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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

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das Blut des Zacharias, Barächiä Sohn) so
kann man sich bei ihren Engeln und Teufeln,
und Schlangen und Ungeheuern oft, wenn
man gleich nicht als Philosoph lesen will,
kaum jener Frage erwehren, die der Cardinal
von Este
an seinen Ariost that: mein lie-
ber Ludwig, wo habt ihr alle das när-
rische Zeug herbekommen?

Möchte man doch bedenken, daß der Ge-
schmack der Völker, und unter einem Vol-
ke der Geschmack der Zeiten sehr genau seinen
Fortgang mit Denkart und Sitten ha-
be: daß also, um sich dem Geschmack seines
Volks zu bequemen, man ihren Wahn und
die Sagen der Vorfahren studiren müsse; und
um auch dem Gott der Zeit ein Opfer zu brin-
gen, man diese und fremde Meinungen nach
der herrschenden Höhe des sinnlichen Verstan-
des passen müsse. Von beiden gebe ich ein
Exempel. Der Romanische Geschmack der
Spanier und Jtaliäner ist ein Zweig von
dem Aberglauben der Morgenländer, den man
ziemlich genau dort aus der Maurischen und
hier aus der Saracenischen Ueberschwem-
mung herleiten kann. Er ward in beiden

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das Blut des Zacharias, Baraͤchiaͤ Sohn) ſo
kann man ſich bei ihren Engeln und Teufeln,
und Schlangen und Ungeheuern oft, wenn
man gleich nicht als Philoſoph leſen will,
kaum jener Frage erwehren, die der Cardinal
von Eſte
an ſeinen Arioſt that: mein lie-
ber Ludwig, wo habt ihr alle das naͤr-
riſche Zeug herbekommen?

Moͤchte man doch bedenken, daß der Ge-
ſchmack der Voͤlker, und unter einem Vol-
ke der Geſchmack der Zeiten ſehr genau ſeinen
Fortgang mit Denkart und Sitten ha-
be: daß alſo, um ſich dem Geſchmack ſeines
Volks zu bequemen, man ihren Wahn und
die Sagen der Vorfahren ſtudiren muͤſſe; und
um auch dem Gott der Zeit ein Opfer zu brin-
gen, man dieſe und fremde Meinungen nach
der herrſchenden Hoͤhe des ſinnlichen Verſtan-
des paſſen muͤſſe. Von beiden gebe ich ein
Exempel. Der Romaniſche Geſchmack der
Spanier und Jtaliaͤner iſt ein Zweig von
dem Aberglauben der Morgenlaͤnder, den man
ziemlich genau dort aus der Mauriſchen und
hier aus der Saraceniſchen Ueberſchwem-
mung herleiten kann. Er ward in beiden

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[221/0053] das Blut des Zacharias, Baraͤchiaͤ Sohn) ſo kann man ſich bei ihren Engeln und Teufeln, und Schlangen und Ungeheuern oft, wenn man gleich nicht als Philoſoph leſen will, kaum jener Frage erwehren, die der Cardinal von Eſte an ſeinen Arioſt that: mein lie- ber Ludwig, wo habt ihr alle das naͤr- riſche Zeug herbekommen? Moͤchte man doch bedenken, daß der Ge- ſchmack der Voͤlker, und unter einem Vol- ke der Geſchmack der Zeiten ſehr genau ſeinen Fortgang mit Denkart und Sitten ha- be: daß alſo, um ſich dem Geſchmack ſeines Volks zu bequemen, man ihren Wahn und die Sagen der Vorfahren ſtudiren muͤſſe; und um auch dem Gott der Zeit ein Opfer zu brin- gen, man dieſe und fremde Meinungen nach der herrſchenden Hoͤhe des ſinnlichen Verſtan- des paſſen muͤſſe. Von beiden gebe ich ein Exempel. Der Romaniſche Geſchmack der Spanier und Jtaliaͤner iſt ein Zweig von dem Aberglauben der Morgenlaͤnder, den man ziemlich genau dort aus der Mauriſchen und hier aus der Saraceniſchen Ueberſchwem- mung herleiten kann. Er ward in beiden Laͤn- P 5

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/53>, abgerufen am 27.04.2024.