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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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Haus aus einer der Ihrigen, ich sey ein Ab¬
trünniger, ein Ueberläufer, der die heiligsten
Bande zerrissen, ich sey jetzt sogar ein Spion,
der heimlich auskundschafte, was sie, die Nar¬
ren, zusammentreiben, um sie nachher dem Ge¬
lächter seiner neuen Genossen Preis zu geben,
und ich sey so dumm, nicht mal einzusehen, daß
diese zu gleicher Zeit über mich selbst lachen und
mich nimmermehr für ihres Gleichen halten --
Und da haben die Narren vollkommen Recht.

Es ist wahr, jene halten mich nicht für
ihres Gleichen und mir gilt oft ihr heimliches
Gekicher. Ich weiß es sehr gut, aber ich laß
mir nichts merken. Mein Herz blutet dann
innerlich, und wenn ich allein bin, fließen drob
meine Thränen. Ich weiß es sehr gut, meine
Stellung ist unnatürlich; alles, was ich thue,
ist den Vernünftigen eine Thorheit und den
Narren ein Gräuel. Sie hassen mich und ich
fühle die Wahrheit des Spruches: "Stein ist

Haus aus einer der Ihrigen, ich ſey ein Ab¬
truͤnniger, ein Ueberlaͤufer, der die heiligſten
Bande zerriſſen, ich ſey jetzt ſogar ein Spion,
der heimlich auskundſchafte, was ſie, die Nar¬
ren, zuſammentreiben, um ſie nachher dem Ge¬
laͤchter ſeiner neuen Genoſſen Preis zu geben,
und ich ſey ſo dumm, nicht mal einzuſehen, daß
dieſe zu gleicher Zeit uͤber mich ſelbſt lachen und
mich nimmermehr fuͤr ihres Gleichen halten —
Und da haben die Narren vollkommen Recht.

Es iſt wahr, jene halten mich nicht fuͤr
ihres Gleichen und mir gilt oft ihr heimliches
Gekicher. Ich weiß es ſehr gut, aber ich laß
mir nichts merken. Mein Herz blutet dann
innerlich, und wenn ich allein bin, fließen drob
meine Thraͤnen. Ich weiß es ſehr gut, meine
Stellung iſt unnatuͤrlich; alles, was ich thue,
iſt den Vernuͤnftigen eine Thorheit und den
Narren ein Graͤuel. Sie haſſen mich und ich
fuͤhle die Wahrheit des Spruches: „Stein iſt

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[267/0275] Haus aus einer der Ihrigen, ich ſey ein Ab¬ truͤnniger, ein Ueberlaͤufer, der die heiligſten Bande zerriſſen, ich ſey jetzt ſogar ein Spion, der heimlich auskundſchafte, was ſie, die Nar¬ ren, zuſammentreiben, um ſie nachher dem Ge¬ laͤchter ſeiner neuen Genoſſen Preis zu geben, und ich ſey ſo dumm, nicht mal einzuſehen, daß dieſe zu gleicher Zeit uͤber mich ſelbſt lachen und mich nimmermehr fuͤr ihres Gleichen halten — Und da haben die Narren vollkommen Recht. Es iſt wahr, jene halten mich nicht fuͤr ihres Gleichen und mir gilt oft ihr heimliches Gekicher. Ich weiß es ſehr gut, aber ich laß mir nichts merken. Mein Herz blutet dann innerlich, und wenn ich allein bin, fließen drob meine Thraͤnen. Ich weiß es ſehr gut, meine Stellung iſt unnatuͤrlich; alles, was ich thue, iſt den Vernuͤnftigen eine Thorheit und den Narren ein Graͤuel. Sie haſſen mich und ich fuͤhle die Wahrheit des Spruches: „Stein iſt

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/275>, abgerufen am 26.04.2024.