Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite
IIII. Abschn. dessen Erscheinungen.

Das Niesen ist willkührlich, wiewohl wegen der
Heftigkeit des Reizes, nicht völlig ungezwungen. Die
Natur hat dabei die Absicht, mit diesem in Bewegung
gebrachten Luftstrom, der im Husten auch zugegen ist,
dieses scharfe, oder beschwerliche, welches die Nase be-
schwert, wegzuschaffen; hierbei kömmt ihr zu statten, daß
die gewaltige Erschütterung eine Menge Schleim, und
Wasser in die Nase bringt, durch welche Feuchtigkeiten
diese Schärfe verdünnt, oder eingewikkelt wird.

Es giebt, aber wenige Menschen, die nach Gefallen
niesen können (x), und dieses, sonst vom Reizen entste-
hendes Geschäfte, blos durch den Willen nachzuahmen
wissen.

Diese Heftigkeit macht es eben, daß die Säfte unsers
ganzen Körpers, auf keine andre Weise, so stark erschüt-
tert, und die Nerven so sehr gereizt werden, als durch
das Niesen.

Daher haben die Niesemittel unter den Arzeneien
ihren Nuzzen, halbtodte Menschen (y), und Frauens-
personen in hysterischen Ohnmachten (z), wieder zu er-
muntern. Ueberhaupt wird dadurch das Blut, eben,
wie vom Husten sehr in Bewegung gesezzt, und es ent-
stehen vom Niesen die Blutungen (a), ein starker Mo-
natsflus (b), und der Tod selbst (c).

Jn dem Unterleibe eräugnet sich eben das, was in
starkem Anstrengen geschicht. Das Niesen ist für gebä-
rende gut (d). Und daß die Nachgeburt erfolge, dazu
mus man ein Niesemittel reichen (e).

Doch
(x) [Spaltenumbruch] HILDAN Cent. I. obs. 24.
(y) 4. Buch. 8. Buch.
(z) THRVST S. 66.
(a) Append. obs. post scvl-
tet
armam. obs. 85. le DRAN
obs. I.
S. 348. kerkring obs.
51. helwig obs.
28.
(b) [Spaltenumbruch] HILDAN Cent. III. obs. 58.
(c) CARDANVS. Angef.
Ort. STELLA del tabago. S.
278. helwig. ebendas.
(d) Aphor. HIPPOCR. 39.
Sect. V.
(e) Ebendas.
IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen.

Das Nieſen iſt willkuͤhrlich, wiewohl wegen der
Heftigkeit des Reizes, nicht voͤllig ungezwungen. Die
Natur hat dabei die Abſicht, mit dieſem in Bewegung
gebrachten Luftſtrom, der im Huſten auch zugegen iſt,
dieſes ſcharfe, oder beſchwerliche, welches die Naſe be-
ſchwert, wegzuſchaffen; hierbei koͤmmt ihr zu ſtatten, daß
die gewaltige Erſchuͤtterung eine Menge Schleim, und
Waſſer in die Naſe bringt, durch welche Feuchtigkeiten
dieſe Schaͤrfe verduͤnnt, oder eingewikkelt wird.

Es giebt, aber wenige Menſchen, die nach Gefallen
nieſen koͤnnen (x), und dieſes, ſonſt vom Reizen entſte-
hendes Geſchaͤfte, blos durch den Willen nachzuahmen
wiſſen.

Dieſe Heftigkeit macht es eben, daß die Saͤfte unſers
ganzen Koͤrpers, auf keine andre Weiſe, ſo ſtark erſchuͤt-
tert, und die Nerven ſo ſehr gereizt werden, als durch
das Nieſen.

Daher haben die Nieſemittel unter den Arzeneien
ihren Nuzzen, halbtodte Menſchen (y), und Frauens-
perſonen in hyſteriſchen Ohnmachten (z), wieder zu er-
muntern. Ueberhaupt wird dadurch das Blut, eben,
wie vom Huſten ſehr in Bewegung geſezzt, und es ent-
ſtehen vom Nieſen die Blutungen (a), ein ſtarker Mo-
natsflus (b), und der Tod ſelbſt (c).

Jn dem Unterleibe eraͤugnet ſich eben das, was in
ſtarkem Anſtrengen geſchicht. Das Nieſen iſt fuͤr gebaͤ-
rende gut (d). Und daß die Nachgeburt erfolge, dazu
mus man ein Nieſemittel reichen (e).

Doch
(x) [Spaltenumbruch] HILDAN Cent. I. obſ. 24.
(y) 4. Buch. 8. Buch.
(z) THRVST S. 66.
(a) Append. obſ. poſt ſcvl-
tet
armam. obſ. 85. le DRAN
obſ. I.
S. 348. kerkring obſ.
51. helwig obſ.
28.
(b) [Spaltenumbruch] HILDAN Cent. III. obſ. 58.
(c) CARDANVS. Angef.
Ort. STELLA del tabago. S.
278. helwig. ebendaſ.
(d) Aphor. HIPPOCR. 39.
Sect. V.
(e) Ebendaſ.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0481" n="475"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IIII.</hi> Ab&#x017F;chn. de&#x017F;&#x017F;en Er&#x017F;cheinungen.</hi> </fw><lb/>
            <p>Das Nie&#x017F;en i&#x017F;t willku&#x0364;hrlich, wiewohl wegen der<lb/>
Heftigkeit des Reizes, nicht vo&#x0364;llig ungezwungen. Die<lb/>
Natur hat dabei die Ab&#x017F;icht, mit die&#x017F;em in Bewegung<lb/>
gebrachten Luft&#x017F;trom, der im Hu&#x017F;ten auch zugegen i&#x017F;t,<lb/>
die&#x017F;es &#x017F;charfe, oder be&#x017F;chwerliche, welches die Na&#x017F;e be-<lb/>
&#x017F;chwert, wegzu&#x017F;chaffen; hierbei ko&#x0364;mmt ihr zu &#x017F;tatten, daß<lb/>
die gewaltige Er&#x017F;chu&#x0364;tterung eine Menge Schleim, und<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er in die Na&#x017F;e bringt, durch welche Feuchtigkeiten<lb/>
die&#x017F;e Scha&#x0364;rfe verdu&#x0364;nnt, oder eingewikkelt wird.</p><lb/>
            <p>Es giebt, aber wenige Men&#x017F;chen, die nach Gefallen<lb/>
nie&#x017F;en ko&#x0364;nnen <note place="foot" n="(x)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">HILDAN</hi> Cent. I. ob&#x017F;.</hi> 24.</note>, und die&#x017F;es, &#x017F;on&#x017F;t vom Reizen ent&#x017F;te-<lb/>
hendes Ge&#x017F;cha&#x0364;fte, blos durch den Willen nachzuahmen<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Heftigkeit macht es eben, daß die Sa&#x0364;fte un&#x017F;ers<lb/>
ganzen Ko&#x0364;rpers, auf keine andre Wei&#x017F;e, &#x017F;o &#x017F;tark er&#x017F;chu&#x0364;t-<lb/>
tert, und die Nerven &#x017F;o &#x017F;ehr gereizt werden, als durch<lb/>
das Nie&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Daher haben die Nie&#x017F;emittel unter den Arzeneien<lb/>
ihren Nuzzen, halbtodte Men&#x017F;chen <note place="foot" n="(y)">4. Buch. 8. Buch.</note>, und Frauens-<lb/>
per&#x017F;onen in hy&#x017F;teri&#x017F;chen Ohnmachten <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">THRVST</hi></hi> S. 66.</note>, wieder zu er-<lb/>
muntern. Ueberhaupt wird dadurch das Blut, eben,<lb/>
wie vom Hu&#x017F;ten &#x017F;ehr in Bewegung ge&#x017F;ezzt, und es ent-<lb/>
&#x017F;tehen vom Nie&#x017F;en die Blutungen <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq">Append. ob&#x017F;. po&#x017F;t <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">&#x017F;cvl-<lb/>
tet</hi></hi> armam. ob&#x017F;. 85. le <hi rendition="#g">DRAN</hi><lb/>
ob&#x017F;. I.</hi> S. 348. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">kerkring</hi></hi> ob&#x017F;.<lb/>
51. <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">helwig</hi></hi> ob&#x017F;.</hi> 28.</note>, ein &#x017F;tarker Mo-<lb/>
natsflus <note place="foot" n="(b)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">HILDAN</hi> Cent. III. ob&#x017F;.</hi> 58.</note>, und der Tod &#x017F;elb&#x017F;t <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">CARDANVS.</hi></hi> Angef.<lb/>
Ort. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">STELLA</hi> del tabago.</hi> S.<lb/>
278. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">helwig.</hi></hi></hi> ebenda&#x017F;.</note>.</p><lb/>
            <p>Jn dem Unterleibe era&#x0364;ugnet &#x017F;ich eben das, was in<lb/>
&#x017F;tarkem An&#x017F;trengen ge&#x017F;chicht. Das Nie&#x017F;en i&#x017F;t fu&#x0364;r geba&#x0364;-<lb/>
rende gut <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq">Aphor. <hi rendition="#g">HIPPOCR.</hi> 39.<lb/>
Sect. V.</hi></note>. Und daß die Nachgeburt erfolge, dazu<lb/>
mus man ein Nie&#x017F;emittel reichen <note place="foot" n="(e)">Ebenda&#x017F;.</note>.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Doch</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0481] IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen. Das Nieſen iſt willkuͤhrlich, wiewohl wegen der Heftigkeit des Reizes, nicht voͤllig ungezwungen. Die Natur hat dabei die Abſicht, mit dieſem in Bewegung gebrachten Luftſtrom, der im Huſten auch zugegen iſt, dieſes ſcharfe, oder beſchwerliche, welches die Naſe be- ſchwert, wegzuſchaffen; hierbei koͤmmt ihr zu ſtatten, daß die gewaltige Erſchuͤtterung eine Menge Schleim, und Waſſer in die Naſe bringt, durch welche Feuchtigkeiten dieſe Schaͤrfe verduͤnnt, oder eingewikkelt wird. Es giebt, aber wenige Menſchen, die nach Gefallen nieſen koͤnnen (x), und dieſes, ſonſt vom Reizen entſte- hendes Geſchaͤfte, blos durch den Willen nachzuahmen wiſſen. Dieſe Heftigkeit macht es eben, daß die Saͤfte unſers ganzen Koͤrpers, auf keine andre Weiſe, ſo ſtark erſchuͤt- tert, und die Nerven ſo ſehr gereizt werden, als durch das Nieſen. Daher haben die Nieſemittel unter den Arzeneien ihren Nuzzen, halbtodte Menſchen (y), und Frauens- perſonen in hyſteriſchen Ohnmachten (z), wieder zu er- muntern. Ueberhaupt wird dadurch das Blut, eben, wie vom Huſten ſehr in Bewegung geſezzt, und es ent- ſtehen vom Nieſen die Blutungen (a), ein ſtarker Mo- natsflus (b), und der Tod ſelbſt (c). Jn dem Unterleibe eraͤugnet ſich eben das, was in ſtarkem Anſtrengen geſchicht. Das Nieſen iſt fuͤr gebaͤ- rende gut (d). Und daß die Nachgeburt erfolge, dazu mus man ein Nieſemittel reichen (e). Doch (x) HILDAN Cent. I. obſ. 24. (y) 4. Buch. 8. Buch. (z) THRVST S. 66. (a) Append. obſ. poſt ſcvl- tet armam. obſ. 85. le DRAN obſ. I. S. 348. kerkring obſ. 51. helwig obſ. 28. (b) HILDAN Cent. III. obſ. 58. (c) CARDANVS. Angef. Ort. STELLA del tabago. S. 278. helwig. ebendaſ. (d) Aphor. HIPPOCR. 39. Sect. V. (e) Ebendaſ.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/481
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/481>, abgerufen am 15.05.2024.