Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Moritz Hartmann, geboren den 15. October 1821 in dem böhmischen Dorfe Duschnik als der Sohn eines jüdischen Eisenhammerbesitzers, kam früh aus dem elterlichen Hause an das Gymnasium zu Jungbunzlau und studirte dann in Prag, wo er sich einem Kreise gleichgesinnter Jünglinge anschloß, deren literarisches Organ, Glasers "Ost und West", seine ersten Gedichte veröffentlichte, hierauf in Wien, wo er besonders mit Lenau befreundet wurde, der große Stücke auf ihn hielt. Nachdem er seine erste Wanderlust durch eine Reise nach Oberitalien, Schweiz und Süddeutschland befriedigt, nahm er, vom Schicksal auf eine strenge Lebensführung angewiesen, in Wien eine Erzieherstelle an, siedelte aber 1844 nach Leipzig über, um die Freiheit athmenden Gedichte "Kelch und Schwert", die sich nicht mit der österreichischen Censur vertrugen, ungefährdet herausgeben zu können. Diese Veröffentlichung, so wie seine politische Haltung überhaupt, zog ihm von Seiten der Heimath eine polizeiliche Verfolgung zu, die mit kurzer Pause bis 1848 währte. Die Ereignisse dieses Jahres führten ihn als Reichstagsabgeordneten von Leitmeritz nach Frankfurt in die Paulskirche, wo er seinen Platz auf der äußersten Linken nahm. Eine literarische Frucht dieses politischen Wirkens war die "Reimchronik des Pfaffen Mauritius", die mit ihrem Salze auch geistig ebenbürtige Gegner für sich gewann. Als Parlamentsgesandter mit Blum und Fröbel nach Wien geschickt, war er in den Octobertagen nahe daran, die Wahrheit des alten Wortes: "Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um!" an sich zu erfahren; seine Flucht hat er später meisterhaft geschildert. Als 1849 Oesterreich die österreichischen Parlamentsmitglieder

Moritz Hartmann, geboren den 15. October 1821 in dem böhmischen Dorfe Duschnik als der Sohn eines jüdischen Eisenhammerbesitzers, kam früh aus dem elterlichen Hause an das Gymnasium zu Jungbunzlau und studirte dann in Prag, wo er sich einem Kreise gleichgesinnter Jünglinge anschloß, deren literarisches Organ, Glasers „Ost und West“, seine ersten Gedichte veröffentlichte, hierauf in Wien, wo er besonders mit Lenau befreundet wurde, der große Stücke auf ihn hielt. Nachdem er seine erste Wanderlust durch eine Reise nach Oberitalien, Schweiz und Süddeutschland befriedigt, nahm er, vom Schicksal auf eine strenge Lebensführung angewiesen, in Wien eine Erzieherstelle an, siedelte aber 1844 nach Leipzig über, um die Freiheit athmenden Gedichte „Kelch und Schwert“, die sich nicht mit der österreichischen Censur vertrugen, ungefährdet herausgeben zu können. Diese Veröffentlichung, so wie seine politische Haltung überhaupt, zog ihm von Seiten der Heimath eine polizeiliche Verfolgung zu, die mit kurzer Pause bis 1848 währte. Die Ereignisse dieses Jahres führten ihn als Reichstagsabgeordneten von Leitmeritz nach Frankfurt in die Paulskirche, wo er seinen Platz auf der äußersten Linken nahm. Eine literarische Frucht dieses politischen Wirkens war die „Reimchronik des Pfaffen Mauritius“, die mit ihrem Salze auch geistig ebenbürtige Gegner für sich gewann. Als Parlamentsgesandter mit Blum und Fröbel nach Wien geschickt, war er in den Octobertagen nahe daran, die Wahrheit des alten Wortes: „Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um!“ an sich zu erfahren; seine Flucht hat er später meisterhaft geschildert. Als 1849 Oesterreich die österreichischen Parlamentsmitglieder

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0005"/>
      <div type="preface">
        <p>Moritz Hartmann, geboren den 15. October 1821 in dem böhmischen Dorfe Duschnik als der Sohn     eines jüdischen Eisenhammerbesitzers, kam früh aus dem elterlichen Hause an das Gymnasium zu     Jungbunzlau und studirte dann in Prag, wo er sich einem Kreise gleichgesinnter Jünglinge     anschloß, deren literarisches Organ, Glasers &#x201E;Ost und West&#x201C;, seine ersten Gedichte     veröffentlichte, hierauf in Wien, wo er besonders mit Lenau befreundet wurde, der große Stücke     auf ihn hielt. Nachdem er seine erste Wanderlust durch eine Reise nach Oberitalien, Schweiz und     Süddeutschland befriedigt, nahm er, vom Schicksal auf eine strenge Lebensführung angewiesen, in     Wien eine Erzieherstelle an, siedelte aber 1844 nach Leipzig über, um die Freiheit athmenden     Gedichte &#x201E;Kelch und Schwert&#x201C;, die sich nicht mit der österreichischen Censur vertrugen,     ungefährdet herausgeben zu können. Diese Veröffentlichung, so wie seine politische Haltung     überhaupt, zog ihm von Seiten der Heimath eine polizeiliche Verfolgung zu, die mit kurzer Pause     bis 1848 währte. Die Ereignisse dieses Jahres führten ihn als Reichstagsabgeordneten von     Leitmeritz nach Frankfurt in die Paulskirche, wo er seinen Platz auf der äußersten Linken nahm.     Eine literarische Frucht dieses politischen Wirkens war die &#x201E;Reimchronik des Pfaffen Mauritius&#x201C;,     die mit ihrem Salze auch geistig ebenbürtige Gegner für sich gewann. Als Parlamentsgesandter mit     Blum und Fröbel nach Wien geschickt, war er in den Octobertagen nahe daran, die Wahrheit des     alten Wortes: &#x201E;Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um!&#x201C; an sich zu erfahren; seine Flucht     hat er später meisterhaft geschildert. Als 1849 Oesterreich die österreichischen     Parlamentsmitglieder<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0005] Moritz Hartmann, geboren den 15. October 1821 in dem böhmischen Dorfe Duschnik als der Sohn eines jüdischen Eisenhammerbesitzers, kam früh aus dem elterlichen Hause an das Gymnasium zu Jungbunzlau und studirte dann in Prag, wo er sich einem Kreise gleichgesinnter Jünglinge anschloß, deren literarisches Organ, Glasers „Ost und West“, seine ersten Gedichte veröffentlichte, hierauf in Wien, wo er besonders mit Lenau befreundet wurde, der große Stücke auf ihn hielt. Nachdem er seine erste Wanderlust durch eine Reise nach Oberitalien, Schweiz und Süddeutschland befriedigt, nahm er, vom Schicksal auf eine strenge Lebensführung angewiesen, in Wien eine Erzieherstelle an, siedelte aber 1844 nach Leipzig über, um die Freiheit athmenden Gedichte „Kelch und Schwert“, die sich nicht mit der österreichischen Censur vertrugen, ungefährdet herausgeben zu können. Diese Veröffentlichung, so wie seine politische Haltung überhaupt, zog ihm von Seiten der Heimath eine polizeiliche Verfolgung zu, die mit kurzer Pause bis 1848 währte. Die Ereignisse dieses Jahres führten ihn als Reichstagsabgeordneten von Leitmeritz nach Frankfurt in die Paulskirche, wo er seinen Platz auf der äußersten Linken nahm. Eine literarische Frucht dieses politischen Wirkens war die „Reimchronik des Pfaffen Mauritius“, die mit ihrem Salze auch geistig ebenbürtige Gegner für sich gewann. Als Parlamentsgesandter mit Blum und Fröbel nach Wien geschickt, war er in den Octobertagen nahe daran, die Wahrheit des alten Wortes: „Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um!“ an sich zu erfahren; seine Flucht hat er später meisterhaft geschildert. Als 1849 Oesterreich die österreichischen Parlamentsmitglieder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:58:35Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:58:35Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/5
Zitationshilfe: Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/5>, abgerufen am 29.04.2024.