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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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§. 138. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens.
entgegenstehen, als Caper angenommen werden. Außer dem Kriegs-
recht stehen nur, den Piraten gleich,

diejenigen, welche auf eigene Hand ohne Legitimation Cape-
rei treiben, so wie
diejenigen, welche von den gegenüber stehenden Kriegsherrn
Caperbriefe annehmen. 1 --

Von selbst versteht sich endlich, daß Seebeute auch durch Land-
truppen, z. B. durch Eroberung eines Hafenplatzes gemacht wer-
den kann, wobei dann die Beschränkungen auf die Grundsätze der
Landbeute nicht Statt finden. 2

138. Hinsichtlich des Zeitpunctes, wo die Seebeute als ge-
macht anzusehen ist, richtete man sich vormals nach demselben
Grundsatz des Römischen Rechts, der bereits oben als entschei-
dend bei der Landbeute angezeigt ward. Noch der Consolato del
Mar ist im Art. 287 ff. darauf gegründet. Späterhin erst wurde
durch Landesgesetze und Verträge vielfach eine vierundzwanzigstün-
dige Besitzdauer als maaßgebend angenommen, und das Recht des
Eroberers so wie die Möglichkeit einer postliminischen Wiedererobe-
rung für den Eigenthümer davon abhängig gemacht. 3 Jedoch ist
auch dieses noch zur Zeit kein gemeines Völkerrecht geworden. 4
Außerdem besteht die Einrichtung, 5 daß der Nehmer des Schiffes
sich bei einem competenten Prisengericht über die Rechtmäßigkeit
der gemachten Prise ausweisen und den Eigenthumserwerb daselbst
bestätigen lassen muß, obgleich solcher nicht erst hierdurch bewirkt
werden soll. Und nicht bloß Caper, sondern auch selbst Schiffe
der Staatsmarine sind diesen Förmlichkeiten unterworfen; 6 so
wie andererseits den Capern in neuerer Zeit gewöhnlich das Recht

1 Martens §. 14. Ob man sie nicht von mehreren Alliirten zugleich an-
nehmen dürfe? bezweifelt Derselbe a. a. O. mit Valin. Der Feind kann
daraus freilich wohl keine Beschwerde herleiten. Eher die Neutralen.
2 Vgl. Martens §. 34.
3 S. vorzüglich Martens von §. 55. an.
4 So hat noch das Allg. L. R. für die Preuß. Staaten a. a. O. §. 208.
verordnet: "Güter und Schiffe, welche von Capern weggenommen werden,
sind erst für verloren anzusehen, wenn dieselben in einem feindlichen oder
neutralen Hafen aufgebracht worden."
5 Diese Institution hat sich besonders in Frankreich seit Carls VI. Ordon-
nanz von 1400 entwickelt. Vgl. Valin zur Ord. v. 1681. III, 9, 1.
6 Vgl. Valin z. Ordonn. II, S. 309.

§. 138. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
entgegenſtehen, als Caper angenommen werden. Außer dem Kriegs-
recht ſtehen nur, den Piraten gleich,

diejenigen, welche auf eigene Hand ohne Legitimation Cape-
rei treiben, ſo wie
diejenigen, welche von den gegenüber ſtehenden Kriegsherrn
Caperbriefe annehmen. 1

Von ſelbſt verſteht ſich endlich, daß Seebeute auch durch Land-
truppen, z. B. durch Eroberung eines Hafenplatzes gemacht wer-
den kann, wobei dann die Beſchränkungen auf die Grundſätze der
Landbeute nicht Statt finden. 2

138. Hinſichtlich des Zeitpunctes, wo die Seebeute als ge-
macht anzuſehen iſt, richtete man ſich vormals nach demſelben
Grundſatz des Römiſchen Rechts, der bereits oben als entſchei-
dend bei der Landbeute angezeigt ward. Noch der Conſolato del
Mar iſt im Art. 287 ff. darauf gegründet. Späterhin erſt wurde
durch Landesgeſetze und Verträge vielfach eine vierundzwanzigſtün-
dige Beſitzdauer als maaßgebend angenommen, und das Recht des
Eroberers ſo wie die Möglichkeit einer poſtliminiſchen Wiedererobe-
rung für den Eigenthümer davon abhängig gemacht. 3 Jedoch iſt
auch dieſes noch zur Zeit kein gemeines Völkerrecht geworden. 4
Außerdem beſteht die Einrichtung, 5 daß der Nehmer des Schiffes
ſich bei einem competenten Priſengericht über die Rechtmäßigkeit
der gemachten Priſe ausweiſen und den Eigenthumserwerb daſelbſt
beſtätigen laſſen muß, obgleich ſolcher nicht erſt hierdurch bewirkt
werden ſoll. Und nicht bloß Caper, ſondern auch ſelbſt Schiffe
der Staatsmarine ſind dieſen Förmlichkeiten unterworfen; 6 ſo
wie andererſeits den Capern in neuerer Zeit gewöhnlich das Recht

1 Martens §. 14. Ob man ſie nicht von mehreren Alliirten zugleich an-
nehmen dürfe? bezweifelt Derſelbe a. a. O. mit Valin. Der Feind kann
daraus freilich wohl keine Beſchwerde herleiten. Eher die Neutralen.
2 Vgl. Martens §. 34.
3 S. vorzüglich Martens von §. 55. an.
4 So hat noch das Allg. L. R. für die Preuß. Staaten a. a. O. §. 208.
verordnet: „Güter und Schiffe, welche von Capern weggenommen werden,
ſind erſt für verloren anzuſehen, wenn dieſelben in einem feindlichen oder
neutralen Hafen aufgebracht worden.“
5 Dieſe Inſtitution hat ſich beſonders in Frankreich ſeit Carls VI. Ordon-
nanz von 1400 entwickelt. Vgl. Valin zur Ord. v. 1681. III, 9, 1.
6 Vgl. Valin z. Ordonn. II, S. 309.
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[233/0257] §. 138. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. entgegenſtehen, als Caper angenommen werden. Außer dem Kriegs- recht ſtehen nur, den Piraten gleich, diejenigen, welche auf eigene Hand ohne Legitimation Cape- rei treiben, ſo wie diejenigen, welche von den gegenüber ſtehenden Kriegsherrn Caperbriefe annehmen. 1 — Von ſelbſt verſteht ſich endlich, daß Seebeute auch durch Land- truppen, z. B. durch Eroberung eines Hafenplatzes gemacht wer- den kann, wobei dann die Beſchränkungen auf die Grundſätze der Landbeute nicht Statt finden. 2 138. Hinſichtlich des Zeitpunctes, wo die Seebeute als ge- macht anzuſehen iſt, richtete man ſich vormals nach demſelben Grundſatz des Römiſchen Rechts, der bereits oben als entſchei- dend bei der Landbeute angezeigt ward. Noch der Conſolato del Mar iſt im Art. 287 ff. darauf gegründet. Späterhin erſt wurde durch Landesgeſetze und Verträge vielfach eine vierundzwanzigſtün- dige Beſitzdauer als maaßgebend angenommen, und das Recht des Eroberers ſo wie die Möglichkeit einer poſtliminiſchen Wiedererobe- rung für den Eigenthümer davon abhängig gemacht. 3 Jedoch iſt auch dieſes noch zur Zeit kein gemeines Völkerrecht geworden. 4 Außerdem beſteht die Einrichtung, 5 daß der Nehmer des Schiffes ſich bei einem competenten Priſengericht über die Rechtmäßigkeit der gemachten Priſe ausweiſen und den Eigenthumserwerb daſelbſt beſtätigen laſſen muß, obgleich ſolcher nicht erſt hierdurch bewirkt werden ſoll. Und nicht bloß Caper, ſondern auch ſelbſt Schiffe der Staatsmarine ſind dieſen Förmlichkeiten unterworfen; 6 ſo wie andererſeits den Capern in neuerer Zeit gewöhnlich das Recht 1 Martens §. 14. Ob man ſie nicht von mehreren Alliirten zugleich an- nehmen dürfe? bezweifelt Derſelbe a. a. O. mit Valin. Der Feind kann daraus freilich wohl keine Beſchwerde herleiten. Eher die Neutralen. 2 Vgl. Martens §. 34. 3 S. vorzüglich Martens von §. 55. an. 4 So hat noch das Allg. L. R. für die Preuß. Staaten a. a. O. §. 208. verordnet: „Güter und Schiffe, welche von Capern weggenommen werden, ſind erſt für verloren anzuſehen, wenn dieſelben in einem feindlichen oder neutralen Hafen aufgebracht worden.“ 5 Dieſe Inſtitution hat ſich beſonders in Frankreich ſeit Carls VI. Ordon- nanz von 1400 entwickelt. Vgl. Valin zur Ord. v. 1681. III, 9, 1. 6 Vgl. Valin z. Ordonn. II, S. 309.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/257>, abgerufen am 15.05.2024.