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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Der Bau des Herzens.
die doch nur in der Höle des Herzens eigentlich statt ha-
ben kann. Daher ist bei den grossen Thieren, die war-
mes Blut und ein dikkes Herz haben, die Röthe bestän-
dig vorhanden, und lässet auch nicht zu, daß das Blut,
so sich in denen Kammern befindet, durchscheinen könne,
zumal da sich schon in dem Fleische des Herzens selbst die
Ursache der rothen Farbe befindet. Die Herzohren aber
sehen allerdings, da sie nur ein ganz dünnes Fleisch ha-
ben, und das Blut durch ihre Höle durchscheint, auch
an Thieren von warmen Blute, wenn sie angefüllet sind,
roth, und wenn sie sich zusammengezogen, blaß aus (p).

Jch mag aber hier nicht bestimmen, ob die Theorie
des Lancisius (q) einigen Grund habe, ohnerachtet sie
Cajetanus Petrioli (r) zu bestätigen gesuchet hat; und
vielleicht ist er selbst der eigentliche Urheber von dieser Hy-
pothese gewesen. Es behauptete der erstgedachte berühm-
te Mann, daß bei denen muthigen Thieren, und ohne
Zweifel bei denen Fleischfressenden, die Kranzschlagadern
oberhalb den Klappen entstünden: bei furchtsamen aber,
und denen die sich von Grase nähren, kämen sie unter-
halb diesen Klappen, aus denen Bekken (sinus) hervor:
bei dem Menschen hätten sie endlich einen ungewissen Ur-
sprung, so wie einer muthiger, oder schwächer, als der
andre wäre. Das erstere Gesez hat ein Mann von gros-
sem Ansehn, nämlich J. B. Morgagnus (s), bestäti-
get. Jnzwischen hat dennoch dieser von uns oftbelobte
erste Leibarzt zugegeben, daß sich zuweilen einige Verän-
derung bei dieser Einrichtung finde, und daß es Men-
schen gebe, bei welchen die Schlagadern von denen Klap-
pen beschüzzet würden (t). So viel aber will ich diesem

vor-
(p) [Spaltenumbruch] Dies sahe auch Volcher
Coiter Obs. anat. S. 124. Man
füge noch unsre Versuche hinzu,
487. 492. 514.
(q) Am angef. Ort S. 63.
(r) [Spaltenumbruch] Er schreibet sich wenigstens
diese Beobachtung zu, beim Eu-
stachius
S. 91.
(s) Epist. anat. XV. n. 11.
(t) S. 218. 365.

Der Bau des Herzens.
die doch nur in der Hoͤle des Herzens eigentlich ſtatt ha-
ben kann. Daher iſt bei den groſſen Thieren, die war-
mes Blut und ein dikkes Herz haben, die Roͤthe beſtaͤn-
dig vorhanden, und laͤſſet auch nicht zu, daß das Blut,
ſo ſich in denen Kammern befindet, durchſcheinen koͤnne,
zumal da ſich ſchon in dem Fleiſche des Herzens ſelbſt die
Urſache der rothen Farbe befindet. Die Herzohren aber
ſehen allerdings, da ſie nur ein ganz duͤnnes Fleiſch ha-
ben, und das Blut durch ihre Hoͤle durchſcheint, auch
an Thieren von warmen Blute, wenn ſie angefuͤllet ſind,
roth, und wenn ſie ſich zuſammengezogen, blaß aus (p).

Jch mag aber hier nicht beſtimmen, ob die Theorie
des Lanciſius (q) einigen Grund habe, ohnerachtet ſie
Cajetanus Petrioli (r) zu beſtaͤtigen geſuchet hat; und
vielleicht iſt er ſelbſt der eigentliche Urheber von dieſer Hy-
potheſe geweſen. Es behauptete der erſtgedachte beruͤhm-
te Mann, daß bei denen muthigen Thieren, und ohne
Zweifel bei denen Fleiſchfreſſenden, die Kranzſchlagadern
oberhalb den Klappen entſtuͤnden: bei furchtſamen aber,
und denen die ſich von Graſe naͤhren, kaͤmen ſie unter-
halb dieſen Klappen, aus denen Bekken (ſinus) hervor:
bei dem Menſchen haͤtten ſie endlich einen ungewiſſen Ur-
ſprung, ſo wie einer muthiger, oder ſchwaͤcher, als der
andre waͤre. Das erſtere Geſez hat ein Mann von groſ-
ſem Anſehn, naͤmlich J. B. Morgagnus (s), beſtaͤti-
get. Jnzwiſchen hat dennoch dieſer von uns oftbelobte
erſte Leibarzt zugegeben, daß ſich zuweilen einige Veraͤn-
derung bei dieſer Einrichtung finde, und daß es Men-
ſchen gebe, bei welchen die Schlagadern von denen Klap-
pen beſchuͤzzet wuͤrden (t). So viel aber will ich dieſem

vor-
(p) [Spaltenumbruch] Dies ſahe auch Volcher
Coiter Obſ. anat. S. 124. Man
fuͤge noch unſre Verſuche hinzu,
487. 492. 514.
(q) Am angef. Ort S. 63.
(r) [Spaltenumbruch] Er ſchreibet ſich wenigſtens
dieſe Beobachtung zu, beim Eu-
ſtachius
S. 91.
(s) Epiſt. anat. XV. n. 11.
(t) S. 218. 365.
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[703/0759] Der Bau des Herzens. die doch nur in der Hoͤle des Herzens eigentlich ſtatt ha- ben kann. Daher iſt bei den groſſen Thieren, die war- mes Blut und ein dikkes Herz haben, die Roͤthe beſtaͤn- dig vorhanden, und laͤſſet auch nicht zu, daß das Blut, ſo ſich in denen Kammern befindet, durchſcheinen koͤnne, zumal da ſich ſchon in dem Fleiſche des Herzens ſelbſt die Urſache der rothen Farbe befindet. Die Herzohren aber ſehen allerdings, da ſie nur ein ganz duͤnnes Fleiſch ha- ben, und das Blut durch ihre Hoͤle durchſcheint, auch an Thieren von warmen Blute, wenn ſie angefuͤllet ſind, roth, und wenn ſie ſich zuſammengezogen, blaß aus (p). Jch mag aber hier nicht beſtimmen, ob die Theorie des Lanciſius (q) einigen Grund habe, ohnerachtet ſie Cajetanus Petrioli (r) zu beſtaͤtigen geſuchet hat; und vielleicht iſt er ſelbſt der eigentliche Urheber von dieſer Hy- potheſe geweſen. Es behauptete der erſtgedachte beruͤhm- te Mann, daß bei denen muthigen Thieren, und ohne Zweifel bei denen Fleiſchfreſſenden, die Kranzſchlagadern oberhalb den Klappen entſtuͤnden: bei furchtſamen aber, und denen die ſich von Graſe naͤhren, kaͤmen ſie unter- halb dieſen Klappen, aus denen Bekken (ſinus) hervor: bei dem Menſchen haͤtten ſie endlich einen ungewiſſen Ur- ſprung, ſo wie einer muthiger, oder ſchwaͤcher, als der andre waͤre. Das erſtere Geſez hat ein Mann von groſ- ſem Anſehn, naͤmlich J. B. Morgagnus (s), beſtaͤti- get. Jnzwiſchen hat dennoch dieſer von uns oftbelobte erſte Leibarzt zugegeben, daß ſich zuweilen einige Veraͤn- derung bei dieſer Einrichtung finde, und daß es Men- ſchen gebe, bei welchen die Schlagadern von denen Klap- pen beſchuͤzzet wuͤrden (t). So viel aber will ich dieſem vor- (p) Dies ſahe auch Volcher Coiter Obſ. anat. S. 124. Man fuͤge noch unſre Verſuche hinzu, 487. 492. 514. (q) Am angef. Ort S. 63. (r) Er ſchreibet ſich wenigſtens dieſe Beobachtung zu, beim Eu- ſtachius S. 91. (s) Epiſt. anat. XV. n. 11. (t) S. 218. 365.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/759>, abgerufen am 13.05.2024.