Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

"als in gewissen andern Dingen nachahmen
"wollten."*

Wo ist aber noch ein Deutscher Winkel-
mann,
der uns den Tempel der Griechischen
Weisheit und Dichtkunst so eröfne, als er den
Künstlern das Geheimniß der Griechen von
ferne gezeigt? Ein Winkelmann in Ab-
sicht auf die Kunst konnte blos in Rom auf-
blühen; aber ein Winkelmann in Absicht
der Dichter kann in Deutschland auch her-
vortreten, mit seinem Römischen Vorgänger
einen großen Weg zusammen thun.

Diese Geschichte der Griechischen Dicht-
kunst und Weisheit, zwei Schwestern, die
nie bei ihnen getrennt gewesen, soll den Ur-
sprung, das Wachsthum, die Veränderun-
gen und den Fall derselben nebst dem ver-
schiedenen Stil der Gegenden, Zeiten und
Dichter lehren, und dieses aus den übrig
gebliebnen Werken des Alterthums durch
Proben und Zeugnisse beweisen. Sie sei
keine bloße Erzählung der Zeitfolge, und
der Veränderungen in derselben, sondern
das Wort Geschichte behalte seine weitere

Grie-
* p. 16.

„als in gewiſſen andern Dingen nachahmen
„wollten.„*

Wo iſt aber noch ein Deutſcher Winkel-
mann,
der uns den Tempel der Griechiſchen
Weisheit und Dichtkunſt ſo eroͤfne, als er den
Kuͤnſtlern das Geheimniß der Griechen von
ferne gezeigt? Ein Winkelmann in Ab-
ſicht auf die Kunſt konnte blos in Rom auf-
bluͤhen; aber ein Winkelmann in Abſicht
der Dichter kann in Deutſchland auch her-
vortreten, mit ſeinem Roͤmiſchen Vorgaͤnger
einen großen Weg zuſammen thun.

Dieſe Geſchichte der Griechiſchen Dicht-
kunſt und Weisheit, zwei Schweſtern, die
nie bei ihnen getrennt geweſen, ſoll den Ur-
ſprung, das Wachsthum, die Veraͤnderun-
gen und den Fall derſelben nebſt dem ver-
ſchiedenen Stil der Gegenden, Zeiten und
Dichter lehren, und dieſes aus den uͤbrig
gebliebnen Werken des Alterthums durch
Proben und Zeugniſſe beweiſen. Sie ſei
keine bloße Erzaͤhlung der Zeitfolge, und
der Veraͤnderungen in derſelben, ſondern
das Wort Geſchichte behalte ſeine weitere

Grie-
* p. 16.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0105" n="273"/>
&#x201E;als in gewi&#x017F;&#x017F;en andern Dingen nachahmen<lb/>
&#x201E;wollten.&#x201E;<note place="foot" n="*">p. 16.</note></p><lb/>
          <p>Wo i&#x017F;t aber noch ein Deut&#x017F;cher <hi rendition="#fr">Winkel-<lb/>
mann,</hi> der uns den Tempel der Griechi&#x017F;chen<lb/>
Weisheit und Dichtkun&#x017F;t &#x017F;o ero&#x0364;fne, als er den<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tlern das Geheimniß der Griechen von<lb/>
ferne gezeigt? Ein <hi rendition="#fr">Winkelmann</hi> in Ab-<lb/>
&#x017F;icht auf die <hi rendition="#fr">Kun&#x017F;t</hi> konnte blos in Rom auf-<lb/>
blu&#x0364;hen; aber ein <hi rendition="#fr">Winkelmann</hi> in Ab&#x017F;icht<lb/>
der Dichter kann in Deut&#x017F;chland auch her-<lb/>
vortreten, mit &#x017F;einem Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Vorga&#x0364;nger<lb/>
einen großen Weg zu&#x017F;ammen thun.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;chichte</hi> der Griechi&#x017F;chen Dicht-<lb/>
kun&#x017F;t und Weisheit, zwei Schwe&#x017F;tern, die<lb/>
nie bei ihnen getrennt gewe&#x017F;en, &#x017F;oll den Ur-<lb/>
&#x017F;prung, das Wachsthum, die Vera&#x0364;nderun-<lb/>
gen und den Fall der&#x017F;elben neb&#x017F;t dem ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Stil der <hi rendition="#fr">Gegenden, Zeiten</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Dichter</hi> lehren, und die&#x017F;es aus den u&#x0364;brig<lb/>
gebliebnen Werken des Alterthums durch<lb/>
Proben und Zeugni&#x017F;&#x017F;e bewei&#x017F;en. Sie &#x017F;ei<lb/>
keine bloße Erza&#x0364;hlung der Zeitfolge, und<lb/>
der Vera&#x0364;nderungen in der&#x017F;elben, &#x017F;ondern<lb/>
das Wort <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;chichte</hi> behalte &#x017F;eine weitere<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Grie-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0105] „als in gewiſſen andern Dingen nachahmen „wollten.„ * Wo iſt aber noch ein Deutſcher Winkel- mann, der uns den Tempel der Griechiſchen Weisheit und Dichtkunſt ſo eroͤfne, als er den Kuͤnſtlern das Geheimniß der Griechen von ferne gezeigt? Ein Winkelmann in Ab- ſicht auf die Kunſt konnte blos in Rom auf- bluͤhen; aber ein Winkelmann in Abſicht der Dichter kann in Deutſchland auch her- vortreten, mit ſeinem Roͤmiſchen Vorgaͤnger einen großen Weg zuſammen thun. Dieſe Geſchichte der Griechiſchen Dicht- kunſt und Weisheit, zwei Schweſtern, die nie bei ihnen getrennt geweſen, ſoll den Ur- ſprung, das Wachsthum, die Veraͤnderun- gen und den Fall derſelben nebſt dem ver- ſchiedenen Stil der Gegenden, Zeiten und Dichter lehren, und dieſes aus den uͤbrig gebliebnen Werken des Alterthums durch Proben und Zeugniſſe beweiſen. Sie ſei keine bloße Erzaͤhlung der Zeitfolge, und der Veraͤnderungen in derſelben, ſondern das Wort Geſchichte behalte ſeine weitere Grie- * p. 16.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/105
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/105>, abgerufen am 27.04.2024.