Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

zu wissen warum als des Namens Willhel-
mine wegen.

Man muß alles von sich anfangen.
Selbst wenn die Schulgelehrten die Existenz
Gottes beweisen wollen -- Schand ist's
zu sagen daß sie's wollen -- fangen sie von
sich an: ich bin sagen sie, also ist auch Gott
der Herr. Es sind gewisse Geheimnisse, wel-
che die Natur obschon der Kunst viel verra-
then worden doch für sich behält, und dahin
gehört die Kinderzucht. Man wird in die-
ses Geheimnis allein durch die Vaterschaft
initiiret. Ich glaub' es steif und fest, daß
jeder Vater wär's gleich ein Bürstenbinder
und jede Mutter wär's gleich eine Bürsten-
binderin, ihre Kinder erziehen können und
es also nicht nöthig haben anderen Unterricht
für die kleinen Bürstenbinderchen in einem
öffentlichen Laden zu kauffen. Wie solte wol
die Natur so ungerecht seyn das größere zu
geben und das kleinere zu versagen? Du
weist Alexander, was dein Vetter der große
Summus Alexander (an diese Vetterschaft
hatt' er lang nicht gedacht) seinem Lehrer
dem Summus Aristoteles für ein Compliment
machte, im rechten Sinn ein Compliment:
Er hätt' ihm mehr als seinem Vater Philipp

zu

zu wiſſen warum als des Namens Willhel-
mine wegen.

Man muß alles von ſich anfangen.
Selbſt wenn die Schulgelehrten die Exiſtenz
Gottes beweiſen wollen — Schand iſt’s
zu ſagen daß ſie’s wollen — fangen ſie von
ſich an: ich bin ſagen ſie, alſo iſt auch Gott
der Herr. Es ſind gewiſſe Geheimniſſe, wel-
che die Natur obſchon der Kunſt viel verra-
then worden doch fuͤr ſich behaͤlt, und dahin
gehoͤrt die Kinderzucht. Man wird in die-
ſes Geheimnis allein durch die Vaterſchaft
initiiret. Ich glaub’ es ſteif und feſt, daß
jeder Vater waͤr’s gleich ein Buͤrſtenbinder
und jede Mutter waͤr’s gleich eine Buͤrſten-
binderin, ihre Kinder erziehen koͤnnen und
es alſo nicht noͤthig haben anderen Unterricht
fuͤr die kleinen Buͤrſtenbinderchen in einem
oͤffentlichen Laden zu kauffen. Wie ſolte wol
die Natur ſo ungerecht ſeyn das groͤßere zu
geben und das kleinere zu verſagen? Du
weiſt Alexander, was dein Vetter der große
Summus Alexander (an dieſe Vetterſchaft
hatt’ er lang nicht gedacht) ſeinem Lehrer
dem Summus Ariſtoteles fuͤr ein Compliment
machte, im rechten Sinn ein Compliment:
Er haͤtt’ ihm mehr als ſeinem Vater Philipp

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0198" n="190"/>
zu wi&#x017F;&#x017F;en warum als des Namens Willhel-<lb/>
mine wegen.</p><lb/>
        <p>Man muß alles von &#x017F;ich anfangen.<lb/>
Selb&#x017F;t wenn die Schulgelehrten die Exi&#x017F;tenz<lb/>
Gottes bewei&#x017F;en wollen &#x2014; Schand i&#x017F;t&#x2019;s<lb/>
zu &#x017F;agen daß &#x017F;ie&#x2019;s wollen &#x2014; fangen &#x017F;ie von<lb/>
&#x017F;ich an: ich bin &#x017F;agen &#x017F;ie, al&#x017F;o i&#x017F;t auch Gott<lb/>
der Herr. Es &#x017F;ind gewi&#x017F;&#x017F;e Geheimni&#x017F;&#x017F;e, wel-<lb/>
che die Natur ob&#x017F;chon der Kun&#x017F;t viel verra-<lb/>
then worden doch fu&#x0364;r &#x017F;ich beha&#x0364;lt, und dahin<lb/>
geho&#x0364;rt die Kinderzucht. Man wird in die-<lb/>
&#x017F;es Geheimnis allein durch die Vater&#x017F;chaft<lb/>
initiiret. Ich glaub&#x2019; es &#x017F;teif und fe&#x017F;t, daß<lb/>
jeder Vater wa&#x0364;r&#x2019;s gleich ein Bu&#x0364;r&#x017F;tenbinder<lb/>
und jede Mutter wa&#x0364;r&#x2019;s gleich eine Bu&#x0364;r&#x017F;ten-<lb/>
binderin, ihre Kinder erziehen ko&#x0364;nnen und<lb/>
es al&#x017F;o nicht no&#x0364;thig haben anderen Unterricht<lb/>
fu&#x0364;r die kleinen Bu&#x0364;r&#x017F;tenbinderchen in einem<lb/>
o&#x0364;ffentlichen Laden zu kauffen. Wie &#x017F;olte wol<lb/>
die Natur &#x017F;o ungerecht &#x017F;eyn das gro&#x0364;ßere zu<lb/>
geben und das kleinere zu ver&#x017F;agen? Du<lb/>
wei&#x017F;t Alexander, was dein Vetter der große<lb/><hi rendition="#aq">Summus</hi> Alexander (an die&#x017F;e Vetter&#x017F;chaft<lb/>
hatt&#x2019; er lang nicht gedacht) &#x017F;einem Lehrer<lb/>
dem <hi rendition="#aq">Summus</hi> Ari&#x017F;toteles fu&#x0364;r ein Compliment<lb/>
machte, im rechten Sinn ein Compliment:<lb/>
Er ha&#x0364;tt&#x2019; ihm mehr als &#x017F;einem Vater Philipp<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0198] zu wiſſen warum als des Namens Willhel- mine wegen. Man muß alles von ſich anfangen. Selbſt wenn die Schulgelehrten die Exiſtenz Gottes beweiſen wollen — Schand iſt’s zu ſagen daß ſie’s wollen — fangen ſie von ſich an: ich bin ſagen ſie, alſo iſt auch Gott der Herr. Es ſind gewiſſe Geheimniſſe, wel- che die Natur obſchon der Kunſt viel verra- then worden doch fuͤr ſich behaͤlt, und dahin gehoͤrt die Kinderzucht. Man wird in die- ſes Geheimnis allein durch die Vaterſchaft initiiret. Ich glaub’ es ſteif und feſt, daß jeder Vater waͤr’s gleich ein Buͤrſtenbinder und jede Mutter waͤr’s gleich eine Buͤrſten- binderin, ihre Kinder erziehen koͤnnen und es alſo nicht noͤthig haben anderen Unterricht fuͤr die kleinen Buͤrſtenbinderchen in einem oͤffentlichen Laden zu kauffen. Wie ſolte wol die Natur ſo ungerecht ſeyn das groͤßere zu geben und das kleinere zu verſagen? Du weiſt Alexander, was dein Vetter der große Summus Alexander (an dieſe Vetterſchaft hatt’ er lang nicht gedacht) ſeinem Lehrer dem Summus Ariſtoteles fuͤr ein Compliment machte, im rechten Sinn ein Compliment: Er haͤtt’ ihm mehr als ſeinem Vater Philipp zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/198
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/198>, abgerufen am 13.05.2024.