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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

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aus den Lateinern zu eröfnen anfing, und
Home es aus seinen Engländern gethan?
Nicht blos die Veränderung und Neuheit des
Gesichtspunktes würde der Aesthetik gewaltig
nüzzen: sondern der Verfasser würde auch,
wenn dies Buch, in welchem die Baumgarten-
sche Aesthetik sehr genüzt werden könnte, auf
Akademien zum Grunde läge, viel zur Um-
bildung des Geschmacks beitragen: es würde
die Lehrbücher verbannen, die die Französi-
sche oder Deutsche Scribenten zu ihren Grund-
faden wählen, durch die sie Anmerkungen
nach der Mode durchschlagen: es würde eine
Liebe zur Philologie einflößen, auf den Grie-
chischen Parnaß völlig aufzuklimmen, an
dessen Fuß man schon so schöne Blumen fin-
det: es würde zu einem Philosophischen Ge-
schmack gewöhnen, der in Lesung der Alten
sehr nüzlich und nothwendig ist.

Eine zweite höhere Stuffe: wenn sich Ue-
bersezzer fänden, die nicht blos ihren Autor
studirten, um den Sinn der Urschrift in unsre
Sprache zu übertragen: sondern auch seinen
"unterscheidenden Ton fänden, die sich in den
"Charakter seiner Schreibart sezzten, und

"uns
S 2

aus den Lateinern zu eroͤfnen anfing, und
Home es aus ſeinen Englaͤndern gethan?
Nicht blos die Veraͤnderung und Neuheit des
Geſichtspunktes wuͤrde der Aeſthetik gewaltig
nuͤzzen: ſondern der Verfaſſer wuͤrde auch,
wenn dies Buch, in welchem die Baumgarten-
ſche Aeſthetik ſehr genuͤzt werden koͤnnte, auf
Akademien zum Grunde laͤge, viel zur Um-
bildung des Geſchmacks beitragen: es wuͤrde
die Lehrbuͤcher verbannen, die die Franzoͤſi-
ſche oder Deutſche Scribenten zu ihren Grund-
faden waͤhlen, durch die ſie Anmerkungen
nach der Mode durchſchlagen: es wuͤrde eine
Liebe zur Philologie einfloͤßen, auf den Grie-
chiſchen Parnaß voͤllig aufzuklimmen, an
deſſen Fuß man ſchon ſo ſchoͤne Blumen fin-
det: es wuͤrde zu einem Philoſophiſchen Ge-
ſchmack gewoͤhnen, der in Leſung der Alten
ſehr nuͤzlich und nothwendig iſt.

Eine zweite hoͤhere Stuffe: wenn ſich Ue-
berſezzer faͤnden, die nicht blos ihren Autor
ſtudirten, um den Sinn der Urſchrift in unſre
Sprache zu uͤbertragen: ſondern auch ſeinen
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[263/0095] aus den Lateinern zu eroͤfnen anfing, und Home es aus ſeinen Englaͤndern gethan? Nicht blos die Veraͤnderung und Neuheit des Geſichtspunktes wuͤrde der Aeſthetik gewaltig nuͤzzen: ſondern der Verfaſſer wuͤrde auch, wenn dies Buch, in welchem die Baumgarten- ſche Aeſthetik ſehr genuͤzt werden koͤnnte, auf Akademien zum Grunde laͤge, viel zur Um- bildung des Geſchmacks beitragen: es wuͤrde die Lehrbuͤcher verbannen, die die Franzoͤſi- ſche oder Deutſche Scribenten zu ihren Grund- faden waͤhlen, durch die ſie Anmerkungen nach der Mode durchſchlagen: es wuͤrde eine Liebe zur Philologie einfloͤßen, auf den Grie- chiſchen Parnaß voͤllig aufzuklimmen, an deſſen Fuß man ſchon ſo ſchoͤne Blumen fin- det: es wuͤrde zu einem Philoſophiſchen Ge- ſchmack gewoͤhnen, der in Leſung der Alten ſehr nuͤzlich und nothwendig iſt. Eine zweite hoͤhere Stuffe: wenn ſich Ue- berſezzer faͤnden, die nicht blos ihren Autor ſtudirten, um den Sinn der Urſchrift in unſre Sprache zu uͤbertragen: ſondern auch ſeinen „unterſcheidenden Ton faͤnden, die ſich in den „Charakter ſeiner Schreibart ſezzten, und „uns S 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/95>, abgerufen am 29.04.2024.