Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Während der Markese diese Worte mit war¬
mem Gefühl deklamirte, und der glatte Mist ihm
gleichsam auf der Zunge schmolz, schnitt Hyazinth
die widersprechendsten Gesichter, zugleich verdrie߬
lich und beyfällig, und endlich sprach er:

Herr Markese, Sie sprechen wie ein Buch,
auch die Verse gehen Ihnen wieder so leicht ab
wie diese Nacht, aber ihr Inhalt will mir nicht
gefallen. Als Mann fühle ich mich geschmeichelt,
daß der Graf Platen uns den Vorzug giebt vor
den Weibern, und als Freund von den Weibern
bin ich wieder ein Gegner von solch einem Manne.
So ist der Mensch! Der Eine ißt gern Zwiebeln, der
Andere hat mehr Gefühl für warme Freundschaft,
und ich, als ehrlicher Mann, muß aufrichtig gestehen,
ich esse gern Zwiebeln, und eine schiefe Köchin ist
mir lieber als der schönste Schönheitsfreund.
Ja, ich muß gestehen, ich sehe nicht so viel
Schönes am männlichen Geschlecht, daß man sich
darin verlieben sollte.

Waͤhrend der Markeſe dieſe Worte mit war¬
mem Gefuͤhl deklamirte, und der glatte Miſt ihm
gleichſam auf der Zunge ſchmolz, ſchnitt Hyazinth
die widerſprechendſten Geſichter, zugleich verdrie߬
lich und beyfaͤllig, und endlich ſprach er:

Herr Markeſe, Sie ſprechen wie ein Buch,
auch die Verſe gehen Ihnen wieder ſo leicht ab
wie dieſe Nacht, aber ihr Inhalt will mir nicht
gefallen. Als Mann fuͤhle ich mich geſchmeichelt,
daß der Graf Platen uns den Vorzug giebt vor
den Weibern, und als Freund von den Weibern
bin ich wieder ein Gegner von ſolch einem Manne.
So iſt der Menſch! Der Eine ißt gern Zwiebeln, der
Andere hat mehr Gefuͤhl fuͤr warme Freundſchaft,
und ich, als ehrlicher Mann, muß aufrichtig geſtehen,
ich eſſe gern Zwiebeln, und eine ſchiefe Koͤchin iſt
mir lieber als der ſchoͤnſte Schoͤnheitsfreund.
Ja, ich muß geſtehen, ich ſehe nicht ſo viel
Schoͤnes am maͤnnlichen Geſchlecht, daß man ſich
darin verlieben ſollte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0354" n="346"/>
          <p>Wa&#x0364;hrend der Marke&#x017F;e die&#x017F;e Worte mit war¬<lb/>
mem Gefu&#x0364;hl deklamirte, und der glatte Mi&#x017F;t ihm<lb/>
gleich&#x017F;am auf der Zunge &#x017F;chmolz, &#x017F;chnitt Hyazinth<lb/>
die wider&#x017F;prechend&#x017F;ten Ge&#x017F;ichter, zugleich verdrie߬<lb/>
lich und beyfa&#x0364;llig, und endlich &#x017F;prach er:</p><lb/>
          <p>Herr Marke&#x017F;e, Sie &#x017F;prechen wie ein Buch,<lb/>
auch die Ver&#x017F;e gehen Ihnen wieder &#x017F;o leicht ab<lb/>
wie die&#x017F;e Nacht, aber ihr Inhalt will mir nicht<lb/>
gefallen. Als Mann fu&#x0364;hle ich mich ge&#x017F;chmeichelt,<lb/>
daß der Graf Platen uns den Vorzug giebt vor<lb/>
den Weibern, und als Freund von den Weibern<lb/>
bin ich wieder ein Gegner von &#x017F;olch einem Manne.<lb/>
So i&#x017F;t der Men&#x017F;ch! Der Eine ißt gern Zwiebeln, der<lb/>
Andere hat mehr Gefu&#x0364;hl fu&#x0364;r warme Freund&#x017F;chaft,<lb/>
und ich, als ehrlicher Mann, muß aufrichtig ge&#x017F;tehen,<lb/>
ich e&#x017F;&#x017F;e gern Zwiebeln, und eine &#x017F;chiefe Ko&#x0364;chin i&#x017F;t<lb/>
mir lieber als der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Scho&#x0364;nheitsfreund.<lb/>
Ja, ich muß ge&#x017F;tehen, ich &#x017F;ehe nicht &#x017F;o viel<lb/>
Scho&#x0364;nes am ma&#x0364;nnlichen Ge&#x017F;chlecht, daß man &#x017F;ich<lb/>
darin verlieben &#x017F;ollte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0354] Waͤhrend der Markeſe dieſe Worte mit war¬ mem Gefuͤhl deklamirte, und der glatte Miſt ihm gleichſam auf der Zunge ſchmolz, ſchnitt Hyazinth die widerſprechendſten Geſichter, zugleich verdrie߬ lich und beyfaͤllig, und endlich ſprach er: Herr Markeſe, Sie ſprechen wie ein Buch, auch die Verſe gehen Ihnen wieder ſo leicht ab wie dieſe Nacht, aber ihr Inhalt will mir nicht gefallen. Als Mann fuͤhle ich mich geſchmeichelt, daß der Graf Platen uns den Vorzug giebt vor den Weibern, und als Freund von den Weibern bin ich wieder ein Gegner von ſolch einem Manne. So iſt der Menſch! Der Eine ißt gern Zwiebeln, der Andere hat mehr Gefuͤhl fuͤr warme Freundſchaft, und ich, als ehrlicher Mann, muß aufrichtig geſtehen, ich eſſe gern Zwiebeln, und eine ſchiefe Koͤchin iſt mir lieber als der ſchoͤnſte Schoͤnheitsfreund. Ja, ich muß geſtehen, ich ſehe nicht ſo viel Schoͤnes am maͤnnlichen Geſchlecht, daß man ſich darin verlieben ſollte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/354
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/354>, abgerufen am 14.05.2024.