Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch. Der Lauf des Blutes
schen der Haut und dem aufgedrükkten Schröpfkopfe, ein
luftleerer Raum entsteht (i). Solchergestalt drükket das
Gewicht der auffallenden Atmosphäre den Schröpfkopf
mit so grosser Gewalt an die Haut unter dem luftleeren
Raume an, daß selbiger daran festgeküttet zu seyn scheint.
Zwischen der holen Fläche des Schröpfkopfes aber und
zwischen der Haut ist der Raum mit äusserst verdünnter
Luft erfüllt, und es hält das Festkleben des Kopfes selbst,
den Drukk der Atmosphäre von dieser Stelle ab. Folg-
lich leidet nunmehro das ganze Feld der Haut, welche
sich unter dem holen Schröpfkopfe befindet, keinen Drukk
mehr von der Atmosphäre. Folglich wird eben diese
Hautstelle von dem Blute, welches das Herz herbei-
wälzet, da ausgedehnt, wo sie keinen Widerstand thut,
und es erhebt sich davon die Haut zu einer Art von Halb-
kugel unter dem Schröpfkopfe. Eben dieses erfolget
auch, wenn man das Feuer weglässet, übrigens aber
eine Sprizze an die Haut anbringt, und indem man den
Stempel an sich zieht (k), und dadurch einen luftleeren
Raum zwischen der Haut und dem Stempel zuwege bringt.
Man mus indessen auch die Warheit gestehen, daß dieses
Versuche sind, die auch von andern Ursachen nachgemacht
werden können, da nämlich die Gewalt der auf dem gan-
zen Körper aufliegenden Atmosphäre, blos denjenigen
Theil der Haut, der vom Drukke frei ist, in die Höhe
zu steigen nötigt, und gegen diesen Ort zu, als der den
geringsten Widerstand thut, die Säfte hintreibt. Denn
es erfolgt in der That eben dieses, man mag nun inwen-
dig eine neue Drükkungskraft entstehen lassen, oder die
Widerstandskraft von aussen wegschaffen. Und daher
rührt es, daß so gar ein Schröpfkopf mit Hülfe des
Feuers an Leichnamen (l) den gewönlichen Geschwulst aus

der
(i) [Spaltenumbruch] pecquet Diss. anat. S. 68.
bayle Problem. XIII. Wolfs
Versuche I. n. 139.
(k) boyle New Exper. phys.
[Spaltenumbruch] mechan. touching the spring of
the air Exper. 35. sengverd In-
quisit. Exper
6
(l) pecquet S. 69.

Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes
ſchen der Haut und dem aufgedruͤkkten Schroͤpfkopfe, ein
luftleerer Raum entſteht (i). Solchergeſtalt druͤkket das
Gewicht der auffallenden Atmoſphaͤre den Schroͤpfkopf
mit ſo groſſer Gewalt an die Haut unter dem luftleeren
Raume an, daß ſelbiger daran feſtgekuͤttet zu ſeyn ſcheint.
Zwiſchen der holen Flaͤche des Schroͤpfkopfes aber und
zwiſchen der Haut iſt der Raum mit aͤuſſerſt verduͤnnter
Luft erfuͤllt, und es haͤlt das Feſtkleben des Kopfes ſelbſt,
den Drukk der Atmoſphaͤre von dieſer Stelle ab. Folg-
lich leidet nunmehro das ganze Feld der Haut, welche
ſich unter dem holen Schroͤpfkopfe befindet, keinen Drukk
mehr von der Atmoſphaͤre. Folglich wird eben dieſe
Hautſtelle von dem Blute, welches das Herz herbei-
waͤlzet, da ausgedehnt, wo ſie keinen Widerſtand thut,
und es erhebt ſich davon die Haut zu einer Art von Halb-
kugel unter dem Schroͤpfkopfe. Eben dieſes erfolget
auch, wenn man das Feuer weglaͤſſet, uͤbrigens aber
eine Sprizze an die Haut anbringt, und indem man den
Stempel an ſich zieht (k), und dadurch einen luftleeren
Raum zwiſchen der Haut und dem Stempel zuwege bringt.
Man mus indeſſen auch die Warheit geſtehen, daß dieſes
Verſuche ſind, die auch von andern Urſachen nachgemacht
werden koͤnnen, da naͤmlich die Gewalt der auf dem gan-
zen Koͤrper aufliegenden Atmoſphaͤre, blos denjenigen
Theil der Haut, der vom Drukke frei iſt, in die Hoͤhe
zu ſteigen noͤtigt, und gegen dieſen Ort zu, als der den
geringſten Widerſtand thut, die Saͤfte hintreibt. Denn
es erfolgt in der That eben dieſes, man mag nun inwen-
dig eine neue Druͤkkungskraft entſtehen laſſen, oder die
Widerſtandskraft von auſſen wegſchaffen. Und daher
ruͤhrt es, daß ſo gar ein Schroͤpfkopf mit Huͤlfe des
Feuers an Leichnamen (l) den gewoͤnlichen Geſchwulſt aus

der
(i) [Spaltenumbruch] pecquet Diſſ. anat. S. 68.
bayle Problem. XIII. Wolfs
Verſuche I. n. 139.
(k) boyle New Exper. phyſ.
[Spaltenumbruch] mechan. touching the ſpring of
the air Exper. 35. ſengverd In-
quiſit. Exper
6
(l) pecquet S. 69.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0288" n="268"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sech&#x017F;tes Buch. Der Lauf des Blutes</hi></fw><lb/>
&#x017F;chen der Haut und dem aufgedru&#x0364;kkten Schro&#x0364;pfkopfe, ein<lb/>
luftleerer Raum ent&#x017F;teht <note place="foot" n="(i)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">pecquet</hi> Di&#x017F;&#x017F;. anat.</hi> S. 68.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">bayle</hi></hi> Problem. XIII.</hi> <hi rendition="#fr">Wolfs</hi><lb/>
Ver&#x017F;uche <hi rendition="#aq">I. n.</hi> 139.</note>. Solcherge&#x017F;talt dru&#x0364;kket das<lb/>
Gewicht der auffallenden Atmo&#x017F;pha&#x0364;re den Schro&#x0364;pfkopf<lb/>
mit &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;er Gewalt an die Haut unter dem luftleeren<lb/>
Raume an, daß &#x017F;elbiger daran fe&#x017F;tgeku&#x0364;ttet zu &#x017F;eyn &#x017F;cheint.<lb/>
Zwi&#x017F;chen der holen Fla&#x0364;che des Schro&#x0364;pfkopfes aber und<lb/>
zwi&#x017F;chen der Haut i&#x017F;t der Raum mit a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t verdu&#x0364;nnter<lb/>
Luft erfu&#x0364;llt, und es ha&#x0364;lt das Fe&#x017F;tkleben des Kopfes &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
den Drukk der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re von die&#x017F;er Stelle ab. Folg-<lb/>
lich leidet nunmehro das ganze Feld der Haut, welche<lb/>
&#x017F;ich unter dem holen Schro&#x0364;pfkopfe befindet, keinen Drukk<lb/>
mehr von der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re. Folglich wird eben die&#x017F;e<lb/>
Haut&#x017F;telle von dem Blute, welches das Herz herbei-<lb/>
wa&#x0364;lzet, da ausgedehnt, wo &#x017F;ie keinen Wider&#x017F;tand thut,<lb/>
und es erhebt &#x017F;ich davon die Haut zu einer Art von Halb-<lb/>
kugel unter dem Schro&#x0364;pfkopfe. Eben die&#x017F;es erfolget<lb/>
auch, wenn man das Feuer wegla&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, u&#x0364;brigens aber<lb/>
eine Sprizze an die Haut anbringt, und indem man den<lb/>
Stempel an &#x017F;ich zieht <note place="foot" n="(k)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">boyle</hi></hi> New Exper. phy&#x017F;.<lb/><cb/>
mechan. touching the &#x017F;pring of<lb/>
the air Exper. 35. <hi rendition="#k">&#x017F;engverd</hi> In-<lb/>
qui&#x017F;it. Exper</hi> 6</note>, und dadurch einen luftleeren<lb/>
Raum zwi&#x017F;chen der Haut und dem Stempel zuwege bringt.<lb/>
Man mus inde&#x017F;&#x017F;en auch die Warheit ge&#x017F;tehen, daß die&#x017F;es<lb/>
Ver&#x017F;uche &#x017F;ind, die auch von andern Ur&#x017F;achen nachgemacht<lb/>
werden ko&#x0364;nnen, da na&#x0364;mlich die Gewalt der auf dem gan-<lb/>
zen Ko&#x0364;rper aufliegenden Atmo&#x017F;pha&#x0364;re, blos denjenigen<lb/>
Theil der Haut, der vom Drukke frei i&#x017F;t, in die Ho&#x0364;he<lb/>
zu &#x017F;teigen no&#x0364;tigt, und gegen die&#x017F;en Ort zu, als der den<lb/>
gering&#x017F;ten Wider&#x017F;tand thut, die Sa&#x0364;fte hintreibt. Denn<lb/>
es erfolgt in der That eben die&#x017F;es, man mag nun inwen-<lb/>
dig eine neue Dru&#x0364;kkungskraft ent&#x017F;tehen la&#x017F;&#x017F;en, oder die<lb/>
Wider&#x017F;tandskraft von au&#x017F;&#x017F;en weg&#x017F;chaffen. Und daher<lb/>
ru&#x0364;hrt es, daß &#x017F;o gar ein Schro&#x0364;pfkopf mit Hu&#x0364;lfe des<lb/>
Feuers an Leichnamen <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">pecquet</hi></hi> S. 69.</note> den gewo&#x0364;nlichen Ge&#x017F;chwul&#x017F;t aus<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0288] Sechſtes Buch. Der Lauf des Blutes ſchen der Haut und dem aufgedruͤkkten Schroͤpfkopfe, ein luftleerer Raum entſteht (i). Solchergeſtalt druͤkket das Gewicht der auffallenden Atmoſphaͤre den Schroͤpfkopf mit ſo groſſer Gewalt an die Haut unter dem luftleeren Raume an, daß ſelbiger daran feſtgekuͤttet zu ſeyn ſcheint. Zwiſchen der holen Flaͤche des Schroͤpfkopfes aber und zwiſchen der Haut iſt der Raum mit aͤuſſerſt verduͤnnter Luft erfuͤllt, und es haͤlt das Feſtkleben des Kopfes ſelbſt, den Drukk der Atmoſphaͤre von dieſer Stelle ab. Folg- lich leidet nunmehro das ganze Feld der Haut, welche ſich unter dem holen Schroͤpfkopfe befindet, keinen Drukk mehr von der Atmoſphaͤre. Folglich wird eben dieſe Hautſtelle von dem Blute, welches das Herz herbei- waͤlzet, da ausgedehnt, wo ſie keinen Widerſtand thut, und es erhebt ſich davon die Haut zu einer Art von Halb- kugel unter dem Schroͤpfkopfe. Eben dieſes erfolget auch, wenn man das Feuer weglaͤſſet, uͤbrigens aber eine Sprizze an die Haut anbringt, und indem man den Stempel an ſich zieht (k), und dadurch einen luftleeren Raum zwiſchen der Haut und dem Stempel zuwege bringt. Man mus indeſſen auch die Warheit geſtehen, daß dieſes Verſuche ſind, die auch von andern Urſachen nachgemacht werden koͤnnen, da naͤmlich die Gewalt der auf dem gan- zen Koͤrper aufliegenden Atmoſphaͤre, blos denjenigen Theil der Haut, der vom Drukke frei iſt, in die Hoͤhe zu ſteigen noͤtigt, und gegen dieſen Ort zu, als der den geringſten Widerſtand thut, die Saͤfte hintreibt. Denn es erfolgt in der That eben dieſes, man mag nun inwen- dig eine neue Druͤkkungskraft entſtehen laſſen, oder die Widerſtandskraft von auſſen wegſchaffen. Und daher ruͤhrt es, daß ſo gar ein Schroͤpfkopf mit Huͤlfe des Feuers an Leichnamen (l) den gewoͤnlichen Geſchwulſt aus der (i) pecquet Diſſ. anat. S. 68. bayle Problem. XIII. Wolfs Verſuche I. n. 139. (k) boyle New Exper. phyſ. mechan. touching the ſpring of the air Exper. 35. ſengverd In- quiſit. Exper 6 (l) pecquet S. 69.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/288
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende02_1762/288>, abgerufen am 28.04.2024.