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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

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kriegte; denn wenn er auch in dem Personal
dieser Aristokratie einige Veränderungen vorzu¬
nehmen beabsichtigte, so hätte er doch den grö߬
ten Theil derselben und ihr eigentliches Princip
erhalten, er würde diese Aristokratie regenerirt
haben, statt daß sie jetzt darnieder liegt durch
Alterschwäche, Blutverlust und Ermüdung von
ihrem letzten, gewiß allerletzten Sieg.

Lieber Leser! wir wollen uns hier ein für
allemal verständigen. Ich preise nie die That,
sondern nur den menschlichen Geist, die That ist
nur dessen Gewand, und die Geschichte ist nichts
anders als die alte Garderobe des menschlichen
Geistes. Doch die Liebe liebt zuweilen alte Röcke,
und so liebe ich den Mantel von Marengo.

"Wir sind auf dem Schlachtfelde von Ma¬
rengo." Wie lachte mein Herz, als der Postillon
diese Worte sprach! Ich war in Gesellschaft

kriegte; denn wenn er auch in dem Perſonal
dieſer Ariſtokratie einige Veraͤnderungen vorzu¬
nehmen beabſichtigte, ſo haͤtte er doch den groͤ߬
ten Theil derſelben und ihr eigentliches Princip
erhalten, er wuͤrde dieſe Ariſtokratie regenerirt
haben, ſtatt daß ſie jetzt darnieder liegt durch
Alterſchwaͤche, Blutverluſt und Ermuͤdung von
ihrem letzten, gewiß allerletzten Sieg.

Lieber Leſer! wir wollen uns hier ein fuͤr
allemal verſtaͤndigen. Ich preiſe nie die That,
ſondern nur den menſchlichen Geiſt, die That iſt
nur deſſen Gewand, und die Geſchichte iſt nichts
anders als die alte Garderobe des menſchlichen
Geiſtes. Doch die Liebe liebt zuweilen alte Roͤcke,
und ſo liebe ich den Mantel von Marengo.

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rengo.“ Wie lachte mein Herz, als der Poſtillon
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[176/0184] kriegte; denn wenn er auch in dem Perſonal dieſer Ariſtokratie einige Veraͤnderungen vorzu¬ nehmen beabſichtigte, ſo haͤtte er doch den groͤ߬ ten Theil derſelben und ihr eigentliches Princip erhalten, er wuͤrde dieſe Ariſtokratie regenerirt haben, ſtatt daß ſie jetzt darnieder liegt durch Alterſchwaͤche, Blutverluſt und Ermuͤdung von ihrem letzten, gewiß allerletzten Sieg. Lieber Leſer! wir wollen uns hier ein fuͤr allemal verſtaͤndigen. Ich preiſe nie die That, ſondern nur den menſchlichen Geiſt, die That iſt nur deſſen Gewand, und die Geſchichte iſt nichts anders als die alte Garderobe des menſchlichen Geiſtes. Doch die Liebe liebt zuweilen alte Roͤcke, und ſo liebe ich den Mantel von Marengo. „Wir ſind auf dem Schlachtfelde von Ma¬ rengo.“ Wie lachte mein Herz, als der Poſtillon dieſe Worte ſprach! Ich war in Geſellſchaft

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/184>, abgerufen am 28.04.2024.