Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

wie es ihm vom Präceptor diktirt worden ist?
-- Und nun endlich die beste und geistigste
Anmerkung wider die windichten, eitlen, jun-
gen Menschen, die ihrem Mädchen zu gut Ge-
dichte herausgeben -- wobei freilich der Be-
weis mangelt, daß der Verfasser der Dithy-
ramben so ein windichter, eitler, junger Mensch
sey, der eine Strafpredigt über sein Mädchen 6
Seiten lang anhören muß. Womit kann es der
Recens. beweisen, daß Pindar in seinen verlohr-
nen Hyporchematen und Dithyramben in einem
ernsthaften Philosophischen Ton trunken gera-
set? Wie mag ein Compliment lassen, das man
nicht aus freiem Willen, sondern aus Muß
im Vorbeigehen macht? Und wie viel nimmt
der Recensent für ein Collegium, darinn er
zeigt, wie man Pindars ganze Manier zu
malen bis auf seinen Adler lernen soll, da-
mit unser Deutscher Horaz auch für den Di-
thyrambisten eine Ode weihen müste? --
Meine Parenthese wird lang; aber dem Re-
censenten würde die Antwort auf meine Fragen
noch länger seyn, die ich auch, "aus einer mir
"angebohrnen Lebhaftigkeit, thue; nicht als
"Kritiken, sondern als eine kleine Hülfe, mich

"selbst
U 5

wie es ihm vom Praͤceptor diktirt worden iſt?
— Und nun endlich die beſte und geiſtigſte
Anmerkung wider die windichten, eitlen, jun-
gen Menſchen, die ihrem Maͤdchen zu gut Ge-
dichte herausgeben — wobei freilich der Be-
weis mangelt, daß der Verfaſſer der Dithy-
ramben ſo ein windichter, eitler, junger Menſch
ſey, der eine Strafpredigt uͤber ſein Maͤdchen 6
Seiten lang anhoͤren muß. Womit kann es der
Recenſ. beweiſen, daß Pindar in ſeinen verlohr-
nen Hyporchematen und Dithyramben in einem
ernſthaften Philoſophiſchen Ton trunken gera-
ſet? Wie mag ein Compliment laſſen, das man
nicht aus freiem Willen, ſondern aus Muß
im Vorbeigehen macht? Und wie viel nimmt
der Recenſent fuͤr ein Collegium, darinn er
zeigt, wie man Pindars ganze Manier zu
malen bis auf ſeinen Adler lernen ſoll, da-
mit unſer Deutſcher Horaz auch fuͤr den Di-
thyrambiſten eine Ode weihen muͤſte? —
Meine Parentheſe wird lang; aber dem Re-
cenſenten wuͤrde die Antwort auf meine Fragen
noch laͤnger ſeyn, die ich auch, „aus einer mir
„angebohrnen Lebhaftigkeit, thue; nicht als
„Kritiken, ſondern als eine kleine Huͤlfe, mich

„ſelbſt
U 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="301"/>
wie es ihm vom Pra&#x0364;ceptor diktirt worden i&#x017F;t?<lb/>
&#x2014; Und nun endlich die be&#x017F;te und gei&#x017F;tig&#x017F;te<lb/>
Anmerkung wider die windichten, eitlen, jun-<lb/>
gen Men&#x017F;chen, die ihrem Ma&#x0364;dchen zu gut Ge-<lb/>
dichte herausgeben &#x2014; wobei freilich der Be-<lb/>
weis mangelt, daß der Verfa&#x017F;&#x017F;er der Dithy-<lb/>
ramben &#x017F;o ein windichter, eitler, junger Men&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;ey, der eine Strafpredigt u&#x0364;ber &#x017F;ein Ma&#x0364;dchen 6<lb/>
Seiten lang anho&#x0364;ren muß. Womit kann es der<lb/>
Recen&#x017F;. bewei&#x017F;en, daß Pindar in &#x017F;einen verlohr-<lb/>
nen Hyporchematen und Dithyramben in einem<lb/>
ern&#x017F;thaften Philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Ton trunken gera-<lb/>
&#x017F;et? Wie mag ein Compliment la&#x017F;&#x017F;en, das man<lb/>
nicht aus freiem Willen, &#x017F;ondern aus Muß<lb/>
im Vorbeigehen macht? Und wie viel nimmt<lb/>
der Recen&#x017F;ent fu&#x0364;r ein Collegium, darinn er<lb/>
zeigt, wie man Pindars ganze Manier zu<lb/>
malen bis auf &#x017F;einen Adler lernen &#x017F;oll, da-<lb/>
mit un&#x017F;er Deut&#x017F;cher Horaz auch fu&#x0364;r den Di-<lb/>
thyrambi&#x017F;ten eine Ode weihen mu&#x0364;&#x017F;te? &#x2014;<lb/>
Meine Parenthe&#x017F;e wird lang; aber dem Re-<lb/>
cen&#x017F;enten wu&#x0364;rde die Antwort auf meine Fragen<lb/>
noch la&#x0364;nger &#x017F;eyn, die ich auch, &#x201E;aus einer mir<lb/>
&#x201E;angebohrnen Lebhaftigkeit, thue; nicht als<lb/>
&#x201E;Kritiken, &#x017F;ondern als eine kleine Hu&#x0364;lfe, mich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x201E;&#x017F;elb&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[301/0133] wie es ihm vom Praͤceptor diktirt worden iſt? — Und nun endlich die beſte und geiſtigſte Anmerkung wider die windichten, eitlen, jun- gen Menſchen, die ihrem Maͤdchen zu gut Ge- dichte herausgeben — wobei freilich der Be- weis mangelt, daß der Verfaſſer der Dithy- ramben ſo ein windichter, eitler, junger Menſch ſey, der eine Strafpredigt uͤber ſein Maͤdchen 6 Seiten lang anhoͤren muß. Womit kann es der Recenſ. beweiſen, daß Pindar in ſeinen verlohr- nen Hyporchematen und Dithyramben in einem ernſthaften Philoſophiſchen Ton trunken gera- ſet? Wie mag ein Compliment laſſen, das man nicht aus freiem Willen, ſondern aus Muß im Vorbeigehen macht? Und wie viel nimmt der Recenſent fuͤr ein Collegium, darinn er zeigt, wie man Pindars ganze Manier zu malen bis auf ſeinen Adler lernen ſoll, da- mit unſer Deutſcher Horaz auch fuͤr den Di- thyrambiſten eine Ode weihen muͤſte? — Meine Parentheſe wird lang; aber dem Re- cenſenten wuͤrde die Antwort auf meine Fragen noch laͤnger ſeyn, die ich auch, „aus einer mir „angebohrnen Lebhaftigkeit, thue; nicht als „Kritiken, ſondern als eine kleine Huͤlfe, mich „ſelbſt U 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/133
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/133>, abgerufen am 28.04.2024.