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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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Tectologische Thesen.
2. Jeder Organismus oder belebte Naturkörper ist eine materielle
Raumgrösse (Masseneinheit), welche als solche aus einer Summe von
Massen-Atomen und zwischen denselben befindlichen Aether-Atomen
zusammengesetzt ist.
3. Die Massen-Atome, welche jeden Organismus zusammensetzen,
gehören mindestens vier verschiedenen Atom-Arten (chemischen Ele-
menten oder Urstoffen) an, welche zu sehr verwickelten Verbindungen
in demselben vereinigt sind.
4. Die chemischen Verbindungen, aus welchen jeder Organismus
zusammengesetzt ist, sind theils constante, welche allen Organismen
gemeinsam zukommen, theils inconstante, welche einem Theile der
Organismen besonders zukommen.
5. Die constanten, allen Organismen ohne Ausnahme zukommen-
den chemischen Verbindungen sind Kohlenstoff-Verbindungen aus der
Gruppe der Eiweisskörper (Albuminate, Protein-Verbindungen), welche
alle mindestens aus vier verschiedenen Atom-Arten: Kohlenstoff,
Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff zusammengesetzt sind; meistens
zugleich noch aus Schwefel und oft aus Phosphor.
6. Die inconstanten, nur einem Theile der Organismen zukom-
menden chemischen Verbindungen sind theils organische (kohlenstoff-
haltige) Verbindungen (Fette, Kohlenhydrate etc.), theils anorganische
(kohlenstofffreie) Verbindungen (Alkali-Salze, Kalk-Salze, Kiesel-Ver-
bindungen etc.).
7. Von den chemischen Verbindungen, welche das materielle Sub-
strat jedes Organismus bilden, befindet sich immer wenigstens ein
Theil (und zwar ausnahmslos ein Theil der constanten Eiweiss-Ver-
bindungen) im festflüssigen Aggregatzustande (Imbibitions-Zustande).
8. Alle Eigenschaften der Organismen sind die unmittelbaren oder
mittelbaren Wirkungen der chemischen Verbindungen, aus denen sie
zusammengesetzt sind, und in letzter Linie der Massen-Atome und
Aether-Atome, aus welchen jene chemischen Verbindungen zusammen-
gesetzt sind.
9. Alle Eigenschaften der Organismen sind entweder physiologische
setzen in Anspruch zu nehmen. Eine Anzahl solcher Gesetze glauben wir
allerdings gefunden und in dem vorliegenden Werke begründet zu haben. Wir
sind aber nicht im Stande, mit der erforderlichen Sicherheit zu sagen, welche
von den hier formulirten allgemeinen Wahrheiten wirkliche Gesetze, welche bloss
Regeln sind, welche davon eine ganz allgemeine, welche eine beschränktere
Gültigkeit haben. Statt daher das Schlusscapitel jedes unserer vier morpho-
logischen Bücher mit dem mehr versprechenden als leistenden Titel: "Theorieen
und Gesetze
" zu schmücken, ziehen wir es vor, die Primordien derselben,
gemischt mit einigen allgemeinen Regeln, als "Thesen" zusammenzufassen,
deren weitere Entwickelung zu Gesetzen wir von unsern Nachfolgern hoffen.
Tectologische Thesen.
2. Jeder Organismus oder belebte Naturkörper ist eine materielle
Raumgrösse (Masseneinheit), welche als solche aus einer Summe von
Massen-Atomen und zwischen denselben befindlichen Aether-Atomen
zusammengesetzt ist.
3. Die Massen-Atome, welche jeden Organismus zusammensetzen,
gehören mindestens vier verschiedenen Atom-Arten (chemischen Ele-
menten oder Urstoffen) an, welche zu sehr verwickelten Verbindungen
in demselben vereinigt sind.
4. Die chemischen Verbindungen, aus welchen jeder Organismus
zusammengesetzt ist, sind theils constante, welche allen Organismen
gemeinsam zukommen, theils inconstante, welche einem Theile der
Organismen besonders zukommen.
5. Die constanten, allen Organismen ohne Ausnahme zukommen-
den chemischen Verbindungen sind Kohlenstoff-Verbindungen aus der
Gruppe der Eiweisskörper (Albuminate, Protein-Verbindungen), welche
alle mindestens aus vier verschiedenen Atom-Arten: Kohlenstoff,
Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff zusammengesetzt sind; meistens
zugleich noch aus Schwefel und oft aus Phosphor.
6. Die inconstanten, nur einem Theile der Organismen zukom-
menden chemischen Verbindungen sind theils organische (kohlenstoff-
haltige) Verbindungen (Fette, Kohlenhydrate etc.), theils anorganische
(kohlenstofffreie) Verbindungen (Alkali-Salze, Kalk-Salze, Kiesel-Ver-
bindungen etc.).
7. Von den chemischen Verbindungen, welche das materielle Sub-
strat jedes Organismus bilden, befindet sich immer wenigstens ein
Theil (und zwar ausnahmslos ein Theil der constanten Eiweiss-Ver-
bindungen) im festflüssigen Aggregatzustande (Imbibitions-Zustande).
8. Alle Eigenschaften der Organismen sind die unmittelbaren oder
mittelbaren Wirkungen der chemischen Verbindungen, aus denen sie
zusammengesetzt sind, und in letzter Linie der Massen-Atome und
Aether-Atome, aus welchen jene chemischen Verbindungen zusammen-
gesetzt sind.
9. Alle Eigenschaften der Organismen sind entweder physiologische
setzen in Anspruch zu nehmen. Eine Anzahl solcher Gesetze glauben wir
allerdings gefunden und in dem vorliegenden Werke begründet zu haben. Wir
sind aber nicht im Stande, mit der erforderlichen Sicherheit zu sagen, welche
von den hier formulirten allgemeinen Wahrheiten wirkliche Gesetze, welche bloss
Regeln sind, welche davon eine ganz allgemeine, welche eine beschränktere
Gültigkeit haben. Statt daher das Schlusscapitel jedes unserer vier morpho-
logischen Bücher mit dem mehr versprechenden als leistenden Titel: „Theorieen
und Gesetze
“ zu schmücken, ziehen wir es vor, die Primordien derselben,
gemischt mit einigen allgemeinen Regeln, als „Thesen“ zusammenzufassen,
deren weitere Entwickelung zu Gesetzen wir von unsern Nachfolgern hoffen.
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[365/0404] Tectologische Thesen. 2. Jeder Organismus oder belebte Naturkörper ist eine materielle Raumgrösse (Masseneinheit), welche als solche aus einer Summe von Massen-Atomen und zwischen denselben befindlichen Aether-Atomen zusammengesetzt ist. 3. Die Massen-Atome, welche jeden Organismus zusammensetzen, gehören mindestens vier verschiedenen Atom-Arten (chemischen Ele- menten oder Urstoffen) an, welche zu sehr verwickelten Verbindungen in demselben vereinigt sind. 4. Die chemischen Verbindungen, aus welchen jeder Organismus zusammengesetzt ist, sind theils constante, welche allen Organismen gemeinsam zukommen, theils inconstante, welche einem Theile der Organismen besonders zukommen. 5. Die constanten, allen Organismen ohne Ausnahme zukommen- den chemischen Verbindungen sind Kohlenstoff-Verbindungen aus der Gruppe der Eiweisskörper (Albuminate, Protein-Verbindungen), welche alle mindestens aus vier verschiedenen Atom-Arten: Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff zusammengesetzt sind; meistens zugleich noch aus Schwefel und oft aus Phosphor. 6. Die inconstanten, nur einem Theile der Organismen zukom- menden chemischen Verbindungen sind theils organische (kohlenstoff- haltige) Verbindungen (Fette, Kohlenhydrate etc.), theils anorganische (kohlenstofffreie) Verbindungen (Alkali-Salze, Kalk-Salze, Kiesel-Ver- bindungen etc.). 7. Von den chemischen Verbindungen, welche das materielle Sub- strat jedes Organismus bilden, befindet sich immer wenigstens ein Theil (und zwar ausnahmslos ein Theil der constanten Eiweiss-Ver- bindungen) im festflüssigen Aggregatzustande (Imbibitions-Zustande). 8. Alle Eigenschaften der Organismen sind die unmittelbaren oder mittelbaren Wirkungen der chemischen Verbindungen, aus denen sie zusammengesetzt sind, und in letzter Linie der Massen-Atome und Aether-Atome, aus welchen jene chemischen Verbindungen zusammen- gesetzt sind. 9. Alle Eigenschaften der Organismen sind entweder physiologische 1) 1) setzen in Anspruch zu nehmen. Eine Anzahl solcher Gesetze glauben wir allerdings gefunden und in dem vorliegenden Werke begründet zu haben. Wir sind aber nicht im Stande, mit der erforderlichen Sicherheit zu sagen, welche von den hier formulirten allgemeinen Wahrheiten wirkliche Gesetze, welche bloss Regeln sind, welche davon eine ganz allgemeine, welche eine beschränktere Gültigkeit haben. Statt daher das Schlusscapitel jedes unserer vier morpho- logischen Bücher mit dem mehr versprechenden als leistenden Titel: „Theorieen und Gesetze“ zu schmücken, ziehen wir es vor, die Primordien derselben, gemischt mit einigen allgemeinen Regeln, als „Thesen“ zusammenzufassen, deren weitere Entwickelung zu Gesetzen wir von unsern Nachfolgern hoffen.

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/404>, abgerufen am 16.06.2024.