Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben vergiftet, ja, als ein Vampyr des Mittel¬
alters, den Völkern das Blut und das Licht aus
den Herzen saugt. Dem Schlamme des Nil-
Thals entstiegen nicht bloß die Krokodille, die so
gut weinen können, sondern auch jene Priester,
die es noch besser verstehen, und jener privilegirt
erbliche Kriegerstand, der in Mordgier und Ge¬
fräßigkeit die Krokodille noch übertrifft.

Zwey tiefsinnige Männer, deutscher Nazion,
entdeckten den heilsamsten Gegenzauber wider die
schlimmste aller egyptischen Plagen, und durch
schwarze Kunst -- durch die Buchdruckerey und
das Pulver -- brachen sie die Gewalt jener geist¬
lichen und weltlichen Hierarchie, die sich aus einer
Verbündung des Priesterthums und der Krieger¬
kaste, nämlich der sogenannten katholischen Kirche
und des Feudaladels, gebildet hatte, und die ganz
Europa weltlich und geistlich knechtete. Die Dru¬

Leben vergiftet, ja, als ein Vampyr des Mittel¬
alters, den Voͤlkern das Blut und das Licht aus
den Herzen ſaugt. Dem Schlamme des Nil-
Thals entſtiegen nicht bloß die Krokodille, die ſo
gut weinen koͤnnen, ſondern auch jene Prieſter,
die es noch beſſer verſtehen, und jener privilegirt
erbliche Kriegerſtand, der in Mordgier und Ge¬
fraͤßigkeit die Krokodille noch uͤbertrifft.

Zwey tiefſinnige Maͤnner, deutſcher Nazion,
entdeckten den heilſamſten Gegenzauber wider die
ſchlimmſte aller egyptiſchen Plagen, und durch
ſchwarze Kunſt — durch die Buchdruckerey und
das Pulver — brachen ſie die Gewalt jener geiſt¬
lichen und weltlichen Hierarchie, die ſich aus einer
Verbuͤndung des Prieſterthums und der Krieger¬
kaſte, naͤmlich der ſogenannten katholiſchen Kirche
und des Feudaladels, gebildet hatte, und die ganz
Europa weltlich und geiſtlich knechtete. Die Dru¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0312" n="298"/>
Leben vergiftet, ja, als ein Vampyr des Mittel¬<lb/>
alters, den Vo&#x0364;lkern das Blut und das Licht aus<lb/>
den Herzen &#x017F;augt. Dem Schlamme des Nil-<lb/>
Thals ent&#x017F;tiegen nicht bloß die Krokodille, die &#x017F;o<lb/>
gut weinen ko&#x0364;nnen, &#x017F;ondern auch jene Prie&#x017F;ter,<lb/>
die es noch be&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;tehen, und jener privilegirt<lb/>
erbliche Krieger&#x017F;tand, der in Mordgier und Ge¬<lb/>
fra&#x0364;ßigkeit die Krokodille noch u&#x0364;bertrifft.</p><lb/>
          <p>Zwey tief&#x017F;innige Ma&#x0364;nner, deut&#x017F;cher Nazion,<lb/>
entdeckten den heil&#x017F;am&#x017F;ten Gegenzauber wider die<lb/>
&#x017F;chlimm&#x017F;te aller egypti&#x017F;chen Plagen, und durch<lb/>
&#x017F;chwarze Kun&#x017F;t &#x2014; durch die Buchdruckerey und<lb/>
das Pulver &#x2014; brachen &#x017F;ie die Gewalt jener gei&#x017F;<lb/>
lichen und weltlichen Hierarchie, die &#x017F;ich aus einer<lb/>
Verbu&#x0364;ndung des Prie&#x017F;terthums und der Krieger¬<lb/>
ka&#x017F;te, na&#x0364;mlich der &#x017F;ogenannten katholi&#x017F;chen Kirche<lb/>
und des Feudaladels, gebildet hatte, und die ganz<lb/>
Europa weltlich und gei&#x017F;tlich knechtete. Die Dru¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0312] Leben vergiftet, ja, als ein Vampyr des Mittel¬ alters, den Voͤlkern das Blut und das Licht aus den Herzen ſaugt. Dem Schlamme des Nil- Thals entſtiegen nicht bloß die Krokodille, die ſo gut weinen koͤnnen, ſondern auch jene Prieſter, die es noch beſſer verſtehen, und jener privilegirt erbliche Kriegerſtand, der in Mordgier und Ge¬ fraͤßigkeit die Krokodille noch uͤbertrifft. Zwey tiefſinnige Maͤnner, deutſcher Nazion, entdeckten den heilſamſten Gegenzauber wider die ſchlimmſte aller egyptiſchen Plagen, und durch ſchwarze Kunſt — durch die Buchdruckerey und das Pulver — brachen ſie die Gewalt jener geiſt¬ lichen und weltlichen Hierarchie, die ſich aus einer Verbuͤndung des Prieſterthums und der Krieger¬ kaſte, naͤmlich der ſogenannten katholiſchen Kirche und des Feudaladels, gebildet hatte, und die ganz Europa weltlich und geiſtlich knechtete. Die Dru¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/312
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/312>, abgerufen am 02.05.2024.