Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

denn da ihn meine Mutter über diese Sache
ebenfals zum Vertrauten gemacht hatte;
schlug er ihr den fünften Vers aus dem zehn-
ten Capittel
des zweyten Buchs Samuelis
zum Text vor "Ich wils vertragen Herr
"Cantor Herrmann" sagte sie. Sie hielte
Wort und da man nachschlug fanden sich die
Worte "bleibet zu Jericho bis euch der Bart
"gewachsen ist so kommet dann wider" das
war gewis mehr als eine Schneidernadel!
Dominica III. post Epiphanias ward beschlos-
sen daß ich Dominica Judica meine erste Pre-
dig in unsrer Dorfkirche ablegen oder wie es
meine Mutter in der Sprache ihrer Ahnher-
ren nandte mich hören lassen solte. Ich ent-
warf die Predigt selbst, mein Vater gab das
Imprimatur nachdem er sie befeilet hatte.
Meine Mutter sonderte mir die Lieder aus.
Dieses macht' ihr viele Mühe. Ein Lied
war um einen Vers zu lang, ein andres war
wider um einen zu kurtz, bey manchem war
die Melodie nicht der ersten Predigt ange-
meßen, bey noch einem war noch was an-
ders zu bedencken: Endlich getroffen. Ich
habe den sehr bescheidenen Autorausdruck
befeilen gebraucht, die Wahrheit aber zu ge-
stehen that mein Vater mehr. Ich hatte den

Styl

denn da ihn meine Mutter uͤber dieſe Sache
ebenfals zum Vertrauten gemacht hatte;
ſchlug er ihr den fuͤnften Vers aus dem zehn-
ten Capittel
des zweyten Buchs Samuelis
zum Text vor „Ich wils vertragen Herr
„Cantor Herrmann„ ſagte ſie. Sie hielte
Wort und da man nachſchlug fanden ſich die
Worte „bleibet zu Jericho bis euch der Bart
„gewachſen iſt ſo kommet dann wider„ das
war gewis mehr als eine Schneidernadel!
Dominica III. poſt Epiphanias ward beſchloſ-
ſen daß ich Dominica Judica meine erſte Pre-
dig in unſrer Dorfkirche ablegen oder wie es
meine Mutter in der Sprache ihrer Ahnher-
ren nandte mich hoͤren laſſen ſolte. Ich ent-
warf die Predigt ſelbſt, mein Vater gab das
Imprimatur nachdem er ſie befeilet hatte.
Meine Mutter ſonderte mir die Lieder aus.
Dieſes macht’ ihr viele Muͤhe. Ein Lied
war um einen Vers zu lang, ein andres war
wider um einen zu kurtz, bey manchem war
die Melodie nicht der erſten Predigt ange-
meßen, bey noch einem war noch was an-
ders zu bedencken: Endlich getroffen. Ich
habe den ſehr beſcheidenen Autorausdruck
befeilen gebraucht, die Wahrheit aber zu ge-
ſtehen that mein Vater mehr. Ich hatte den

Styl
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0180" n="172"/>
denn da ihn meine Mutter u&#x0364;ber die&#x017F;e Sache<lb/>
ebenfals zum Vertrauten gemacht hatte;<lb/>
&#x017F;chlug er ihr den <hi rendition="#fr">fu&#x0364;nften</hi> Vers aus dem <hi rendition="#fr">zehn-<lb/>
ten Capittel</hi> des <hi rendition="#fr">zweyten Buchs Samuelis</hi><lb/>
zum Text vor &#x201E;Ich wils vertragen Herr<lb/>
&#x201E;Cantor Herrmann&#x201E; &#x017F;agte &#x017F;ie. Sie hielte<lb/>
Wort und da man nach&#x017F;chlug fanden &#x017F;ich die<lb/>
Worte &#x201E;bleibet zu Jericho bis euch der Bart<lb/>
&#x201E;gewach&#x017F;en i&#x017F;t &#x017F;o kommet dann wider&#x201E; das<lb/>
war gewis mehr als eine Schneidernadel!<lb/><hi rendition="#aq">Dominica III. po&#x017F;t Epiphanias</hi> ward be&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en daß ich <hi rendition="#aq">Dominica Judica</hi> meine er&#x017F;te Pre-<lb/>
dig in un&#x017F;rer Dorfkirche ablegen oder wie es<lb/>
meine Mutter in der Sprache ihrer Ahnher-<lb/>
ren nandte <hi rendition="#fr">mich ho&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte.</hi> Ich ent-<lb/>
warf die Predigt &#x017F;elb&#x017F;t, mein Vater gab das<lb/><hi rendition="#aq">Imprimatur</hi> nachdem er &#x017F;ie befeilet hatte.<lb/>
Meine Mutter &#x017F;onderte mir die Lieder aus.<lb/>
Die&#x017F;es macht&#x2019; ihr viele Mu&#x0364;he. <hi rendition="#fr">Ein</hi> Lied<lb/>
war um einen Vers zu lang, <hi rendition="#fr">ein andres</hi> war<lb/>
wider um einen zu kurtz, bey manchem war<lb/>
die Melodie nicht der er&#x017F;ten Predigt ange-<lb/>
meßen, bey noch einem war noch was an-<lb/>
ders zu bedencken: Endlich getroffen. Ich<lb/>
habe den &#x017F;ehr be&#x017F;cheidenen Autorausdruck<lb/><hi rendition="#fr">befeilen</hi> gebraucht, die Wahrheit aber zu ge-<lb/>
&#x017F;tehen that mein Vater mehr. Ich hatte den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Styl</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0180] denn da ihn meine Mutter uͤber dieſe Sache ebenfals zum Vertrauten gemacht hatte; ſchlug er ihr den fuͤnften Vers aus dem zehn- ten Capittel des zweyten Buchs Samuelis zum Text vor „Ich wils vertragen Herr „Cantor Herrmann„ ſagte ſie. Sie hielte Wort und da man nachſchlug fanden ſich die Worte „bleibet zu Jericho bis euch der Bart „gewachſen iſt ſo kommet dann wider„ das war gewis mehr als eine Schneidernadel! Dominica III. poſt Epiphanias ward beſchloſ- ſen daß ich Dominica Judica meine erſte Pre- dig in unſrer Dorfkirche ablegen oder wie es meine Mutter in der Sprache ihrer Ahnher- ren nandte mich hoͤren laſſen ſolte. Ich ent- warf die Predigt ſelbſt, mein Vater gab das Imprimatur nachdem er ſie befeilet hatte. Meine Mutter ſonderte mir die Lieder aus. Dieſes macht’ ihr viele Muͤhe. Ein Lied war um einen Vers zu lang, ein andres war wider um einen zu kurtz, bey manchem war die Melodie nicht der erſten Predigt ange- meßen, bey noch einem war noch was an- ders zu bedencken: Endlich getroffen. Ich habe den ſehr beſcheidenen Autorausdruck befeilen gebraucht, die Wahrheit aber zu ge- ſtehen that mein Vater mehr. Ich hatte den Styl

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/180
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/180>, abgerufen am 13.05.2024.