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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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bil ist, das von jeher in der Schöpfung gewirket: so mußte
nothwendig die Behandlung derselben auch der erste kritische
Scheidepunkt in der Geschichte unsres Geschlechts werden.
Allenthalben war das Weib der erste Zankapfel der Begier-
den und seiner Natur nach gleichsam der erste brüchige Stein
im Gebäude der Menschenschöpfung -- --

Lasset uns z. B. Cook auf seiner letzten Reise begleiten.
Wenn auf den Societäts- und andern Jnseln das weibliche
Geschlecht dem Dienst der Cythere eigen zu seyn schien so daß
es sich nicht nur selbst um einen Nagel, einen Putz, eine Feder
Preisgab: sondern auch der Mann um einen kleinen Besitz,
der ihn lüstete, sein Weib zu verhandeln, bereit war: so än-
dert sich mit dem Klima und dem Charakter andrer Jnsulaner
offenbar die Scene. Unter Völkern, wo der Mann mit der
Streitaxt erschien, war auch das Weib verborgner im Hause:
die rauhere Sitte jenes machte auch diese härter, daß weder
ihre Häßlichkeit noch ihre Schönheit den Augen der Welt
blos lag. An keinem Umstande, glaube ich, läßt sich der ei-
gentliche Charakter eines Mannes oder einer Nation so unter-
scheidend erkennen, als an der Behandlung des Weibes. Die
meisten Völker, denen ihre Lebensart schwer wird, haben das
weibliche Geschlecht zu Hausthieren erniedrigt und ihm alle
Beschwerlichkeiten der Hütte aufgetragen: durch Eine Ge-

fahr-

bil iſt, das von jeher in der Schoͤpfung gewirket: ſo mußte
nothwendig die Behandlung derſelben auch der erſte kritiſche
Scheidepunkt in der Geſchichte unſres Geſchlechts werden.
Allenthalben war das Weib der erſte Zankapfel der Begier-
den und ſeiner Natur nach gleichſam der erſte bruͤchige Stein
im Gebaͤude der Menſchenſchoͤpfung — —

Laſſet uns z. B. Cook auf ſeiner letzten Reiſe begleiten.
Wenn auf den Societaͤts- und andern Jnſeln das weibliche
Geſchlecht dem Dienſt der Cythere eigen zu ſeyn ſchien ſo daß
es ſich nicht nur ſelbſt um einen Nagel, einen Putz, eine Feder
Preisgab: ſondern auch der Mann um einen kleinen Beſitz,
der ihn luͤſtete, ſein Weib zu verhandeln, bereit war: ſo aͤn-
dert ſich mit dem Klima und dem Charakter andrer Jnſulaner
offenbar die Scene. Unter Voͤlkern, wo der Mann mit der
Streitaxt erſchien, war auch das Weib verborgner im Hauſe:
die rauhere Sitte jenes machte auch dieſe haͤrter, daß weder
ihre Haͤßlichkeit noch ihre Schoͤnheit den Augen der Welt
blos lag. An keinem Umſtande, glaube ich, laͤßt ſich der ei-
gentliche Charakter eines Mannes oder einer Nation ſo unter-
ſcheidend erkennen, als an der Behandlung des Weibes. Die
meiſten Voͤlker, denen ihre Lebensart ſchwer wird, haben das
weibliche Geſchlecht zu Hausthieren erniedrigt und ihm alle
Beſchwerlichkeiten der Huͤtte aufgetragen: durch Eine Ge-

fahr-
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[180/0192] bil iſt, das von jeher in der Schoͤpfung gewirket: ſo mußte nothwendig die Behandlung derſelben auch der erſte kritiſche Scheidepunkt in der Geſchichte unſres Geſchlechts werden. Allenthalben war das Weib der erſte Zankapfel der Begier- den und ſeiner Natur nach gleichſam der erſte bruͤchige Stein im Gebaͤude der Menſchenſchoͤpfung — — Laſſet uns z. B. Cook auf ſeiner letzten Reiſe begleiten. Wenn auf den Societaͤts- und andern Jnſeln das weibliche Geſchlecht dem Dienſt der Cythere eigen zu ſeyn ſchien ſo daß es ſich nicht nur ſelbſt um einen Nagel, einen Putz, eine Feder Preisgab: ſondern auch der Mann um einen kleinen Beſitz, der ihn luͤſtete, ſein Weib zu verhandeln, bereit war: ſo aͤn- dert ſich mit dem Klima und dem Charakter andrer Jnſulaner offenbar die Scene. Unter Voͤlkern, wo der Mann mit der Streitaxt erſchien, war auch das Weib verborgner im Hauſe: die rauhere Sitte jenes machte auch dieſe haͤrter, daß weder ihre Haͤßlichkeit noch ihre Schoͤnheit den Augen der Welt blos lag. An keinem Umſtande, glaube ich, laͤßt ſich der ei- gentliche Charakter eines Mannes oder einer Nation ſo unter- ſcheidend erkennen, als an der Behandlung des Weibes. Die meiſten Voͤlker, denen ihre Lebensart ſchwer wird, haben das weibliche Geſchlecht zu Hausthieren erniedrigt und ihm alle Beſchwerlichkeiten der Huͤtte aufgetragen: durch Eine Ge- fahr-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/192>, abgerufen am 28.04.2024.