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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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das Haus meines Vaters verlaßen solte.
Mein Vater war einen Sonntag gegen
Abend recht vergnügt, und überhaupt pflegt'
er nach abgelegter Sonntagsarbeit, wie ein
Tagelöhner alle Abend ist, zu seyn. "Das"
sagt' er selbst "hat ein Taglöhner vor mir
"zum Voraus daß er so all Abend ist; allein
"meine Freude ist eine Sabbathsfreude."

Dieser Sonntagsfreude bediente sich mei-
ne Mutter, die ihm um diese Zeit die Ge-
sichtsbewegungen seiner Zuhörer zu erzählen
pflegte, die sie bey dieser oder jener Stelle
seiner Predigt bemerkt hatte.

Was denkst du mein Lieber! fing sie an,
wär' es nicht gut, daß unser Sohn Alexan-
der Einhorn (Alexander sagte mein Vater)
eh' er uns verläßt eine Predigt hielte? Eine
Predigt? sagte mein Vater, und schwieg stille
nicht aber als ob er abbrechen wolte; son-
dern weil er sich nicht so geschwinde auf eine
Antwort besinnen konnte. Da nun meine
Mutter sein Stillschweigen eben so verstand;
klopfte sie zum andernmal an, und balgte
sich mit allen Zweifeln meines Vaters die
ohnedem alle sehr leicht nachgaben, weil er
selbst keine Lust zu zweifeln hatte. Der alte
Herr beging hiebey einen tückischen Streich,

denn

das Haus meines Vaters verlaßen ſolte.
Mein Vater war einen Sonntag gegen
Abend recht vergnuͤgt, und uͤberhaupt pflegt’
er nach abgelegter Sonntagsarbeit, wie ein
Tageloͤhner alle Abend iſt, zu ſeyn. „Das„
ſagt’ er ſelbſt „hat ein Tagloͤhner vor mir
„zum Voraus daß er ſo all Abend iſt; allein
„meine Freude iſt eine Sabbathsfreude.„

Dieſer Sonntagsfreude bediente ſich mei-
ne Mutter, die ihm um dieſe Zeit die Ge-
ſichtsbewegungen ſeiner Zuhoͤrer zu erzaͤhlen
pflegte, die ſie bey dieſer oder jener Stelle
ſeiner Predigt bemerkt hatte.

Was denkſt du mein Lieber! fing ſie an,
waͤr’ es nicht gut, daß unſer Sohn Alexan-
der Einhorn (Alexander ſagte mein Vater)
eh’ er uns verlaͤßt eine Predigt hielte? Eine
Predigt? ſagte mein Vater, und ſchwieg ſtille
nicht aber als ob er abbrechen wolte; ſon-
dern weil er ſich nicht ſo geſchwinde auf eine
Antwort beſinnen konnte. Da nun meine
Mutter ſein Stillſchweigen eben ſo verſtand;
klopfte ſie zum andernmal an, und balgte
ſich mit allen Zweifeln meines Vaters die
ohnedem alle ſehr leicht nachgaben, weil er
ſelbſt keine Luſt zu zweifeln hatte. Der alte
Herr beging hiebey einen tuͤckiſchen Streich,

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[171/0179] das Haus meines Vaters verlaßen ſolte. Mein Vater war einen Sonntag gegen Abend recht vergnuͤgt, und uͤberhaupt pflegt’ er nach abgelegter Sonntagsarbeit, wie ein Tageloͤhner alle Abend iſt, zu ſeyn. „Das„ ſagt’ er ſelbſt „hat ein Tagloͤhner vor mir „zum Voraus daß er ſo all Abend iſt; allein „meine Freude iſt eine Sabbathsfreude.„ Dieſer Sonntagsfreude bediente ſich mei- ne Mutter, die ihm um dieſe Zeit die Ge- ſichtsbewegungen ſeiner Zuhoͤrer zu erzaͤhlen pflegte, die ſie bey dieſer oder jener Stelle ſeiner Predigt bemerkt hatte. Was denkſt du mein Lieber! fing ſie an, waͤr’ es nicht gut, daß unſer Sohn Alexan- der Einhorn (Alexander ſagte mein Vater) eh’ er uns verlaͤßt eine Predigt hielte? Eine Predigt? ſagte mein Vater, und ſchwieg ſtille nicht aber als ob er abbrechen wolte; ſon- dern weil er ſich nicht ſo geſchwinde auf eine Antwort beſinnen konnte. Da nun meine Mutter ſein Stillſchweigen eben ſo verſtand; klopfte ſie zum andernmal an, und balgte ſich mit allen Zweifeln meines Vaters die ohnedem alle ſehr leicht nachgaben, weil er ſelbſt keine Luſt zu zweifeln hatte. Der alte Herr beging hiebey einen tuͤckiſchen Streich, denn

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/179>, abgerufen am 13.05.2024.