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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797.

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der Schwäbischen Kaiser für Deutschland
entscheiden. Sie entschied so, daß nach
dem Tode des letzten Kreuzziehenden Kai-
sers Friedrich II. das Deutsche Reich drei
und zwanzig Jahre lang öffentlich ausge-
boten ward, und fast niemand eine so
drückende Krone annehmen wollte.

Wie oft zog auch in den folgenden Zei-
ten Frankreichs trügender Glanz die Deut-
schen an sich, um sie angenehm zu vergol-
den! Wer will uns eine Geschichte der
Fürsten, Prinzen, Grafen und Ritter ge-
ben, die Jahrhunderte hinab in Frankreich
Bildung, Fortkommen, Ehre suchten, und
getäuscht zurückkamen? *) Die Universi-

*) "Die den Deutschen ohnehin seit langer
Zeit eigene Nachahmungssucht erhielt unge-
meine Nahrung durch das immer mehr zur
Gewohnheit werdende Reisen. Man wird
kaum die Lebensbeschreibung eines etwas be-

der Schwaͤbiſchen Kaiſer fuͤr Deutſchland
entſcheiden. Sie entſchied ſo, daß nach
dem Tode des letzten Kreuzziehenden Kai-
ſers Friedrich II. das Deutſche Reich drei
und zwanzig Jahre lang oͤffentlich ausge-
boten ward, und faſt niemand eine ſo
druͤckende Krone annehmen wollte.

Wie oft zog auch in den folgenden Zei-
ten Frankreichs truͤgender Glanz die Deut-
ſchen an ſich, um ſie angenehm zu vergol-
den! Wer will uns eine Geſchichte der
Fuͤrſten, Prinzen, Grafen und Ritter ge-
ben, die Jahrhunderte hinab in Frankreich
Bildung, Fortkommen, Ehre ſuchten, und
getaͤuſcht zuruͤckkamen? *) Die Univerſi-

*) „Die den Deutſchen ohnehin ſeit langer
Zeit eigene Nachahmungsſucht erhielt unge-
meine Nahrung durch das immer mehr zur
Gewohnheit werdende Reiſen. Man wird
kaum die Lebensbeſchreibung eines etwas be-
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[24/0031] der Schwaͤbiſchen Kaiſer fuͤr Deutſchland entſcheiden. Sie entſchied ſo, daß nach dem Tode des letzten Kreuzziehenden Kai- ſers Friedrich II. das Deutſche Reich drei und zwanzig Jahre lang oͤffentlich ausge- boten ward, und faſt niemand eine ſo druͤckende Krone annehmen wollte. Wie oft zog auch in den folgenden Zei- ten Frankreichs truͤgender Glanz die Deut- ſchen an ſich, um ſie angenehm zu vergol- den! Wer will uns eine Geſchichte der Fuͤrſten, Prinzen, Grafen und Ritter ge- ben, die Jahrhunderte hinab in Frankreich Bildung, Fortkommen, Ehre ſuchten, und getaͤuſcht zuruͤckkamen? *) Die Univerſi- *) „Die den Deutſchen ohnehin ſeit langer Zeit eigene Nachahmungsſucht erhielt unge- meine Nahrung durch das immer mehr zur Gewohnheit werdende Reiſen. Man wird kaum die Lebensbeſchreibung eines etwas be-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 9. Riga, 1797, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet09_1797/31>, abgerufen am 26.04.2024.