Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes

Solchemnach ist also der beste Rath, um diesen
Streit beizulegen, daß man aus den ächten Schriften
des Hippocrates die wahre und eigentliche Meinung
dieses guten Alten, von der Bewegung des Blutes in
den Schlag- und Blutadern, herausziehe. Es scheinet
dahero seine rechte Meinung diese zu seyn: daß der Puls
vom Blute entstehe (r), welches sich in den Schlagadern
nach entgegengesezter Richtung entgegen kommt, also
daß ein Theil von oben herbeiströmet, ein andrer aber
sich von der Schlagader wegwendet. Jn dieser Stelle
scheinet er so viel zu sagen, das aufsteigende Blut thäte
demjenigen Widerstand, welches aus den obern Gegen-
den zurükfliesse.

An einen andern Orte lehret Hippocrates, oder we-
nigstens der Verfasser des Buches, welches sich unter seinen
Schriften befindet (s), mit deutlicheren Worten, daß
das Blut, welches nach der Gebärmutter hinabsteigt,
wenn dieses Eingeweide verstopft worden, rükwerts nach
dem Herzen und Zwerchfelle zurükfliesse, welches auch von
der Erkältung der Füsse so erfolgte. Hier wird offenbar
ein sich entgegengesezter Lauf und Rüklauf des Blutes in
einerlei Gefässen angenommen, welches, wie ich davor
halte, Hippocratis wahre Thcorie, so wie es auch vor
mir schon von grossen Männern ist bemerkt worden (t),
zu seyn scheint, wiewol sie freilich von den Gesezzen des
Umlaufes sehr merklich unterschieden ist.

§. 26.
(r) [Spaltenumbruch] Ex lib. peri topon &c. n. 6.
(s) De virginum morbis, n. 2.
S. 356. Ausg. van der Linden.
(t) Besonders von D. Clericus
einem sehr gelehrten und scharf-
sinnigen Schriftsteller, in Histoire
[Spaltenumbruch] de la Medecine,
S. 127. von
Schultzen Hist. Mediein. Period.
I. Sect. III.
J. B. Senac du coeur,
T. I.
gleich im Anfange. wotto-
nvs
of antient and modern lear-
ning,
S. 210.
Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes

Solchemnach iſt alſo der beſte Rath, um dieſen
Streit beizulegen, daß man aus den aͤchten Schriften
des Hippocrates die wahre und eigentliche Meinung
dieſes guten Alten, von der Bewegung des Blutes in
den Schlag- und Blutadern, herausziehe. Es ſcheinet
dahero ſeine rechte Meinung dieſe zu ſeyn: daß der Puls
vom Blute entſtehe (r), welches ſich in den Schlagadern
nach entgegengeſezter Richtung entgegen kommt, alſo
daß ein Theil von oben herbeiſtroͤmet, ein andrer aber
ſich von der Schlagader wegwendet. Jn dieſer Stelle
ſcheinet er ſo viel zu ſagen, das aufſteigende Blut thaͤte
demjenigen Widerſtand, welches aus den obern Gegen-
den zuruͤkflieſſe.

An einen andern Orte lehret Hippocrates, oder we-
nigſtens der Verfaſſer des Buches, welches ſich unter ſeinen
Schriften befindet (s), mit deutlicheren Worten, daß
das Blut, welches nach der Gebaͤrmutter hinabſteigt,
wenn dieſes Eingeweide verſtopft worden, ruͤkwerts nach
dem Herzen und Zwerchfelle zuruͤkflieſſe, welches auch von
der Erkaͤltung der Fuͤſſe ſo erfolgte. Hier wird offenbar
ein ſich entgegengeſezter Lauf und Ruͤklauf des Blutes in
einerlei Gefaͤſſen angenommen, welches, wie ich davor
halte, Hippocratis wahre Thcorie, ſo wie es auch vor
mir ſchon von groſſen Maͤnnern iſt bemerkt worden (t),
zu ſeyn ſcheint, wiewol ſie freilich von den Geſezzen des
Umlaufes ſehr merklich unterſchieden iſt.

§. 26.
(r) [Spaltenumbruch] Ex lib. περι τοπων &c. n. 6.
(s) De virginum morbis, n. 2.
S. 356. Ausg. van der Linden.
(t) Beſonders von D. Clericus
einem ſehr gelehrten und ſcharf-
ſinnigen Schriftſteller, in Hiſtoire
[Spaltenumbruch] de la Medecine,
S. 127. von
Schultzen Hiſt. Mediein. Period.
I. Sect. III.
J. B. Senac du coeur,
T. I.
gleich im Anfange. wotto-
nvs
of antient and modern lear-
ning,
S. 210.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0516" n="460"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes</hi> </fw><lb/>
            <p>Solchemnach i&#x017F;t al&#x017F;o der be&#x017F;te Rath, um die&#x017F;en<lb/>
Streit beizulegen, daß man aus den a&#x0364;chten Schriften<lb/>
des <hi rendition="#fr">Hippocrates</hi> die wahre und eigentliche Meinung<lb/>
die&#x017F;es guten Alten, von der Bewegung des Blutes in<lb/>
den Schlag- und Blutadern, herausziehe. Es &#x017F;cheinet<lb/>
dahero &#x017F;eine rechte Meinung die&#x017F;e zu &#x017F;eyn: daß der Puls<lb/>
vom Blute ent&#x017F;tehe <note place="foot" n="(r)"><cb/><hi rendition="#aq">Ex lib. &#x03C0;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B9; &#x03C4;&#x03BF;&#x03C0;&#x03C9;&#x03BD; &amp;c. n.</hi> 6.</note>, welches &#x017F;ich in den Schlagadern<lb/>
nach entgegenge&#x017F;ezter Richtung entgegen kommt, al&#x017F;o<lb/>
daß ein Theil von oben herbei&#x017F;tro&#x0364;met, ein andrer aber<lb/>
&#x017F;ich von der Schlagader wegwendet. Jn die&#x017F;er Stelle<lb/>
&#x017F;cheinet er &#x017F;o viel zu &#x017F;agen, das auf&#x017F;teigende Blut tha&#x0364;te<lb/>
demjenigen Wider&#x017F;tand, welches aus den obern Gegen-<lb/>
den zuru&#x0364;kflie&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>An einen andern Orte lehret <hi rendition="#fr">Hippocrates,</hi> oder we-<lb/>
nig&#x017F;tens der Verfa&#x017F;&#x017F;er des Buches, welches &#x017F;ich unter &#x017F;einen<lb/>
Schriften befindet <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq">De virginum morbis, n.</hi> 2.<lb/>
S. 356. Ausg. <hi rendition="#fr">van der Linden.</hi></note>, mit deutlicheren Worten, daß<lb/>
das Blut, welches nach der Geba&#x0364;rmutter hinab&#x017F;teigt,<lb/>
wenn die&#x017F;es Eingeweide ver&#x017F;topft worden, ru&#x0364;kwerts nach<lb/>
dem Herzen und Zwerchfelle zuru&#x0364;kflie&#x017F;&#x017F;e, welches auch von<lb/>
der Erka&#x0364;ltung der Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;o erfolgte. Hier wird offenbar<lb/>
ein &#x017F;ich entgegenge&#x017F;ezter Lauf und Ru&#x0364;klauf des Blutes in<lb/>
einerlei Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en angenommen, welches, wie ich davor<lb/>
halte, <hi rendition="#fr">Hippocratis</hi> wahre Thcorie, &#x017F;o wie es auch vor<lb/>
mir &#x017F;chon von gro&#x017F;&#x017F;en Ma&#x0364;nnern i&#x017F;t bemerkt worden <note place="foot" n="(t)">Be&#x017F;onders von D. <hi rendition="#fr">Clericus</hi><lb/>
einem &#x017F;ehr gelehrten und &#x017F;charf-<lb/>
&#x017F;innigen Schrift&#x017F;teller, <hi rendition="#aq">in Hi&#x017F;toire<lb/><cb/>
de la Medecine,</hi> S. 127. von<lb/><hi rendition="#fr">Schultzen</hi> <hi rendition="#aq">Hi&#x017F;t. Mediein. Period.<lb/>
I. Sect. III.</hi> J. B. <hi rendition="#fr">Senac</hi> <hi rendition="#aq">du coeur,<lb/>
T. I.</hi> gleich im Anfange. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">wotto-<lb/>
nvs</hi> of antient and modern lear-<lb/>
ning,</hi> S. 210.</note>,<lb/>
zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint, wiewol &#x017F;ie freilich von den Ge&#x017F;ezzen des<lb/>
Umlaufes &#x017F;ehr merklich unter&#x017F;chieden i&#x017F;t.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 26.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[460/0516] Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes Solchemnach iſt alſo der beſte Rath, um dieſen Streit beizulegen, daß man aus den aͤchten Schriften des Hippocrates die wahre und eigentliche Meinung dieſes guten Alten, von der Bewegung des Blutes in den Schlag- und Blutadern, herausziehe. Es ſcheinet dahero ſeine rechte Meinung dieſe zu ſeyn: daß der Puls vom Blute entſtehe (r), welches ſich in den Schlagadern nach entgegengeſezter Richtung entgegen kommt, alſo daß ein Theil von oben herbeiſtroͤmet, ein andrer aber ſich von der Schlagader wegwendet. Jn dieſer Stelle ſcheinet er ſo viel zu ſagen, das aufſteigende Blut thaͤte demjenigen Widerſtand, welches aus den obern Gegen- den zuruͤkflieſſe. An einen andern Orte lehret Hippocrates, oder we- nigſtens der Verfaſſer des Buches, welches ſich unter ſeinen Schriften befindet (s), mit deutlicheren Worten, daß das Blut, welches nach der Gebaͤrmutter hinabſteigt, wenn dieſes Eingeweide verſtopft worden, ruͤkwerts nach dem Herzen und Zwerchfelle zuruͤkflieſſe, welches auch von der Erkaͤltung der Fuͤſſe ſo erfolgte. Hier wird offenbar ein ſich entgegengeſezter Lauf und Ruͤklauf des Blutes in einerlei Gefaͤſſen angenommen, welches, wie ich davor halte, Hippocratis wahre Thcorie, ſo wie es auch vor mir ſchon von groſſen Maͤnnern iſt bemerkt worden (t), zu ſeyn ſcheint, wiewol ſie freilich von den Geſezzen des Umlaufes ſehr merklich unterſchieden iſt. §. 26. (r) Ex lib. περι τοπων &c. n. 6. (s) De virginum morbis, n. 2. S. 356. Ausg. van der Linden. (t) Beſonders von D. Clericus einem ſehr gelehrten und ſcharf- ſinnigen Schriftſteller, in Hiſtoire de la Medecine, S. 127. von Schultzen Hiſt. Mediein. Period. I. Sect. III. J. B. Senac du coeur, T. I. gleich im Anfange. wotto- nvs of antient and modern lear- ning, S. 210.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/516
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/516>, abgerufen am 15.05.2024.