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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Zweites Buch. §. 137.
desselben bemächtigenden Gegenpartei, dafern nicht etwa Rechte der
Neutralen hiebei verletzt werden, auf deren Darstellung weiterhin
zu kommen ist. Das Prisenrecht beginnt mit dem Ausbruch der
Feindseligkeiten, sogar gegen solche Schiffe, die hiervon noch nicht
unterrichtet sein konnten. 1 Jede kriegführende Seemacht übt es
nicht allein durch die von ihr selbst unmittelbar zum Seekriege
ausgerüsteten Schiffe, sondern sie überläßt die Ausübung auch an
Corsaren oder s. g. Privatcaper (Armateurs), denen sie zu ihrer
Legitimation Caper- oder Markebriefe ausfertigt. 2 Keine Nation
hat zur Zeit darauf ganz verzichtet. 3

Diese für den kleinen Seekrieg bestimmten patentirten Seeräu-
ber werden als Theil der bewaffneten Macht angesehen. Sie ste-
hen unter den Befehlen der Admiralität, bei welcher sie auch eine
Caution für die gehörige Beobachtung und Erfüllung ihrer Oblie-
genheiten stellen müssen; 4 sie werden nach Kriegsgebrauch auch
vom Feinde behandelt, so lange sie sich selbst darnach verhalten.

Das Recht zur Ausfertigung gebührt indessen nur den wirk-
lich kriegführenden Hauptparteien. Eine Auxiliarmacht hat das
Recht nicht, so lange sie ihren Character als bloße Hilfspartei be-
haupten will; eben so können Privatschiffe, die blos zur Verthei-
digung armirt sind, nur unter Autorisation ihrer Staatsgewalt mit-
telst s. g. lettres de commission Seebeute machen; 5 sonst gehört
das etwa bei glücklicher Vertheidigung eroberte feindliche Schiffs-
gut dem Fiscus des Staates. Auffallender Weise können übri-
gens nicht allein die eigenen Unterthanen eines Kriegsherrn, son-
dern auch fremde Unterthanen neutraler Staaten, dem Gebrauche
gemäß, und sofern keine Verträge mit einer kriegführenden Macht

1 So ist wenigstens die neuere Britische Praxis nicht verlegen gewesen zu
verfahren. Vgl. v. Steck, über Handelsvertr. S. 171. Nau, Völkerseer. §. 257.
Wheaton, intern. L. IV, 1, §. 10. 11. Faber, N. Europ. Staatscanz-
lei VI, 426.
2 Ueber die Geschichte der Caperei s. das classische Werk von Martens.
Franklins Meinung über dieselbe: in Wheaton histoire p. 233.
3 Preußen und die Nordamericanischen Freistaaten hatten dieses gegenseitig im
Handelsvertrage von 1785. Art. 23. gethan. Die neueren Verträge beider
Staaten von 1799. und 1828. schweigen davon. Nau, im Völkerseerecht
§. 279. (1802.) citirt auch noch den damals neuesten Vertrag Großbritan-
niens und Rußlands. Allein die Verträge dieser Mächte von 1801. enthal-
ten nur eine Modification der Caperbefugnisse.
4 Martens a. a. O. §. 12.
5 Ebendas. §. 12.

Zweites Buch. §. 137.
deſſelben bemächtigenden Gegenpartei, dafern nicht etwa Rechte der
Neutralen hiebei verletzt werden, auf deren Darſtellung weiterhin
zu kommen iſt. Das Priſenrecht beginnt mit dem Ausbruch der
Feindſeligkeiten, ſogar gegen ſolche Schiffe, die hiervon noch nicht
unterrichtet ſein konnten. 1 Jede kriegführende Seemacht übt es
nicht allein durch die von ihr ſelbſt unmittelbar zum Seekriege
ausgerüſteten Schiffe, ſondern ſie überläßt die Ausübung auch an
Corſaren oder ſ. g. Privatcaper (Armateurs), denen ſie zu ihrer
Legitimation Caper- oder Markebriefe ausfertigt. 2 Keine Nation
hat zur Zeit darauf ganz verzichtet. 3

Dieſe für den kleinen Seekrieg beſtimmten patentirten Seeräu-
ber werden als Theil der bewaffneten Macht angeſehen. Sie ſte-
hen unter den Befehlen der Admiralität, bei welcher ſie auch eine
Caution für die gehörige Beobachtung und Erfüllung ihrer Oblie-
genheiten ſtellen müſſen; 4 ſie werden nach Kriegsgebrauch auch
vom Feinde behandelt, ſo lange ſie ſich ſelbſt darnach verhalten.

Das Recht zur Ausfertigung gebührt indeſſen nur den wirk-
lich kriegführenden Hauptparteien. Eine Auxiliarmacht hat das
Recht nicht, ſo lange ſie ihren Character als bloße Hilfspartei be-
haupten will; eben ſo können Privatſchiffe, die blos zur Verthei-
digung armirt ſind, nur unter Autoriſation ihrer Staatsgewalt mit-
telſt ſ. g. lettres de commission Seebeute machen; 5 ſonſt gehört
das etwa bei glücklicher Vertheidigung eroberte feindliche Schiffs-
gut dem Fiscus des Staates. Auffallender Weiſe können übri-
gens nicht allein die eigenen Unterthanen eines Kriegsherrn, ſon-
dern auch fremde Unterthanen neutraler Staaten, dem Gebrauche
gemäß, und ſofern keine Verträge mit einer kriegführenden Macht

1 So iſt wenigſtens die neuere Britiſche Praxis nicht verlegen geweſen zu
verfahren. Vgl. v. Steck, über Handelsvertr. S. 171. Nau, Völkerſeer. §. 257.
Wheaton, intern. L. IV, 1, §. 10. 11. Faber, N. Europ. Staatscanz-
lei VI, 426.
2 Ueber die Geſchichte der Caperei ſ. das claſſiſche Werk von Martens.
Franklins Meinung über dieſelbe: in Wheaton histoire p. 233.
3 Preußen und die Nordamericaniſchen Freiſtaaten hatten dieſes gegenſeitig im
Handelsvertrage von 1785. Art. 23. gethan. Die neueren Verträge beider
Staaten von 1799. und 1828. ſchweigen davon. Nau, im Völkerſeerecht
§. 279. (1802.) citirt auch noch den damals neueſten Vertrag Großbritan-
niens und Rußlands. Allein die Verträge dieſer Mächte von 1801. enthal-
ten nur eine Modification der Caperbefugniſſe.
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[232/0256] Zweites Buch. §. 137. deſſelben bemächtigenden Gegenpartei, dafern nicht etwa Rechte der Neutralen hiebei verletzt werden, auf deren Darſtellung weiterhin zu kommen iſt. Das Priſenrecht beginnt mit dem Ausbruch der Feindſeligkeiten, ſogar gegen ſolche Schiffe, die hiervon noch nicht unterrichtet ſein konnten. 1 Jede kriegführende Seemacht übt es nicht allein durch die von ihr ſelbſt unmittelbar zum Seekriege ausgerüſteten Schiffe, ſondern ſie überläßt die Ausübung auch an Corſaren oder ſ. g. Privatcaper (Armateurs), denen ſie zu ihrer Legitimation Caper- oder Markebriefe ausfertigt. 2 Keine Nation hat zur Zeit darauf ganz verzichtet. 3 Dieſe für den kleinen Seekrieg beſtimmten patentirten Seeräu- ber werden als Theil der bewaffneten Macht angeſehen. Sie ſte- hen unter den Befehlen der Admiralität, bei welcher ſie auch eine Caution für die gehörige Beobachtung und Erfüllung ihrer Oblie- genheiten ſtellen müſſen; 4 ſie werden nach Kriegsgebrauch auch vom Feinde behandelt, ſo lange ſie ſich ſelbſt darnach verhalten. Das Recht zur Ausfertigung gebührt indeſſen nur den wirk- lich kriegführenden Hauptparteien. Eine Auxiliarmacht hat das Recht nicht, ſo lange ſie ihren Character als bloße Hilfspartei be- haupten will; eben ſo können Privatſchiffe, die blos zur Verthei- digung armirt ſind, nur unter Autoriſation ihrer Staatsgewalt mit- telſt ſ. g. lettres de commission Seebeute machen; 5 ſonſt gehört das etwa bei glücklicher Vertheidigung eroberte feindliche Schiffs- gut dem Fiscus des Staates. Auffallender Weiſe können übri- gens nicht allein die eigenen Unterthanen eines Kriegsherrn, ſon- dern auch fremde Unterthanen neutraler Staaten, dem Gebrauche gemäß, und ſofern keine Verträge mit einer kriegführenden Macht 1 So iſt wenigſtens die neuere Britiſche Praxis nicht verlegen geweſen zu verfahren. Vgl. v. Steck, über Handelsvertr. S. 171. Nau, Völkerſeer. §. 257. Wheaton, intern. L. IV, 1, §. 10. 11. Faber, N. Europ. Staatscanz- lei VI, 426. 2 Ueber die Geſchichte der Caperei ſ. das claſſiſche Werk von Martens. Franklins Meinung über dieſelbe: in Wheaton histoire p. 233. 3 Preußen und die Nordamericaniſchen Freiſtaaten hatten dieſes gegenſeitig im Handelsvertrage von 1785. Art. 23. gethan. Die neueren Verträge beider Staaten von 1799. und 1828. ſchweigen davon. Nau, im Völkerſeerecht §. 279. (1802.) citirt auch noch den damals neueſten Vertrag Großbritan- niens und Rußlands. Allein die Verträge dieſer Mächte von 1801. enthal- ten nur eine Modification der Caperbefugniſſe. 4 Martens a. a. O. §. 12. 5 Ebendaſ. §. 12.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/256>, abgerufen am 29.04.2024.