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Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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abberief, leistete Hartmann keine Folge, weßhalb er steckbrieflich als Militärflüchtling ausgeschrieben wurde. Nach der Sprengung des "Rumpfparlaments" in Stuttgart ging er in die Schweiz, wo er zunächst die "Reimchronik" fortsetzte, bald aber (1851), ein merkwürdiges Zeugniß von der Elasticität dieser zugleich starken und weichen Natur, die Welt mit dem anmuthigen Idyll "Adam und Eva" überraschte. Von Paris, wohin er sich zu dauerndem Aufenthalte gewandt, machte er wiederholt Reisen ins Innere von Frankreich, aus welchen sein anziehendes "Tagebuch aus Languedoc und der Provence" entsprang. Aus jener Zeit stammt auch die Sammlung bretonischer Volkslieder, die er mit Ludwig Pfau zusammen herausgab. Im Winter 1852 bis 1853 wurde er zu Paris wegen unverfänglicher Briefe, die er für die Kölner Zeitung geschrieben, auf die Denunciation bonapartistischer Spitzel hin verhaftet und saß siebzehn Tage in Mazas in der Zelle, die Changarnier bewohnt hatte. Nun begab er sich wieder auf die Wanderung und besuchte England, Schottland und Irland, sich mit Reisebildern bereichernd, die er mündlich wie schriftlich aufs Fesselndste mitzutheilen verstand. Im Jahr 1854 reifte er als Berichterstatter der Kölnischen Zeitung nach dem orientalischen Kriegsschauplätze, zog sich aber dort durch einen Sturz ein Beinleiden zu, von welchem er erst durch eine Operation auf Leben und Tod, die ihn ein volles Jahr ans Krankenlager bannte, zu Paris hergestellt wurde. Während dieser Gefangenschaft schrieb er seine "Erzählungen eines Unsteten", jene reizenden Bilder, in die er seine Erlebnisse und Abenteuer in Ost und West verflocht. Auf einer großen Reise begriffen, ließ er sich 1860 in Genf durch die glücklichsten häuslichen Bande fesseln und zur Niederlassung bewegen; unter großem Beifall hielt er an der dortigen Akademie Vorlesungen über deutsche Literatur und Geschichte. Nach zwei Jahren jedoch übersiedelte er nach Stuttgart und übernahm die Redaction der "Freya", einer vielversprechenden Zeitschrift. Daneben erfaßte er den Gedanken, eine deutsche Revue herauszugeben, um die er die besten Kräfte der Nation versammeln wollte; ein Unternehmen, wozu er wie kaum ein Anderer der Mann gewesen wäre. Das-

abberief, leistete Hartmann keine Folge, weßhalb er steckbrieflich als Militärflüchtling ausgeschrieben wurde. Nach der Sprengung des „Rumpfparlaments“ in Stuttgart ging er in die Schweiz, wo er zunächst die „Reimchronik“ fortsetzte, bald aber (1851), ein merkwürdiges Zeugniß von der Elasticität dieser zugleich starken und weichen Natur, die Welt mit dem anmuthigen Idyll „Adam und Eva“ überraschte. Von Paris, wohin er sich zu dauerndem Aufenthalte gewandt, machte er wiederholt Reisen ins Innere von Frankreich, aus welchen sein anziehendes „Tagebuch aus Languedoc und der Provence“ entsprang. Aus jener Zeit stammt auch die Sammlung bretonischer Volkslieder, die er mit Ludwig Pfau zusammen herausgab. Im Winter 1852 bis 1853 wurde er zu Paris wegen unverfänglicher Briefe, die er für die Kölner Zeitung geschrieben, auf die Denunciation bonapartistischer Spitzel hin verhaftet und saß siebzehn Tage in Mazas in der Zelle, die Changarnier bewohnt hatte. Nun begab er sich wieder auf die Wanderung und besuchte England, Schottland und Irland, sich mit Reisebildern bereichernd, die er mündlich wie schriftlich aufs Fesselndste mitzutheilen verstand. Im Jahr 1854 reifte er als Berichterstatter der Kölnischen Zeitung nach dem orientalischen Kriegsschauplätze, zog sich aber dort durch einen Sturz ein Beinleiden zu, von welchem er erst durch eine Operation auf Leben und Tod, die ihn ein volles Jahr ans Krankenlager bannte, zu Paris hergestellt wurde. Während dieser Gefangenschaft schrieb er seine „Erzählungen eines Unsteten“, jene reizenden Bilder, in die er seine Erlebnisse und Abenteuer in Ost und West verflocht. Auf einer großen Reise begriffen, ließ er sich 1860 in Genf durch die glücklichsten häuslichen Bande fesseln und zur Niederlassung bewegen; unter großem Beifall hielt er an der dortigen Akademie Vorlesungen über deutsche Literatur und Geschichte. Nach zwei Jahren jedoch übersiedelte er nach Stuttgart und übernahm die Redaction der „Freya“, einer vielversprechenden Zeitschrift. Daneben erfaßte er den Gedanken, eine deutsche Revue herauszugeben, um die er die besten Kräfte der Nation versammeln wollte; ein Unternehmen, wozu er wie kaum ein Anderer der Mann gewesen wäre. Das-

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[0006] abberief, leistete Hartmann keine Folge, weßhalb er steckbrieflich als Militärflüchtling ausgeschrieben wurde. Nach der Sprengung des „Rumpfparlaments“ in Stuttgart ging er in die Schweiz, wo er zunächst die „Reimchronik“ fortsetzte, bald aber (1851), ein merkwürdiges Zeugniß von der Elasticität dieser zugleich starken und weichen Natur, die Welt mit dem anmuthigen Idyll „Adam und Eva“ überraschte. Von Paris, wohin er sich zu dauerndem Aufenthalte gewandt, machte er wiederholt Reisen ins Innere von Frankreich, aus welchen sein anziehendes „Tagebuch aus Languedoc und der Provence“ entsprang. Aus jener Zeit stammt auch die Sammlung bretonischer Volkslieder, die er mit Ludwig Pfau zusammen herausgab. Im Winter 1852 bis 1853 wurde er zu Paris wegen unverfänglicher Briefe, die er für die Kölner Zeitung geschrieben, auf die Denunciation bonapartistischer Spitzel hin verhaftet und saß siebzehn Tage in Mazas in der Zelle, die Changarnier bewohnt hatte. Nun begab er sich wieder auf die Wanderung und besuchte England, Schottland und Irland, sich mit Reisebildern bereichernd, die er mündlich wie schriftlich aufs Fesselndste mitzutheilen verstand. Im Jahr 1854 reifte er als Berichterstatter der Kölnischen Zeitung nach dem orientalischen Kriegsschauplätze, zog sich aber dort durch einen Sturz ein Beinleiden zu, von welchem er erst durch eine Operation auf Leben und Tod, die ihn ein volles Jahr ans Krankenlager bannte, zu Paris hergestellt wurde. Während dieser Gefangenschaft schrieb er seine „Erzählungen eines Unsteten“, jene reizenden Bilder, in die er seine Erlebnisse und Abenteuer in Ost und West verflocht. Auf einer großen Reise begriffen, ließ er sich 1860 in Genf durch die glücklichsten häuslichen Bande fesseln und zur Niederlassung bewegen; unter großem Beifall hielt er an der dortigen Akademie Vorlesungen über deutsche Literatur und Geschichte. Nach zwei Jahren jedoch übersiedelte er nach Stuttgart und übernahm die Redaction der „Freya“, einer vielversprechenden Zeitschrift. Daneben erfaßte er den Gedanken, eine deutsche Revue herauszugeben, um die er die besten Kräfte der Nation versammeln wollte; ein Unternehmen, wozu er wie kaum ein Anderer der Mann gewesen wäre. Das-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:58:35Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:58:35Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Hartmann, Moritz: Das Schloß im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [221]–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_gebirge_1910/6>, abgerufen am 28.04.2024.