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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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ein Geheimnis gemacht hat. Lieber Sohn
fieng mein Vater an, als ob er von einem
Vorbeigehenden wegen seiner Reise eine Aus-
kunft erhalten oder in eine Reisekarte ge-
sehen hätte -- und meine Mutter machte
die Cammerthüre, hinter welche sie sich weis-
lich gestellet hatte drey Zoll weiter auf, im
Himmel ist unser wahres Vaterland hier
unten sind wir Fremdlinge und suchen das
was droben ist. Wir sind in Hinsicht un-
sers Körpers Gottes Pilger in Hinsicht un-
srer Seele Gottes Bürger. Als die Pil-
grimm!
heißt es darum führet einen
guten Wandel
--

Zu Hause nimmt man sich vieles so
übel nicht. Man vernachläßigt sich; thun
Sie doch als ob sie zu Hause wären sagt
man. Auf der Reise sind wir auf uns auf-
merksamer. Die Welt ist für einen klugen
Reisenden höchstens eine Hauptstadt. Er
läßt sich das Merkwürdige zeigen: Für einen
Gelehrten eine öffentliche Bibliotheck er
sieht die Tittel. Beide bestellen Postpferde.
Plus vltra.

Hiebey sahe mein Vater so gerührt aus,
daß wenn ich nicht seinen Worten geglau-
bet hätte, ich jedennoch jedem ehrwürdigen

Zuge
B 3

ein Geheimnis gemacht hat. Lieber Sohn
fieng mein Vater an, als ob er von einem
Vorbeigehenden wegen ſeiner Reiſe eine Aus-
kunft erhalten oder in eine Reiſekarte ge-
ſehen haͤtte — und meine Mutter machte
die Cammerthuͤre, hinter welche ſie ſich weis-
lich geſtellet hatte drey Zoll weiter auf, im
Himmel iſt unſer wahres Vaterland hier
unten ſind wir Fremdlinge und ſuchen das
was droben iſt. Wir ſind in Hinſicht un-
ſers Koͤrpers Gottes Pilger in Hinſicht un-
ſrer Seele Gottes Buͤrger. Als die Pil-
grimm!
heißt es darum fuͤhret einen
guten Wandel

Zu Hauſe nimmt man ſich vieles ſo
uͤbel nicht. Man vernachlaͤßigt ſich; thun
Sie doch als ob ſie zu Hauſe waͤren ſagt
man. Auf der Reiſe ſind wir auf uns auf-
merkſamer. Die Welt iſt fuͤr einen klugen
Reiſenden hoͤchſtens eine Hauptſtadt. Er
laͤßt ſich das Merkwuͤrdige zeigen: Fuͤr einen
Gelehrten eine oͤffentliche Bibliotheck er
ſieht die Tittel. Beide beſtellen Poſtpferde.
Plus vltra.

Hiebey ſahe mein Vater ſo geruͤhrt aus,
daß wenn ich nicht ſeinen Worten geglau-
bet haͤtte, ich jedennoch jedem ehrwuͤrdigen

Zuge
B 3
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[19/0027] ein Geheimnis gemacht hat. Lieber Sohn fieng mein Vater an, als ob er von einem Vorbeigehenden wegen ſeiner Reiſe eine Aus- kunft erhalten oder in eine Reiſekarte ge- ſehen haͤtte — und meine Mutter machte die Cammerthuͤre, hinter welche ſie ſich weis- lich geſtellet hatte drey Zoll weiter auf, im Himmel iſt unſer wahres Vaterland hier unten ſind wir Fremdlinge und ſuchen das was droben iſt. Wir ſind in Hinſicht un- ſers Koͤrpers Gottes Pilger in Hinſicht un- ſrer Seele Gottes Buͤrger. Als die Pil- grimm! heißt es darum fuͤhret einen guten Wandel — Zu Hauſe nimmt man ſich vieles ſo uͤbel nicht. Man vernachlaͤßigt ſich; thun Sie doch als ob ſie zu Hauſe waͤren ſagt man. Auf der Reiſe ſind wir auf uns auf- merkſamer. Die Welt iſt fuͤr einen klugen Reiſenden hoͤchſtens eine Hauptſtadt. Er laͤßt ſich das Merkwuͤrdige zeigen: Fuͤr einen Gelehrten eine oͤffentliche Bibliotheck er ſieht die Tittel. Beide beſtellen Poſtpferde. Plus vltra. Hiebey ſahe mein Vater ſo geruͤhrt aus, daß wenn ich nicht ſeinen Worten geglau- bet haͤtte, ich jedennoch jedem ehrwuͤrdigen Zuge B 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/27>, abgerufen am 27.04.2024.