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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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sezzen (traiicere), Uebersezzer (translateur)
und Uebersezzer (Bootsknecht) sind ja him-
melweit verschieden. Zu dem Hebräischen
Schin fehlt uns gar das Zeichen, weil ich
Geschmack als ein Fremder immer eher Ges-
chmack
lesen werde. Der Mangel an
punctis diaereticis macht auch insonderheit
fremde Namen verwirrt; und überhaupt kann
man den Mangel unsrer Zeichenschrift am
besten aus Reise- und Erdbeschreibungen
sehen, wenn die Namen fremder Sprachen
in unsern Buchstaben sich kaum mehr erken-
nen. -- Soll unser Hexameter ausstehlich
werden; so muß er Accente haben, und der
erste Dichter, der sich die Mühe geben wird,
wahre Hexameter zu machen, wird sich auch
der Accente nicht schämen, weil er sie vor
allen am wenigsten braucht. Sollte unsre
Sprache sterben; Himmel! wie schlecht wür-
de man sie aus Büchern lernen; um sie aus-
zubilden, stelle man sie sich todt vor; man
nutze die Provinzialismen, um sie zu bestimmen.

"Bei der Verbindung der Begriffe komme
"es hauptsächlich an: 1) ob man sie durch bloße
"Abänderung des Ausdrucks für eine jede

"Jdee;
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ſezzen (traiicere), Ueberſézzer (translateur)
und Uéberſezzer (Bootsknecht) ſind ja him-
melweit verſchieden. Zu dem Hebraͤiſchen
Schin fehlt uns gar das Zeichen, weil ich
Geſchmack als ein Fremder immer eher Geſ-
chmack
leſen werde. Der Mangel an
punctis diaereticis macht auch inſonderheit
fremde Namen verwirrt; und uͤberhaupt kann
man den Mangel unſrer Zeichenſchrift am
beſten aus Reiſe- und Erdbeſchreibungen
ſehen, wenn die Namen fremder Sprachen
in unſern Buchſtaben ſich kaum mehr erken-
nen. — Soll unſer Hexameter ausſtehlich
werden; ſo muß er Accente haben, und der
erſte Dichter, der ſich die Muͤhe geben wird,
wahre Hexameter zu machen, wird ſich auch
der Accente nicht ſchaͤmen, weil er ſie vor
allen am wenigſten braucht. Sollte unſre
Sprache ſterben; Himmel! wie ſchlecht wuͤr-
de man ſie aus Buͤchern lernen; um ſie aus-
zubilden, ſtelle man ſie ſich todt vor; man
nutze die Provinzialismen, um ſie zu beſtimmen.

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„es hauptſaͤchlich an: 1) ob man ſie durch bloße
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[167/0171] ſezzen (traiicere), Ueberſézzer (translateur) und Uéberſezzer (Bootsknecht) ſind ja him- melweit verſchieden. Zu dem Hebraͤiſchen Schin fehlt uns gar das Zeichen, weil ich Geſchmack als ein Fremder immer eher Geſ- chmack leſen werde. Der Mangel an punctis diaereticis macht auch inſonderheit fremde Namen verwirrt; und uͤberhaupt kann man den Mangel unſrer Zeichenſchrift am beſten aus Reiſe- und Erdbeſchreibungen ſehen, wenn die Namen fremder Sprachen in unſern Buchſtaben ſich kaum mehr erken- nen. — Soll unſer Hexameter ausſtehlich werden; ſo muß er Accente haben, und der erſte Dichter, der ſich die Muͤhe geben wird, wahre Hexameter zu machen, wird ſich auch der Accente nicht ſchaͤmen, weil er ſie vor allen am wenigſten braucht. Sollte unſre Sprache ſterben; Himmel! wie ſchlecht wuͤr- de man ſie aus Buͤchern lernen; um ſie aus- zubilden, ſtelle man ſie ſich todt vor; man nutze die Provinzialismen, um ſie zu beſtimmen. „Bei der Verbindung der Begriffe komme „es hauptſaͤchlich an: 1) ob man ſie durch bloße „Abaͤnderung des Ausdrucks fuͤr eine jede „Jdee; L 4

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/171>, abgerufen am 30.04.2024.