Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Deß Academischen
Kleid trug/ daß er selber nichts mehr verlangete/ als
von seinem Herrn Condado in diesem Aufzug gesehen
zu werden. Er versammlete die Jungen vor der Schul/
und als der Pastor zu ihm gestossen/ giengen sie vor
das Sterb-Hauß/ und holeten die Leiche ab. Wie sie
auf dem Todten-Kirchhof/ der vor dem Dorff lag/
kamen/ da sange Troll eben den letzten Vers. Ehe aber
der Pastor zum Stand kam/ fieng er einen langen
Todten-Gesang von neuem an/ welches den Pastorn
dermassen verdroß/ daß er schier auß der Haut gefah-
ren wäre. Troll thäte/ als wann ers nicht sähe/ sange
demnach steiff fort/ und ließ den Pastorn immerhin
handthieren. Dieser stampffete inzwischen/ hustete/
und machte allerhand Possen/ den Troll zu bewegen/
daß er ihn ansähe/ aber dieser wolte nicht/ dannenhero
der Burgermeister dem Pastorn/ von dem er meynete/
daß ihm übel würde/ ein Gläßlein mit Balsam Sulphu-
ris
angefüllet/ welches er für alle Kranckheiten stäts
bey sich hatte/ überreichete/ welches den Prediger noch
mehr verdroß/ doch durffte er hier nicht viel sagen.
Und als endlich der gantze Gesang außgesungen war/
endigte Troll sein Amt mit einem Final, das allein ein
Vatter Unser lang währete. Darauf stieg der Predi-
ger auf eine höltzerne Cantzel/ und predigte mit sol-
chem Eyfer/ daß er das Buch etliche mahl von der
Cantzel stieß/ welches ihm Troll allemahl wiederbrin-
gen muste/ das dann diesem aufs neue in Kopff stieg/
dann er sahe wol/ daß ihn der Pfarrer wieder vexirte.
Harre/ gedachte er demnach/ ich habe noch eine Gele-
genheit/ dich wieder zu erhaschen! Und endlich be-
schlosse der Prediger seine Predigt/ welche kurtz gnug
war/ dann er wolte noch über Feld reiten/ und seinen
Zehenden einsammlen. Also giengen sie mit einander
in der vorigen Procession wieder in den Flecken Sta-
chelfeld/ und wie sie vor Krachbeins Hauß kamen/

stelle-

Deß Academiſchen
Kleid trug/ daß er ſelber nichts mehr verlangete/ als
von ſeinem Herꝛn Condado in dieſem Aufzug geſehen
zu werden. Er verſam̃lete die Jungen vor der Schul/
und als der Paſtor zu ihm geſtoſſen/ giengen ſie vor
das Sterb-Hauß/ und holeten die Leiche ab. Wie ſie
auf dem Todten-Kirchhof/ der vor dem Dorff lag/
kamen/ da ſange Troll eben den letzten Vers. Ehe aber
der Paſtor zum Stand kam/ fieng er einen langen
Todten-Geſang von neuem an/ welches den Paſtorn
dermaſſen verdroß/ daß er ſchier auß der Haut gefah-
ren waͤre. Troll thaͤte/ als wann ers nicht ſaͤhe/ ſange
demnach ſteiff fort/ und ließ den Paſtorn immerhin
handthieren. Dieſer ſtampffete inzwiſchen/ huſtete/
und machte allerhand Poſſen/ den Troll zu bewegen/
daß er ihn anſaͤhe/ aber dieſer wolte nicht/ dannenhero
der Burgermeiſter dem Paſtorn/ von dem er meynete/
daß ihm uͤbel wuͤrde/ ein Glaͤßlein mit Balſam Sulphu-
ris
angefuͤllet/ welches er fuͤr alle Kranckheiten ſtaͤts
bey ſich hatte/ uͤberreichete/ welches den Prediger noch
mehr verdroß/ doch durffte er hier nicht viel ſagen.
Und als endlich der gantze Geſang außgeſungen war/
endigte Troll ſein Amt mit einem Final, das allein ein
Vatter Unſer lang waͤhrete. Darauf ſtieg der Predi-
ger auf eine hoͤltzerne Cantzel/ und predigte mit ſol-
chem Eyfer/ daß er das Buch etliche mahl von der
Cantzel ſtieß/ welches ihm Troll allemahl wiederbrin-
gen muſte/ das dann dieſem aufs neue in Kopff ſtieg/
dann er ſahe wol/ daß ihn der Pfarrer wieder vexirte.
Harre/ gedachte er demnach/ ich habe noch eine Gele-
genheit/ dich wieder zu erhaſchen! Und endlich be-
ſchloſſe der Prediger ſeine Predigt/ welche kurtz gnug
war/ dann er wolte noch uͤber Feld reiten/ und ſeinen
Zehenden einſammlen. Alſo giengen ſie mit einander
in der vorigen Proceſſion wieder in den Flecken Sta-
chelfeld/ und wie ſie vor Krachbeins Hauß kamen/

ſtelle-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0800" n="780"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Deß <hi rendition="#aq">Academi</hi>&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
Kleid trug/ daß er &#x017F;elber nichts mehr verlangete/ als<lb/>
von &#x017F;einem Her&#xA75B;n <hi rendition="#aq">Condado</hi> in die&#x017F;em Aufzug ge&#x017F;ehen<lb/>
zu werden. Er ver&#x017F;am&#x0303;lete die Jungen vor der Schul/<lb/>
und als der <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;tor</hi> zu ihm ge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en/ giengen &#x017F;ie vor<lb/>
das Sterb-Hauß/ und holeten die Leiche ab. Wie &#x017F;ie<lb/>
auf dem Todten-Kirchhof/ der vor dem Dorff lag/<lb/>
kamen/ da &#x017F;ange Troll eben den letzten Vers. Ehe aber<lb/>
der <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;tor</hi> zum Stand kam/ fieng er einen langen<lb/>
Todten-Ge&#x017F;ang von neuem an/ welches den <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;tor</hi>n<lb/>
derma&#x017F;&#x017F;en verdroß/ daß er &#x017F;chier auß der Haut gefah-<lb/>
ren wa&#x0364;re. Troll tha&#x0364;te/ als wann ers nicht &#x017F;a&#x0364;he/ &#x017F;ange<lb/>
demnach &#x017F;teiff fort/ und ließ den <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;tor</hi>n immerhin<lb/>
handthieren. Die&#x017F;er &#x017F;tampffete inzwi&#x017F;chen/ hu&#x017F;tete/<lb/>
und machte allerhand Po&#x017F;&#x017F;en/ den Troll zu bewegen/<lb/>
daß er ihn an&#x017F;a&#x0364;he/ aber die&#x017F;er wolte nicht/ dannenhero<lb/>
der Burgermei&#x017F;ter dem <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;tor</hi>n/ von dem er meynete/<lb/>
daß ihm u&#x0364;bel wu&#x0364;rde/ ein Gla&#x0364;ßlein mit <hi rendition="#aq">Bal&#x017F;am Sulphu-<lb/>
ris</hi> angefu&#x0364;llet/ welches er fu&#x0364;r alle Kranckheiten &#x017F;ta&#x0364;ts<lb/>
bey &#x017F;ich hatte/ u&#x0364;berreichete/ welches den Prediger noch<lb/>
mehr verdroß/ doch durffte er hier nicht viel &#x017F;agen.<lb/>
Und als endlich der gantze Ge&#x017F;ang außge&#x017F;ungen war/<lb/>
endigte Troll &#x017F;ein Amt mit einem <hi rendition="#aq">Final,</hi> das allein ein<lb/>
Vatter Un&#x017F;er lang wa&#x0364;hrete. Darauf &#x017F;tieg der Predi-<lb/>
ger auf eine ho&#x0364;ltzerne Cantzel/ und predigte mit &#x017F;ol-<lb/>
chem Eyfer/ daß er das Buch etliche mahl von der<lb/>
Cantzel &#x017F;tieß/ welches ihm Troll allemahl wiederbrin-<lb/>
gen mu&#x017F;te/ das dann die&#x017F;em aufs neue in Kopff &#x017F;tieg/<lb/>
dann er &#x017F;ahe wol/ daß ihn der Pfarrer wieder vexirte.<lb/>
Harre/ gedachte er demnach/ ich habe noch eine Gele-<lb/>
genheit/ dich wieder zu erha&#x017F;chen! Und endlich be-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e der Prediger &#x017F;eine Predigt/ welche kurtz gnug<lb/>
war/ dann er wolte noch u&#x0364;ber Feld reiten/ und &#x017F;einen<lb/>
Zehenden ein&#x017F;ammlen. Al&#x017F;o giengen &#x017F;ie mit einander<lb/>
in der vorigen <hi rendition="#aq">Proce&#x017F;&#x017F;ion</hi> wieder in den Flecken Sta-<lb/>
chelfeld/ und wie &#x017F;ie vor Krachbeins Hauß kamen/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;telle-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[780/0800] Deß Academiſchen Kleid trug/ daß er ſelber nichts mehr verlangete/ als von ſeinem Herꝛn Condado in dieſem Aufzug geſehen zu werden. Er verſam̃lete die Jungen vor der Schul/ und als der Paſtor zu ihm geſtoſſen/ giengen ſie vor das Sterb-Hauß/ und holeten die Leiche ab. Wie ſie auf dem Todten-Kirchhof/ der vor dem Dorff lag/ kamen/ da ſange Troll eben den letzten Vers. Ehe aber der Paſtor zum Stand kam/ fieng er einen langen Todten-Geſang von neuem an/ welches den Paſtorn dermaſſen verdroß/ daß er ſchier auß der Haut gefah- ren waͤre. Troll thaͤte/ als wann ers nicht ſaͤhe/ ſange demnach ſteiff fort/ und ließ den Paſtorn immerhin handthieren. Dieſer ſtampffete inzwiſchen/ huſtete/ und machte allerhand Poſſen/ den Troll zu bewegen/ daß er ihn anſaͤhe/ aber dieſer wolte nicht/ dannenhero der Burgermeiſter dem Paſtorn/ von dem er meynete/ daß ihm uͤbel wuͤrde/ ein Glaͤßlein mit Balſam Sulphu- ris angefuͤllet/ welches er fuͤr alle Kranckheiten ſtaͤts bey ſich hatte/ uͤberreichete/ welches den Prediger noch mehr verdroß/ doch durffte er hier nicht viel ſagen. Und als endlich der gantze Geſang außgeſungen war/ endigte Troll ſein Amt mit einem Final, das allein ein Vatter Unſer lang waͤhrete. Darauf ſtieg der Predi- ger auf eine hoͤltzerne Cantzel/ und predigte mit ſol- chem Eyfer/ daß er das Buch etliche mahl von der Cantzel ſtieß/ welches ihm Troll allemahl wiederbrin- gen muſte/ das dann dieſem aufs neue in Kopff ſtieg/ dann er ſahe wol/ daß ihn der Pfarrer wieder vexirte. Harre/ gedachte er demnach/ ich habe noch eine Gele- genheit/ dich wieder zu erhaſchen! Und endlich be- ſchloſſe der Prediger ſeine Predigt/ welche kurtz gnug war/ dann er wolte noch uͤber Feld reiten/ und ſeinen Zehenden einſammlen. Alſo giengen ſie mit einander in der vorigen Proceſſion wieder in den Flecken Sta- chelfeld/ und wie ſie vor Krachbeins Hauß kamen/ ſtelle-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/800
Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 780. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/800>, abgerufen am 28.04.2024.