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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Monismus der Substanz. XII.

Einheit des Substanz-Gesetzes. Von größter Wichtigkeit
für unsere monistische Weltanschauung ist die feste Ueberzeugung,
daß die beiden großen kosmologischen Grundlehren, das chemische
Grundgesetz von der Erhaltung des Stoffes und das physikalische
Grundgesetz von der Erhaltung der Kraft, untrennbar zusammen-
gehören; beide Theorien sind ebenso innig verknüpft, wie ihre
beiden Objekte, Stoff und Kraft, oder Materie und Energie.
Vielen monistisch denkenden Naturforschern und Philosophen
wird diese fundamentale Einheit beider Gesetze selbst-
verständlich erscheinen, da ja beide nur zwei verschiedene Seiten
eines und desselben Objektes, des "Kosmos" betreffen; indessen
ist diese naturgemäße Ueberzeugung weit entfernt, sich allgemeiner
Anerkennung zu erfreuen. Sie wird vielmehr energisch bekämpft
von der gesammten dualistischen Philosophie, von der vitalistischen
Biologie, der parallelistischen Psychologie; ja sogar von vielen
(inkonsequenten!) Monisten, welche im "Bewußtsein" oder in der
höheren Geistesthätigkeit des Menschen, oder auch in anderen
Erscheinungen des "freien Geisteslebens" einen Gegenbeweis zu
finden glauben.

Ich betone daher ganz besonders die fundamentale Be-
deutung des einheitlichen Substanz-Gesetzes als Ausdruck
des untrennbaren Zusammenhanges jener beiden begrifflich ge-
trennten Gesetze. Daß dieselben ursprünglich nicht zusammen-
gefaßt und nicht in dieser Einheit erkannt wurden, ergiebt sich
ja schon aus der Thatsache ihrer verschiedenen Entdeckungs-
Zeit. Das ältere und näher liegende chemische Grundgesetz von
der "Konstanz der Materie" wurde von Lavoisier schon 1789
erkannt und durch allgemeine Anwendung der Wage zur Basis
der exakten Chemie erhoben. Hingegen wurde das jüngere und
viel verborgenere Grundgesetz von der "Konstanz der Energie"
erst 1842 von Robert Mayer entdeckt und erst von Helm-
holtz
als Grundlage der exakten Physik hingestellt. Die Einheit

Monismus der Subſtanz. XII.

Einheit des Subſtanz-Geſetzes. Von größter Wichtigkeit
für unſere moniſtiſche Weltanſchauung iſt die feſte Ueberzeugung,
daß die beiden großen kosmologiſchen Grundlehren, das chemiſche
Grundgeſetz von der Erhaltung des Stoffes und das phyſikaliſche
Grundgeſetz von der Erhaltung der Kraft, untrennbar zuſammen-
gehören; beide Theorien ſind ebenſo innig verknüpft, wie ihre
beiden Objekte, Stoff und Kraft, oder Materie und Energie.
Vielen moniſtiſch denkenden Naturforſchern und Philoſophen
wird dieſe fundamentale Einheit beider Geſetze ſelbſt-
verſtändlich erſcheinen, da ja beide nur zwei verſchiedene Seiten
eines und desſelben Objektes, des „Kosmos“ betreffen; indeſſen
iſt dieſe naturgemäße Ueberzeugung weit entfernt, ſich allgemeiner
Anerkennung zu erfreuen. Sie wird vielmehr energiſch bekämpft
von der geſammten dualiſtiſchen Philoſophie, von der vitaliſtiſchen
Biologie, der paralleliſtiſchen Pſychologie; ja ſogar von vielen
(inkonſequenten!) Moniſten, welche im „Bewußtſein“ oder in der
höheren Geiſtesthätigkeit des Menſchen, oder auch in anderen
Erſcheinungen des „freien Geiſteslebens“ einen Gegenbeweis zu
finden glauben.

Ich betone daher ganz beſonders die fundamentale Be-
deutung des einheitlichen Subſtanz-Geſetzes als Ausdruck
des untrennbaren Zuſammenhanges jener beiden begrifflich ge-
trennten Geſetze. Daß dieſelben urſprünglich nicht zuſammen-
gefaßt und nicht in dieſer Einheit erkannt wurden, ergiebt ſich
ja ſchon aus der Thatſache ihrer verſchiedenen Entdeckungs-
Zeit. Das ältere und näher liegende chemiſche Grundgeſetz von
der „Konſtanz der Materie“ wurde von Lavoiſier ſchon 1789
erkannt und durch allgemeine Anwendung der Wage zur Baſis
der exakten Chemie erhoben. Hingegen wurde das jüngere und
viel verborgenere Grundgeſetz von der „Konſtanz der Energie“
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[248/0264] Monismus der Subſtanz. XII. Einheit des Subſtanz-Geſetzes. Von größter Wichtigkeit für unſere moniſtiſche Weltanſchauung iſt die feſte Ueberzeugung, daß die beiden großen kosmologiſchen Grundlehren, das chemiſche Grundgeſetz von der Erhaltung des Stoffes und das phyſikaliſche Grundgeſetz von der Erhaltung der Kraft, untrennbar zuſammen- gehören; beide Theorien ſind ebenſo innig verknüpft, wie ihre beiden Objekte, Stoff und Kraft, oder Materie und Energie. Vielen moniſtiſch denkenden Naturforſchern und Philoſophen wird dieſe fundamentale Einheit beider Geſetze ſelbſt- verſtändlich erſcheinen, da ja beide nur zwei verſchiedene Seiten eines und desſelben Objektes, des „Kosmos“ betreffen; indeſſen iſt dieſe naturgemäße Ueberzeugung weit entfernt, ſich allgemeiner Anerkennung zu erfreuen. Sie wird vielmehr energiſch bekämpft von der geſammten dualiſtiſchen Philoſophie, von der vitaliſtiſchen Biologie, der paralleliſtiſchen Pſychologie; ja ſogar von vielen (inkonſequenten!) Moniſten, welche im „Bewußtſein“ oder in der höheren Geiſtesthätigkeit des Menſchen, oder auch in anderen Erſcheinungen des „freien Geiſteslebens“ einen Gegenbeweis zu finden glauben. Ich betone daher ganz beſonders die fundamentale Be- deutung des einheitlichen Subſtanz-Geſetzes als Ausdruck des untrennbaren Zuſammenhanges jener beiden begrifflich ge- trennten Geſetze. Daß dieſelben urſprünglich nicht zuſammen- gefaßt und nicht in dieſer Einheit erkannt wurden, ergiebt ſich ja ſchon aus der Thatſache ihrer verſchiedenen Entdeckungs- Zeit. Das ältere und näher liegende chemiſche Grundgeſetz von der „Konſtanz der Materie“ wurde von Lavoiſier ſchon 1789 erkannt und durch allgemeine Anwendung der Wage zur Baſis der exakten Chemie erhoben. Hingegen wurde das jüngere und viel verborgenere Grundgeſetz von der „Konſtanz der Energie“ erſt 1842 von Robert Mayer entdeckt und erſt von Helm- holtz als Grundlage der exakten Phyſik hingeſtellt. Die Einheit

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/264>, abgerufen am 30.04.2024.