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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778.

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schien es, daß sie der nemliche einhornsche
Eifer beseelte. Es hat dieser würdige Eife-
rer sich die Calendermärtyrerkrone errungen
indem er im Jahr nach Christi Geburt 1655
Dominica XI. post Trinitatis auf der Kanzel
mitten in einer Calenderpredigt blieb und sein
ruhmvolles Leben mit den Worten "verflucht
sei der Calend" -- sanft und seelig endigte.
Mein Vater schien beständig besorgt zu seyn
es würde meine Mutter eine Märtyrerkrone
in ihrem Bluträchereifer überraschen, wes-
halb er sie bei der Hand zu nehmen und zu
sagen pflegte "fasse dich, mein Kind, die
"Sache ist beigelegt, wir schreiben heute
"den -- VI --" Meine Mutter hielte in-
dessen bis an ihren Tod den gregorianischen
Calender für ein kezerisches Buch und ließ
sich nie Ader, wenn im Calender das Zeichen
zum Gutaderlassen stand. Es mußte kein
Haar im Pastorat verschnitten werden wenn
der Calender hiezu anrieth, und alles was
sie nur erreichen konnte mahnte sie ab Holz
zu fällen, Kinder zu entwöhnen, oder sonst
eine Medicin zu brauchen wenn der Calender
es gut fand. Es war ein Glück für sie daß
diese ungestempelten Tage die meiste Zeit für
sie und die lieben Ihrigen gut ausfielen; es

war

ſchien es, daß ſie der nemliche einhornſche
Eifer beſeelte. Es hat dieſer wuͤrdige Eife-
rer ſich die Calendermaͤrtyrerkrone errungen
indem er im Jahr nach Chriſti Geburt 1655
Dominica XI. poſt Trinitatis auf der Kanzel
mitten in einer Calenderpredigt blieb und ſein
ruhmvolles Leben mit den Worten „verflucht
ſei der Calend„ — ſanft und ſeelig endigte.
Mein Vater ſchien beſtaͤndig beſorgt zu ſeyn
es wuͤrde meine Mutter eine Maͤrtyrerkrone
in ihrem Blutraͤchereifer uͤberraſchen, wes-
halb er ſie bei der Hand zu nehmen und zu
ſagen pflegte „faſſe dich, mein Kind, die
„Sache iſt beigelegt, wir ſchreiben heute
„den — VI —„ Meine Mutter hielte in-
deſſen bis an ihren Tod den gregorianiſchen
Calender fuͤr ein kezeriſches Buch und ließ
ſich nie Ader, wenn im Calender das Zeichen
zum Gutaderlaſſen ſtand. Es mußte kein
Haar im Paſtorat verſchnitten werden wenn
der Calender hiezu anrieth, und alles was
ſie nur erreichen konnte mahnte ſie ab Holz
zu faͤllen, Kinder zu entwoͤhnen, oder ſonſt
eine Medicin zu brauchen wenn der Calender
es gut fand. Es war ein Gluͤck fuͤr ſie daß
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[26/0034] ſchien es, daß ſie der nemliche einhornſche Eifer beſeelte. Es hat dieſer wuͤrdige Eife- rer ſich die Calendermaͤrtyrerkrone errungen indem er im Jahr nach Chriſti Geburt 1655 Dominica XI. poſt Trinitatis auf der Kanzel mitten in einer Calenderpredigt blieb und ſein ruhmvolles Leben mit den Worten „verflucht ſei der Calend„ — ſanft und ſeelig endigte. Mein Vater ſchien beſtaͤndig beſorgt zu ſeyn es wuͤrde meine Mutter eine Maͤrtyrerkrone in ihrem Blutraͤchereifer uͤberraſchen, wes- halb er ſie bei der Hand zu nehmen und zu ſagen pflegte „faſſe dich, mein Kind, die „Sache iſt beigelegt, wir ſchreiben heute „den — VI —„ Meine Mutter hielte in- deſſen bis an ihren Tod den gregorianiſchen Calender fuͤr ein kezeriſches Buch und ließ ſich nie Ader, wenn im Calender das Zeichen zum Gutaderlaſſen ſtand. Es mußte kein Haar im Paſtorat verſchnitten werden wenn der Calender hiezu anrieth, und alles was ſie nur erreichen konnte mahnte ſie ab Holz zu faͤllen, Kinder zu entwoͤhnen, oder ſonſt eine Medicin zu brauchen wenn der Calender es gut fand. Es war ein Gluͤck fuͤr ſie daß dieſe ungeſtempelten Tage die meiſte Zeit fuͤr ſie und die lieben Ihrigen gut ausfielen; es war

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 1. Berlin, 1778, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe01_1778/34>, abgerufen am 28.04.2024.