften wollen. Mit einem Worte, es sind im Schooße des Judenthums jezt die edelsten Kräfte thätig; an Allem, was uns Christen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0227" n="225"/>
Wirkung, sondern nur Ursache der Emanzipation seyn kann. Wir finden im Allgemeinen auch Bildung genug unter den Juden, nur hat sie ein Gepräge, welches uns widersteht; sie ist selbst da, wo sie ausgezeichnet ist, wunderlich und nicht selten lächerlich. Dies Alles kann nur die Folge der Jsolirung seyn. Die Ueberreizung sowohl, wie das Defizit, kommt aus dem Druck her; ja man geht von der Bildung im Allgemeinen auch auf die Religion über und verlangt von dieser eine Akkommodation, die nicht viel mehr sagen will, als daß die Juden Christen werden. Man sollte sich hier um so weniger plump und zudringlich einmischen, als im Judenthum selbst eine religiöse Gährung ausgebrochen ist, deren Resultat jedenfalls der höheren, geistigen Emanzipation derselben den Weg ebnet. Macht man aber in Betreff ihrer Religion zu heftige Zumuthungen an die Juden, so verwirrt man sie unter einander, sezt die Reformationspartei in Verlegenheit und zwingt sie, da sie doch nicht verkannt zu werden wünscht, weit strenger an jene historische Tradition zu halten, welche sie in aller Stille über Bord werfen wird. Ja, es gibt sogar Christen genug, welche den Aberglauben und den historischen Wust so sehr lieben, daß sie es nur mit Schmerz sehen, wie sich die Juden von ihm befreien und einen geläuterten Glauben stiften wollen. Mit einem Worte, es sind im Schooße des Judenthums jezt die edelsten Kräfte thätig; an Allem, was uns Christen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0227] Wirkung, sondern nur Ursache der Emanzipation seyn kann. Wir finden im Allgemeinen auch Bildung genug unter den Juden, nur hat sie ein Gepräge, welches uns widersteht; sie ist selbst da, wo sie ausgezeichnet ist, wunderlich und nicht selten lächerlich. Dies Alles kann nur die Folge der Jsolirung seyn. Die Ueberreizung sowohl, wie das Defizit, kommt aus dem Druck her; ja man geht von der Bildung im Allgemeinen auch auf die Religion über und verlangt von dieser eine Akkommodation, die nicht viel mehr sagen will, als daß die Juden Christen werden. Man sollte sich hier um so weniger plump und zudringlich einmischen, als im Judenthum selbst eine religiöse Gährung ausgebrochen ist, deren Resultat jedenfalls der höheren, geistigen Emanzipation derselben den Weg ebnet. Macht man aber in Betreff ihrer Religion zu heftige Zumuthungen an die Juden, so verwirrt man sie unter einander, sezt die Reformationspartei in Verlegenheit und zwingt sie, da sie doch nicht verkannt zu werden wünscht, weit strenger an jene historische Tradition zu halten, welche sie in aller Stille über Bord werfen wird. Ja, es gibt sogar Christen genug, welche den Aberglauben und den historischen Wust so sehr lieben, daß sie es nur mit Schmerz sehen, wie sich die Juden von ihm befreien und einen geläuterten Glauben stiften wollen. Mit einem Worte, es sind im Schooße des Judenthums jezt die edelsten Kräfte thätig; an Allem, was uns Christen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-09-13T12:39:16Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-09-13T12:39:16Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/227
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen02_1842/227>, abgerufen am 14.05.2024.