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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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rung; ihr Unterricht und ihre Spiele und Tänze.
Die Griechen sangen von ihren Argonauten, von
Herkules und Bacchus, von Helden und Troja-
bezwingern: und die Celten von den Vätern ihrer
Stämme, von Fingal und Oßian! unter Perua-
nern und Nordamerikanern, auf den Caraibischen
und Marianischen Jnseln herrscht noch dieser Ur-
sprung der Stammessprache in den Liedern ihrer
Stämme und Väter, so wie fast in allen Theilen
der Welt Vater und Mutter ähnliche Namen
haben. Nur läßt sich auch eben hier anmerken,
warum unter so manchen Völkern, von denen wir
Beispiele angeführt, das männliche und weibli-
che
Geschlecht fast zwo verschiedene Sprachen ha-
ben, nemlich weil beide nach den Sitten der Na-
tion, als das edle und unedle Geschlecht, fast zwei
ganz abgetrennte Völker ausmachen, die nicht
einmal zusammenspeisen. Nachdem nun die Er-
ziehung Väterlich oder Mütterlich war: so mußte
auch die Sprache Vater- oder Muttersprache
werden, so wie nach der Sitte der Römer es gar
lingua vernacula wurde.

Drit-

rung; ihr Unterricht und ihre Spiele und Taͤnze.
Die Griechen ſangen von ihren Argonauten, von
Herkules und Bacchus, von Helden und Troja-
bezwingern: und die Celten von den Vaͤtern ihrer
Staͤmme, von Fingal und Oßian! unter Perua-
nern und Nordamerikanern, auf den Caraibiſchen
und Marianiſchen Jnſeln herrſcht noch dieſer Ur-
ſprung der Stammesſprache in den Liedern ihrer
Staͤmme und Vaͤter, ſo wie faſt in allen Theilen
der Welt Vater und Mutter aͤhnliche Namen
haben. Nur laͤßt ſich auch eben hier anmerken,
warum unter ſo manchen Voͤlkern, von denen wir
Beiſpiele angefuͤhrt, das maͤnnliche und weibli-
che
Geſchlecht faſt zwo verſchiedene Sprachen ha-
ben, nemlich weil beide nach den Sitten der Na-
tion, als das edle und unedle Geſchlecht, faſt zwei
ganz abgetrennte Voͤlker ausmachen, die nicht
einmal zuſammenſpeiſen. Nachdem nun die Er-
ziehung Vaͤterlich oder Muͤtterlich war: ſo mußte
auch die Sprache Vater- oder Mutterſprache
werden, ſo wie nach der Sitte der Roͤmer es gar
lingua vernacula wurde.

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[186/0192] rung; ihr Unterricht und ihre Spiele und Taͤnze. Die Griechen ſangen von ihren Argonauten, von Herkules und Bacchus, von Helden und Troja- bezwingern: und die Celten von den Vaͤtern ihrer Staͤmme, von Fingal und Oßian! unter Perua- nern und Nordamerikanern, auf den Caraibiſchen und Marianiſchen Jnſeln herrſcht noch dieſer Ur- ſprung der Stammesſprache in den Liedern ihrer Staͤmme und Vaͤter, ſo wie faſt in allen Theilen der Welt Vater und Mutter aͤhnliche Namen haben. Nur laͤßt ſich auch eben hier anmerken, warum unter ſo manchen Voͤlkern, von denen wir Beiſpiele angefuͤhrt, das maͤnnliche und weibli- che Geſchlecht faſt zwo verſchiedene Sprachen ha- ben, nemlich weil beide nach den Sitten der Na- tion, als das edle und unedle Geſchlecht, faſt zwei ganz abgetrennte Voͤlker ausmachen, die nicht einmal zuſammenſpeiſen. Nachdem nun die Er- ziehung Vaͤterlich oder Muͤtterlich war: ſo mußte auch die Sprache Vater- oder Mutterſprache werden, ſo wie nach der Sitte der Roͤmer es gar lingua vernacula wurde. Drit-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/192>, abgerufen am 27.04.2024.