Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

niß. Der Einsame sucht gesellschaftliche Unterhaltung, und
lange an Einem Platze zu bleiben ist peinlich wegen der
Einförmigkeit der Umgebung, wenn nicht für Hülfsmittel
gesorgt ist, um den Geist in Bewegung zu erhalten. Bleibt
dies Bedürfniß lange unbefriedigt, so schwindet allmählig
das menschliche Leben auf die gleich zu bemerkenden periodi-
schen Abwechselungen zusammen. Umgekehrt steigert sich das
Bedürfniß durch Befriedigung. Die, welche die Geschichte
machen (wie Napoleon), finden deshalb immer Menschen
genug, die zu ihrem Dienste bereit sind, weil sie nicht ru-
hen können. Auch hinter dem Ofen klagt man über leere
Zeitungen.

129. Vermöge der Einrichtung des menschlichen Lei-
bes halten Hunger und Sättigung, Wachen und Schlaf,
alle Tage ihren bekannten Umlauf; und die Jahreszeiten
kommen hinzu, mit der Mannigfaltigkeit von Befriedigun-
gen und von Vermehrungen der körperlichen Bedürfnisse.
Wieviel Anspannung und Abspannung, wieviel Ueberlegen,
Beschließen, Handeln und. Ruhen daraus weiter folgt, ist
hier nicht nöthig zu entwickeln.

Anmerkung. Von der merkwürdigen Nebenbestim-
mung des Schlafs, durch die Träume, wird bequemer un-
ten, bey den anomalischen Zuständen, etwas gesagt werden.

130. Das irdische Leben im Ganzen genommen hat
seine Perioden des Wachsthums, der vollen Stärke und der
Abnahme.

Das Kind, aus psychologischen Gründen rastlos be-
wegt, wenn es gesund ist, treibt sich umher in einfachen,
kunstlosen Phantasien und Spielen; unaufgelegt, zusammen-
hängend zu denken, aber höchst empfänglich für alles Neue.
Dabei vermag es nicht, sich aus augenblicklichen Gefühlen
hervorzuarbeiten. Der Knabe, noch im hohen Grade weich,
kann gleichwohl durch die Erziehung, ohne Vorschnelligkeit,

niß. Der Einsame sucht gesellschaftliche Unterhaltung, und
lange an Einem Platze zu bleiben ist peinlich wegen der
Einförmigkeit der Umgebung, wenn nicht für Hülfsmittel
gesorgt ist, um den Geist in Bewegung zu erhalten. Bleibt
dies Bedürfniß lange unbefriedigt, so schwindet allmählig
das menschliche Leben auf die gleich zu bemerkenden periodi-
schen Abwechselungen zusammen. Umgekehrt steigert sich das
Bedürfniß durch Befriedigung. Die, welche die Geschichte
machen (wie Napoleon), finden deshalb immer Menschen
genug, die zu ihrem Dienste bereit sind, weil sie nicht ru-
hen können. Auch hinter dem Ofen klagt man über leere
Zeitungen.

129. Vermöge der Einrichtung des menschlichen Lei-
bes halten Hunger und Sättigung, Wachen und Schlaf,
alle Tage ihren bekannten Umlauf; und die Jahreszeiten
kommen hinzu, mit der Mannigfaltigkeit von Befriedigun-
gen und von Vermehrungen der körperlichen Bedürfnisse.
Wieviel Anspannung und Abspannung, wieviel Ueberlegen,
Beschließen, Handeln und. Ruhen daraus weiter folgt, ist
hier nicht nöthig zu entwickeln.

Anmerkung. Von der merkwürdigen Nebenbestim-
mung des Schlafs, durch die Träume, wird bequemer un-
ten, bey den anomalischen Zuständen, etwas gesagt werden.

130. Das irdische Leben im Ganzen genommen hat
seine Perioden des Wachsthums, der vollen Stärke und der
Abnahme.

Das Kind, aus psychologischen Gründen rastlos be-
wegt, wenn es gesund ist, treibt sich umher in einfachen,
kunstlosen Phantasien und Spielen; unaufgelegt, zusammen-
hängend zu denken, aber höchst empfänglich für alles Neue.
Dabei vermag es nicht, sich aus augenblicklichen Gefühlen
hervorzuarbeiten. Der Knabe, noch im hohen Grade weich,
kann gleichwohl durch die Erziehung, ohne Vorschnelligkeit,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0109" n="101"/>
niß. Der Einsame sucht gesellschaftliche Unterhaltung, und<lb/>
lange an Einem Platze zu bleiben ist peinlich wegen der<lb/>
Einförmigkeit der
               Umgebung, wenn nicht für Hülfsmittel<lb/>
gesorgt ist, um den Geist in Bewegung zu
               erhalten. Bleibt<lb/>
dies Bedürfniß lange unbefriedigt, so schwindet allmählig<lb/>
das menschliche Leben auf die gleich zu bemerkenden periodi-<lb/>
schen Abwechselungen
               zusammen. Umgekehrt steigert sich das<lb/>
Bedürfniß durch Befriedigung. Die, welche
               die Geschichte<lb/>
machen (wie Napoleon), finden deshalb immer Menschen<lb/>
genug,
               die zu ihrem Dienste bereit sind, weil sie nicht ru-<lb/>
hen können. Auch hinter dem
               Ofen klagt man über leere<lb/>
Zeitungen.</p><lb/>
            <p>129. Vermöge der Einrichtung des menschlichen Lei-<lb/>
bes halten Hunger und
               Sättigung, Wachen und Schlaf,<lb/>
alle Tage ihren bekannten Umlauf; und die
               Jahreszeiten<lb/>
kommen hinzu, mit der Mannigfaltigkeit von Befriedigun-<lb/>
gen
               und von Vermehrungen der körperlichen Bedürfnisse.<lb/>
Wieviel Anspannung und
               Abspannung, wieviel Ueberlegen,<lb/>
Beschließen, Handeln und. Ruhen daraus weiter
               folgt, ist<lb/>
hier nicht nöthig zu entwickeln.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>. Von der merkwürdigen Nebenbestim-<lb/>
mung des
               Schlafs, durch die Träume, wird bequemer un-<lb/>
ten, bey den anomalischen Zuständen,
               etwas gesagt werden.</p><lb/>
            <p>130. Das irdische Leben im Ganzen genommen hat<lb/>
seine Perioden des Wachsthums,
               der vollen Stärke und der<lb/>
Abnahme.</p><lb/>
            <p>Das Kind, aus psychologischen Gründen rastlos be-<lb/>
wegt, wenn es gesund ist,
               treibt sich umher in einfachen,<lb/>
kunstlosen Phantasien und Spielen; unaufgelegt,
               zusammen-<lb/>
hängend zu denken, aber höchst empfänglich für alles Neue.<lb/>
Dabei
               vermag es nicht, sich aus augenblicklichen Gefühlen<lb/>
hervorzuarbeiten. Der Knabe,
               noch im hohen Grade weich,<lb/>
kann gleichwohl durch die Erziehung, ohne
               Vorschnelligkeit,
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0109] niß. Der Einsame sucht gesellschaftliche Unterhaltung, und lange an Einem Platze zu bleiben ist peinlich wegen der Einförmigkeit der Umgebung, wenn nicht für Hülfsmittel gesorgt ist, um den Geist in Bewegung zu erhalten. Bleibt dies Bedürfniß lange unbefriedigt, so schwindet allmählig das menschliche Leben auf die gleich zu bemerkenden periodi- schen Abwechselungen zusammen. Umgekehrt steigert sich das Bedürfniß durch Befriedigung. Die, welche die Geschichte machen (wie Napoleon), finden deshalb immer Menschen genug, die zu ihrem Dienste bereit sind, weil sie nicht ru- hen können. Auch hinter dem Ofen klagt man über leere Zeitungen. 129. Vermöge der Einrichtung des menschlichen Lei- bes halten Hunger und Sättigung, Wachen und Schlaf, alle Tage ihren bekannten Umlauf; und die Jahreszeiten kommen hinzu, mit der Mannigfaltigkeit von Befriedigun- gen und von Vermehrungen der körperlichen Bedürfnisse. Wieviel Anspannung und Abspannung, wieviel Ueberlegen, Beschließen, Handeln und. Ruhen daraus weiter folgt, ist hier nicht nöthig zu entwickeln. Anmerkung. Von der merkwürdigen Nebenbestim- mung des Schlafs, durch die Träume, wird bequemer un- ten, bey den anomalischen Zuständen, etwas gesagt werden. 130. Das irdische Leben im Ganzen genommen hat seine Perioden des Wachsthums, der vollen Stärke und der Abnahme. Das Kind, aus psychologischen Gründen rastlos be- wegt, wenn es gesund ist, treibt sich umher in einfachen, kunstlosen Phantasien und Spielen; unaufgelegt, zusammen- hängend zu denken, aber höchst empfänglich für alles Neue. Dabei vermag es nicht, sich aus augenblicklichen Gefühlen hervorzuarbeiten. Der Knabe, noch im hohen Grade weich, kann gleichwohl durch die Erziehung, ohne Vorschnelligkeit,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-05T12:13:38Z)
Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-05T12:13:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Hannah Sophia Glaum: Umwandlung in DTABf-konformes Markup. (2013-07-05T12:13:38Z)
Stefanie Seim: Nachkorrekturen. (2013-07-05T12:13:38Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/109
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/109>, abgerufen am 26.04.2024.